Ein Musical zeigt Armut.

Mit Laien und Profis, Alt und Jung

Von Marietherese Schwegler (Text) und Bruno Fluder (Bild Probearbeiten)

 „Verborgenen Farben“, ein Musiktheater der Bewegung ATD Vierte Welt, zeigt die Geschichte eines armen, marginalisierten Kindes. In der ersten Szene einsam und hungrig, kämpft sich das Kind Adrien durch den Alltag, wird sich mit der Zeit der erfahrenen Ungerechtigkeit bewusst, lehnt sich dagegen auf. Kleine Freuden und Gesten von Solidarität lenken das Geschehen sachte in eine Richtung, wo Hoffnung aufscheint … ATD Vierte Welt ist eine internationale Bewegung, die sich in der Schweiz seit 50 Jahren für die Überwindung von Armut engagiert. Zu diesem Jubiläum hat ATD das Musiktheater lanciert, das am 16. September im Beisein von Bundesrätin Simonetta Sommaruga Premiere feierte. Seither ist das Stück auf Schweizer Tournee.

Die Luzerner Truppe

Eine Besonderheit dieses Musicals ist, dass Laien und Profis, Alt und Jung zusammenwirken; auch Menschen am Rand der Gesellschaft sind einbezogen. Die Truppe besteht jeweils aus lokalen Mitwirkenden, die als Chorsänger oder Statistinnen auftreten. Die professionellen Mimen und Musiker hingegen sind bei allen Aufführungen dabei und sorgen mit Panflöte, Akkordeon, Schlagzeug, Alphorn und weiteren Instrumenten für einen musikalisch hochstehenden Abend.

Für die Luzerner Aufführung hat der Theologe und Kirchenmusiker Bruno Fluder die Leitung des Chors übernommen. Dieser besteht aus zwölf Sängerinnen und Sängern aus Luzern, unterstützt von einigen aus Olten. Bruno Fluder ist hauptamtlich Leiter des ökumenischen Seelsorgecafés Zwitscher-Bar, das mit der Aufführung des Musicals im Lukassaal sein fünfjähriges Bestehen feiert.

Zerrissenheit und Hoffnung

Der Chorleiter ist überzeugt von der spannenden Komposition des Genfer Komponisten und Regisseurs Jean-Marie Curti. „Die Musik mit ihren Dissonanzen und wechselhaften Rhythmen macht die Zerrissenheit und Chancenlosigkeit des Kindes erlebbar. Aber es klingen auch Hoffnungsfunken mit.“ Bruno Fluder berichtet von den herausfordernden Probenarbeiten, bei denen bereits im Sommer mehrere Laiensänger abgesprungen sind: „Die Sprache in Verbindung mit der komplexen Musik, das ist sehr anspruchsvoll. Zumal Liedtexte in allen vier Landessprachen plus Englisch auswendig zu lernen waren.“

Sänger und Fundraiser

Ähnlich erlebt dies auch der Theologe Sepp Riedener, der sich jahrzehntelang u.a. in der Luzerner Gassenarbeit verdient gemacht hat. Und jetzt gleich in mehreren Funktionen die Luzerner Aufführung des ATD-Musiktheaters mit ermöglicht – beispielsweise als Sänger im Chor: „Ja, die mehrsprachigen Lieder, welche die Botschaften des Musicals verbal vermitteln, sind eine Herausforderung für Laien und für Semiprofessionelle“, sagt er, der früher Vorsänger in einem Klosterchor war und noch heute mit viel Freude singt. Aber er glaubt daran, dass es schon gutgehen wird.

Als sich ATD letztes Jahr an Sepp Riedener wandte, konnte er kaum abschätzen, was die lokale Umsetzung des Musiktheaters an Aufwand bedeuten würde. Er sagte zu, war er doch als Kind selber in Armut aufgewachsen und somit ein Betroffener, wie er sagt. In Bruno Fluder fand er einen Mitstreiter, der die Koordination des Luzerner Organisationskomitees übernahm; als Dritter wirkt hier der aktive Rentner Fred Le Grand mit – der auch als Chorsänger auftritt.

Der erfahrene Fundraiser Sepp Riedener beschaffte die finanziellen Mittel für das Vorhaben. „Landeskirchen, Pfarreien und verschiedenen Stiftungen und Institutionen haben sich grosszügig gezeigt. Damit können sie ein Zeichen setzen zum Thema Armut“, sagt er.

Die Bewegung ATD ist in Luzern nicht wie in anderen Städten mit einer Lokalgruppe aktiv. Doch für vergleichbare Solidaritätsarbeit leisten die Landeskirchen, ähnlich wie ATD mit Freiwilligen, so einiges. Zum Beispiel für die ökumenisch ausgerichtete Zwitscher-Bar beim Vögeligärtli, die Gassenarbeit mit dem Paradiesgässli und weiteren Angeboten oder für den Treffpunkt Stutzegg.

Nun hoffen alle Engagierten, die Luzerner Gruppe ebenso wie die Initianten von ATD, auf ein interessiertes Publikum für das Musical „Verborgene Farben“. In der Zeit, die bis zur Aufführung bleibt, wird sich bei ihnen etwas Lampenfieber einstellen. Ohne dieses geht bekanntlich beim Theater gar nichts.
20. September 2017