Von den Schwierigkeiten, Gutes zu tun

Von Beat Bieri

Im den letzten eineinhalb Jahren habe ich mich beruflich mit den Immenseer Missionaren und ihrer Geschichte auseinandergesetzt. Denn es waren diese Missionare, die mir damals, in meiner Kindheit, das Fenster zur Welt geöffnet hatten. Noch bevor das Fernsehen richtig verbreitet war und noch bevor die Zeitungen grosszügig Fotos druckten, boten die Missionare in ihrem Heft „Bethlehem", verteilt in Schule und Kirche, die ersten Bilder einer fremden, exotischen Welt, jener Welt, die man später „Dritte Welt" nannte.

Es war Anfang der sechziger Jahre und die weissen Männer, meist mitten in einer Schar dunkelhäutiger Menschen abgebildet, erschienen mir weniger als fromme Gottesdiener, denn als wagemutige Abenteurer - ein verführerisches Berufsbild gerade in einer Zeit, die in der katholisch-konservativen Zentralschweiz geprägt war von Spiessertum, von Verboten und Bigotterie. Und so träumte ich gelegentlich auch davon, mich als Missionar in dieses Abenteuer fernab der innerschweizerischen Konformität zu stürzen (bevor ich beschloss, Pilot zu werden, was dann wegen einer angeborenen Farbschwäche der Augen auch nicht klappte).

Auf dem Ladentisch in der Bäckerei meiner Eltern stand ein Negerkässeli: Ein kniendes Afrikanerkind nickte, wenn ein spendabler Kunde ein Geldstück in den Schlitz warf. Das Geld ging zu den Immenseer Missionaren – und so stellte ich mir einige Jahrzehnte später die Frage: Was ist aus den Missionaren geworden?

Ich habe darüber für SRF einen Dokfilm gemacht, „Das Ende der Mission – Ein Stück Schweizer Weltgeschichte", der letzte Woche ausgestrahlt worden ist ( hier ein Link zum Film:  http://www.srf.ch/sendungen/dok/das-ende-der-mission-ein-stueck-schweizer-Weltgeschichte ).

Christliche Mission – ein beschädigtes Wort, zu dunkel ist die frühe Geschichte der christlichen Missionierung, zu sehr wirkten die spanischen, portugiesischen, britischen, belgischen Missionare in den Anfängen Seite an Seite mit den Eroberern, den Gewalttätigen und Unterdrückern. Doch als die ersten Immenseer Missionare aus der Schweiz in die Welt zogen – 1924 nach China – taten sie das immerhin nicht gemeinsam mit kriegerischen Kolonialherren. In ihrer Geschichte entwickelten sich die Immenseer mehrheitlich zu fortschrittlichen, eher vatikanfernen Kräften.

Die Immenseer, diese betagten Männer, die ich in der Schweiz und in Afrika traf, haben mich, der ein eher distanziertes Verhältnis zur katholischen Kirche hat, ungemein beeindruckt: oft christliche Haudegen, nicht nur Seelen-, sondern ebenso Lebensretter, meist eigenwillige, starke Persönlichkeiten, die sich in weltgeschichtlichen Konflikten in der Regel für die richtige Seite entschieden haben.

Noch gut 80 Mitglieder zählt heute die Immenseer Missionsgesellschaft Bethlehem SMB (einst, in den sechziger Jahren, waren es mehr als 400), das Durchschnittsalter liegt über 80 Jahren. Die SMB ist heute an einem schmerzhaften Punkt ihrer Geschichte angelangt, denn das Ende naht. Und ein Fazit zu formulieren zur fast 100jährigen Geschichte der Immenseer, fällt schwer: Bruder John Burkhart beispielsweise, 89jährig, einst Schlosser, Metzger, Bäcker und Buschpilot in Simbabwe, stellt traurig fest, dass viele seiner Werke zerfallen. Pater Gabriel Imstepf anderseits, ebenfalls seit vielen Jahrzehnten in Afrika tätig, ist mit seinem Missionarsleben im Reinen: Er habe schätzungsweise 3000 Afrikaner beerdigt. Und noch heute wird der 84jährige, fast blinde Immenseer zu jeder Beerdigung im nahen Busch gerufen.

Kein Fazit, aber eine Feststellung zum Schluss, die ich teile: „Mich haben diese alten Kämpfer in ihrem Einsatz für Hoffnungslose berührt, in ihrer täglich gelebten Mitmenschlichkeit," so schrieb mit ein Freund, nachdem er den Film gesehen hatte.

Zur Person

Beat Bieri (1953), geboren in Luzern und dort mit seiner Familie immer noch wohnhaft, arbeitete in den siebziger und achtziger Jahren für die «Luzerner Neuste Nachrichten»,  war danach Redaktor beim Wirtschaftsmagazin «Bilanz». Seit über 20 Jahren wirkt er nun für das Schweizer Fernsehen, heute als Dokumentarfilmer. Eine Reihe von Filmen (unter anderem «Neue Heimat Lindenstrasse») hat er mit dem Luzerner Journalisten Ruedi Leuthold realisiert.