Noch eine Liberalisierung, aber zu welchem Preis?

Von Mario Stübi

Bald wird nun auch der Strommarkt liberalisiert. Noch ein Lebensbereich also, wo ich mich wieder aufwändig selber informieren und durch AGBs kämpfen muss, was das beste Angebot für mich ist, obschon aus der Steckdose vorher wie nachher genau das gleich kommt – nämlich 230 Volt Strom. Ich werde dafür immerhin weniger bezahlen müssen (lobpreisen wir gemeinsam den freien Markt!). Gleichzeitig werde ich aber auch weniger Service erhalten, wie wir das bei der Telekommunikation, bei der Post oder in der Reisebranche erlebt haben.

Nun denn, es freut sich wenigstens mein Portemonnaie. Aber ist das nicht das falsche Signal? Hat es vor wenigen Jahren nicht noch anders geklungen, nämlich dass Elektrizität eher zu billig ist und uns deswegen ein Anreiz fehle, Strom zu sparen? Heimelektronik ganz ausschalten statt nur auf Stand-by beispielsweise, oder Wäsche trocknen lassen statt tumblern usw. Gleichzeitig kommt eine weitere bedenkliche Entwicklung hinzu, die sich auch in Luzern niederschlagen könnte.

Ein Blick nach Zürich zeigt nämlich die indirekten Folgen der Strommarktliberalisierung für die Kultur. Konkret: Zürichs EWL, die EWZ, hat jüngst angekündigt, dass sie ihre Sponsoringaktivitäten per 2016 massiv runterfährt. Die Leidtragenden heissen ZSC Lions, Silvesterlauf, Live at Sunset u.a., welche sich auf einen Schlag umorientieren müssen. Was dies mit der Liberalisierung zu tun hat? Die EWZ begründet ihren Strategiewechsel beim Sponsoring mit einem neuen Fokus im Marketingbereich. Mit anderen Worten: Die Gelder für die Kultur werden künftig für Werbung gebraucht, um neue Stromkunden zu gewinnen.

Man muss nicht lange überlegen, um festzustellen, dass dies auch für Luzern ein realistisches Szenario ist. Es mag Zufall sein, aber als ich vorhin die Website des Kleintheaters konsultierte, war die langjährige Hauptsponsorin EWL nicht mehr aufgeführt. Einer chronisch unterfinanzierten Institution wie dem Kleinkunsttheater am Bundesplatz kann der Absprung eines wichtigen Finanzierungspartners schnell das Genick brechen. Offenbar hat der Wechsel beim Kleintheater geklappt. Aber folgen bald Hiobsbotschaften an andere Sponsoringpartner der EWL wie Swiss City Marathon, Stadtlauf und Seebadi? Verlässlichkeit ist wichtig und wertvoll – bei der Stromversorgung wie bei kulturellen Engagements.
11. November 2014

Mario Stübi (30) hat Kulturwissenschaften an der Universität Luzern studiert und leitet die Kommunikation des Dachverbands Schweizer Jugendparlamente. Er schreibt für verschiedene Online-Publikationen und ist als DJ tätig. Er sitzt für die SP im Grossen Stadtrat von Luzern und engagiert sich kulturell in diversen Vereinen und Gremien, aktuell für die Zwischennutzung Neubad im ehemaligen Hallenbad Biregg.