Bildgeschichte 6/2016

Die Redaktionsstube

Von Beat Bühlmann

Das Bild ist nicht datiert, doch auf dem Kalender im Hintergrund ist die Jahreszahl 1978 schwach zu erkennen. Da war ich 27 Jahre alt und Redaktor bei den Luzerner Neuesten Nachrichten, den LNN, damals das grösste – und natürlich auch beste! – Blatt auf dem Platz Luzern. Ich war, zusammen mit René Regenass und Robert Leu, für das Ressort "Kanton Luzern" zuständig. Die Redaktion war in einem baufälligen Haus an der Zürichstrasse untergebracht, dort wo sich heute das Löwencenter breit macht. In keiner Redaktion war ich so "zu Hause" wie damals bei den LNN.

Das Treppenhaus war eng, die Stiegen knarrten, die Büros waren Redaktionsstuben; von Grossraumbüros hatten wir noch nichts gehört. Kein Laptop, kein Handy, keine Mails. Wir hauten mit unseren zehn Fingern (manche taten es mit zwei!) auf die Tasten der schwarzen Remington (rechts im Bild) – oder war es eine Hermes? Nachher ging das Manuskript in die Maschinensetzerei, wo jedes Wort nochmals abgetippt und in Blei gegossen wurde, bevor dann der Filmsatz kam. Die Schnur nach aussen war das Telefon, an der Wählscheibe konnten wir unsere Finger wundreiben. Die Recherche im Internet kannten wir nicht. Umso lieber gingen wir nach draussen und machten unsere journalistische Feldarbeit.

Es gab noch so etwas wie einen "Blätterwald" oder eine Pressevielfalt, wie es damals hiess; man sieht es an der Ablage im Hintergrund. Allein in Luzern erschienen drei Tageszeitungen: das konservative "Vaterland", das liberale "Luzerner Tagblatt" und die parteiunabhängige LNN. Die Zentralschweizer AZ, die zwischenzeitlich die "Freie Innerschweiz" (1934 bis 1970) ersetzt hatte, war nach zweijährigem Erscheinen im Frühjahr 1972 bereits wieder eingestellt worden. Auch die LNN hatten ihre besten Jahre, so sollte sich zeigen, schon bald hinter sich. Im Herbst 1980 wurde Chefredaktor Jürg Tobler, der die LNN zu einem renommierten Blatt gemacht hatte, von Ringier auf die Strasse gestellt. Es gab Proteste, Flugblattaktionen, Solidaritätsbekundungen, einen Fackelzug durch die Luzerner Altstadt. 24 von 45 Redaktorinnen und Redaktoren kündigten, auch ich räumte mein Büro im dritten Stock.

Beat Bühlmann, Jahrgang 1951, arbeitete bis 1980 auf der LNN-Redaktion. Er war Mitbegründer der Zentralschweizer Wochenzeitung "Die Region" und wechselte 1987 zum Zürcher "Tages-Anzeiger", wo er bis 2012 als Inlandredaktor tätig war. Von 2012 bis 2016 war er Projektleiter "Altern in Luzern".