Paolo Brenni, im Bild als Chorherr, heute Bewohner im Betagtenzentrum Dreilinden. (Bild Kath.Kirche)

Das Telefon als Kommunikationsmittel neu entdeckt

Die Betagtenzentren von Viva Luzern sind seit Mitte März für Besucherinnen und Besucher geschlossen. Wie fühlen sich die Bewohnerinnen und Bewohner in der durch Covid 19 bedingten Isolation? Der ehemalige Jugendseelsorger, Pfarrer und Chorherr Paolo Brenni, 94, berichtet.  

Von Monika Fischer

Seit etwas mehr als einem halben Jahr lebt Chorherr Paolo Brenni im Betagtenzentrum Dreilinden von Viva Luzern. In einem langsamen Einleben konnte er sich an das neue Zuhause gewöhnen. «Das Personal ist sehr sympathisch und hilfsbereit.» Er versuchte, weiterhin verschiedene gute Kontakte mit Freunden und Bekannten ausserhalb und innerhalb des Heims zu pflegen. Mit einzelnen Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern ist dies möglich, mit anderen gelingt es weniger.» Es ist ihm wichtig, körperlich und geistig fit zu bleiben. Am Morgen macht er seine Gymnastik. Tagsüber geht er im Freien so oft wie möglich spazieren. «Ohne dieses regelmässige Training würde ich rasch im Rollstuhl landen.» 

Kompliment für das stark geforderte Personal

Vieles ist schwieriger geworden, seitdem die Institution für Besucherinnen und Besucher geschlossen ist. Das Personal sei stärker gefordert. Der Alltag sei für die Mitarbeitenden strenger geworden. Laufend gebe es neue Veränderungen. «Wir sassen zu sechst an einem Tisch und konnten mit unserem Gegenüber in Armlänge von ca. 80 Zentimetern miteinander sprechen. Seit ein paar Tagen sitzen wir allein an einem Tisch.» Paolo Brenni macht dem Personal ein grosses Kompliment für seinen Einsatz für die Bewohnerinnen und Bewohner: «Die Pflegefachpersonen, die Mitarbeitenden vom Tischservice, alle geben sich grosse Mühe. Allerdings sind sie an der Grenze der Überforderung, brauchen sie doch jetzt viel mehr Geduld mit uns.» Viele Bewohnerinnen und Bewohner hätten wenig Geduld; sie verstünden nicht, was los ist und fänden sich nicht mehr zurecht. «Die meisten von uns leiden an verschiedenen Krankheiten, hören oder sehen nicht mehr gut. Wir sind alt und abgebrannt, physisch und psychisch schwächer geworden. Das spüre auch ich.» Es gebe alte Menschen, die wenig Verständnis haben für die aktuelle Situation und nur noch sich sehen. Der Egoismus nehme im Alter zu. Das sei für das Pflegepersonal nicht einfach.

Kontakte übers Telefon

Wie kommt Paolo Brenni persönlich mit der Situation ohne Besuch zurecht? «Mir wird viel häufiger telefoniert. Ich habe mehr Kontakte per Telefon als früher. Menschen, die mich wohl nicht besuchen würden, telefonieren mir und wollen wissen, wie es mir geht.» Er macht es ebenso. Er denkt an Menschen, die jetzt möglicherweise allein und einsam sind und ruft sie an. «Ich habe dazu eine Liste gemacht, wem ein Anruf gut tun könnte. So habe ich die Bedeutung des Telefons als Kommunikationsmittel neu entdeckt.» Er weiss, dass eine grössere Nähe entstehen könnte, wenn er die Leute auf einem Handy auch sehen könnte. «Diese Anschaffung habe ich verpasst. Doch macht es mir nichts aus.»

Kraft aus dem Glauben an die Auferstehung

Der Seelsorger ist überzeugt, dass der christliche Glaube hilfreich ist im Umgang mit der Corona-Krise. «Sie lehrt uns, wieder solidarischer miteinander umzugehen, bescheidener und zufriedener zu werden und mehr Verständnis zu haben für andere Völker, die im Elend leben.» 

Die aktuelle Situation, verbunden mit Ungewissheit, mit Ängsten, Sorgen, Leiden und Abschieden erinnert ihn an die Passion Jesu und ist für ihn eine Form von Anteilnahme daran. «Es ist das Wunderschöne am Christentum und an andern Religionen, dass es nicht beim Leiden bleibt, sondern eine Auferstehung, ein neues Leben gibt. Der Glaube an Verwandlung und Erneuerung gibt mir jetzt Kraft und Zuversicht für mich persönlich und für die Welt. Es ist überall viel Solidarität spürbar. Die Gesellschaft, die Menschheit erfährt: Ein anderes Zusammenleben ist möglich.»

Zur Person:

Paolo Brenni (1926) wurde 1953 zum Priester geweiht. 1956 war er der erste Luzerner, der im TV das «Wort zum Sonntag» gesprochen hat. In verschiedenen Seelsorgeaufgaben war er Bundespräses der Jungwacht am St. Karli-Quai in Luzern, Religionslehrer an der Kantonsschule und am Kantonalen Lehrerseminar in Luzern, später Pfarrer von St. Anton Luzern und von Hildisrieden. 1996 wurde er Chorherr im Stift St. Leodegar Luzern.  

27.03.2020