Greyhoppers und Inbetweens

Von Ruedi Wyss
Kürzlich fragte mich ein Bekannter: „Kannst du dir vorstellen, nach deiner Pensionierung ein Greyhoppers zu werden?“ Ich verstand nur Bahnhof und also nichts. Zudem ist das Rentenalter noch einige Jahre entfernt. Ich bin deshalb auch kein Hobbynomics, welcher in seiner Freizeit und also aus lauter Spass seine Arbeitskraft für Internetprojekte zur Verfügung stellt. Vielmehr bin ich ein Slash, der seine Dienstleistungen verschiedenen Auftraggebern gegen Entgelt zur Verfügung stellt und dieses wieder pflichtbewusst an die Sozialwerke wie die AHV abgibt.

Trotzdem irritierte mich die Frage. Ich fühlte mich wie ein Landei respektive ein Bahnhof auf dem Land, von denen in den vergangenen Jahren viele wegrationalisiert und also vom Bahnnetz entfernt wurden. Nun drohte mir also das Schicksal, vom modernen Sprachgebrauch ausgeschlossen und auf ein Nebengleis abgeschoben zu werden.

Um mich selbst davon zu überzeugen, dass ich noch existiere, machte ich ein Selfie. Und ich dachte nach. Zum Beispiel darüber, wie unsere Gesellschaft einerseits auf das Recht des Individualismus und der Selbstverwirklichung pocht und sich anderseits bereitwillig kategorisieren und typologisieren lässt. Was dabei auffällt: Umso mehr man nach dem Motto „You only live once“ (Du lebst nur einmal; welche grossartige Erkenntnis!) und als Ich-bezogen durchs Leben zieht, umso mehr boomt die Welt von Begriffen.

So gibt es beispielsweise die Inbetweens, welche in ständiger Umorientierung leben. Das sind dann auch jene, welche sich auf den Wanderungen verirren und durch die REGA, welche seit ihrer Gründung 1952 auch heute noch so heisst, gerettet werden müssen. Oder die Ungooglabes. Das sind Menschen, welche im Internet nicht auffindbar sein wollen. Das ist zwar eine Illusion und auch deshalb ohne Wirkung, weil diese auch sonst nicht auffallen und deshalb nicht gegoogelt werden.

Eher grössere Auswirkungen auf unsere Zukunft haben die LAT-Paare, also Mann und Frau, die in getrennten Wohnungen leben. Kein Wunder, stirbt unsere Welt aus. Verantwortlich dafür sind auch die Celibattantes. Dabei handelt es sich nicht um Tante Celina, welche als Kombattantin unabhängig vom der Rechtmässigkeit der Konflikte zu Kriegshandlungen wie Bekämpfung und Tötung berechtigt ist. Sie muss nur die Genfer Konventionen von 1949 beachten und darf also beispielsweise keine Kriegsverbrechen begehen.

Auch wenn ich jetzt diese Logik nicht ganz verstehe, ist es doch beruhigend zu wissen, dass Celibattantes eine andere Art Kriegerin in Friedenszeiten ist, zumal auch der Geschlechterkampf weitgehend ausgestanden ist. Eine Celibattantin ist ledig, durchsetzungsfähig, erfolgreich, gebildet und Single. Eine solche Typin, von denen es – siehe Geschlechterkampf – zunehmend mehr gibt, bevorzugt für ihren unverbindlichen Beziehungspass meistens einen Typ aus der Kategorie  „Gastrosexueller“. Das sind Männer, die gerne kochen sowie teure Kochutensilien und Esswaren verwenden. Um sich diese hohe Anspruchshaltung für die tägliche Mahlzeit leisten zu können, muss er also genau so erfolgreich wie die Single-Frau sein.

Chancenlos hingegen wären Männer, die Elektrochonder sind und also panische Angst vor elektromagnetischen Feldern haben. Sie kochen deshalb auf dem Feuer und verständigen sich mit Rauchzeichen. Es ist davon auszugehen, dass sie dadurch auch das Glück verpassen, hormongeflashed, also verliebt, zu sein.

Apropos verpassen: Greyhoppers sind Leute, die im Rentenalter nochmals ein neues Leben beginnen. So einfach ist das.
2. November 2014

Zur Person

Rudolf Wyss, geboren 1955 in Sarnen, ist Journalist und PR-Berater. Er arbeitete als Medienschaffender unter anderem bei Radio Pilatus als Newschef, bei den LNN als Ressortleiter und war bei TeleTell Realisator und Moderator des Reporttalks „Regiotalk“ sowie Chefredaktor. 2000 gründete er eine eigene Agentur, welche Firmen und Behörden in den Bereichen Medien, Marketing und Kommunikation berät und entsprechende Kampagnen konzipiert und realisiert. Seit 2011 ist er auch für Produktion und Regie des FCLTV bei den Heimspielen des FC Luzern verantwortlich. Rudolf Wyss lebt mit seiner Lebenspartnerin in Meggen.