„Rue de Blamage“ – eine Filmpremiere mit gelebter Authentizität

 

„Es war meine Vision, einen Dokumentarfilm auf Augenhöhe mit den Menschen der Baselstrasse zu drehen“, sagt Regisseur Aldo Gugolz im Interview. Das ist das Berührende am Film, der ab 6. April im Kino Bourbaki läuft. Es werden Aussenseiter portraitiert, „aber ich habe immer versucht, den Menschen sichtbar zu machen, den Menschen hinter dem Junkie oder der Domina.“

„Rue de Blamage“ lebt von diesen Menschen und ihren Geschichten, die dem Film den roten Faden geben. Da sind Heinz Gilli und Christoph Fischer, der Strassenkehrer und der Künstler, der Gilli in einer drei Tonnen schweren Betonskulptur am Kreuzstutz modelliert hat. Heinz Gilli war schwer krank, musste einen Hirntumor entfernen lassen und war an der Premiere im Rollstuhl dabei. Da ist Daniele, der Inline-Skater mit der Gitarre am Rücken, früher Junkie, jetzt stadtbekannter Sänger und Gitarrist. Oder Conny, Beach-Bar Betreiberin, früher Sozialarbeiterin, die von den Kunden erzählt, die bei ihr das Herz ausschütten. Und da ist noch Joe, das Original an der Baselstrasse, das inzwischen zwar nicht mehr dort wohnt, aber immer noch jeden Tag stundenlang auf einem Plastikstuhl an der Strasse sitzt, beobachtet und kommentiert.

Es gibt auch Begegnungen im Film, deren Ursprung eben nur an der Rue de Blamage, an der Baselstrasse, möglich ist. Zum Beispiel jene mit der Syrerin Amal. Der Kontakt kam über die Koautorin Christina Caruso zu Stande, die sie im Café International im Sentitreff getroffen hat, einem Ort, an dem sich jeden Freitagnachmittag Menschen aus aller Welt, viele Migrantinnen treffen.

„Die Wertschätzung, die Aldo Gugolz „seinen“ Figuren gegenüber zeigt, beeindruckt und berührt“, schreibt Christina Gleicher in der Sentipost. Das ist wohl die zentrale Botschaft des Films, der Lebenssituationen in einem  schwierigen  Umfeld wahrnehmbar macht. Eine Filmdokumentation übrigens, die von hervorragenden Bildern und einer fesselnden Kameraführung lebt.

Soviel Authentizität ist nur möglich, wenn sie stattgefunden hat.  Pinetta, die Mutter von Aldo Gugolz, Tochter von italienischen eingewanderten Arbeitern, ist an der Bernstrasse, also im fast gleichen Umfeld aufgewachsen. Und Aldo zog es als keinen Bub immer wieder dorthin, zum Besuch bei der grossen italienischen Verwandtschaft.
René Regenass – 2. April 2017