Im Haus Diamant im Eichhof sollen in absehbarer Zeit Alterswohnungen eingerichtet werden. Rechts der Eingang zum Pflegeheim Rubin.

Den Alten ein selbständiges Leben ermöglichen

Mit zwei Berichten über Alterspolitik und Pflegeversorgung unterbreitet der Stadtrat seine Strategie zu den beiden Themenbereichen. Dabei dominiert die Theorie, auf die konkrete Umsetzung kann man nur hoffen.

Von René Regenass (Text und Bild)

Mit dem Bericht wolle der Stadtrat die strategische Ausrichtung der Alterspolitik der Stadt Luzern darlegen, heisst es in der Übersicht der Vorlage für das Stadtparlament, das von der Sozialdirektion zusammengestellt worden ist. In den vergangenen sechs Jahren seien sechs weitere Berichte und Anträge zu alterspolitischen Themen vorgelegt worden. Und in einem neuen Planungsberichte zur Pflegeversorgung, den wir später vorstellen werden, wird der künftige Pflege- und Betreuungsbedarf aufgezeigt.

Die Strategie für die Alterspolitik nennt als wichtigstes Ziel, den älteren Einwohnerinnen und Einwohnern ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Unter den fünf Schwerpunkten – Sicherung der Grundversorgung, Stärkung der Nachbarschaft, Soziale Teilhabe und Zusammenarbeit der Akteure – erhält das Selbstbestimmte Wohnen und Leben zu Hause grosse Bedeutung. Als Massnahmen werden hier aufgelistet: die neue Anlaufstelle Alter, die Unterstützung hauswirtschaftlicher Dienstleistungen, Gesundheitsförderung und Prävention, die Gutscheine für selbstbestimmtes Wohnen und – als letztes - das Engagement für eine altersgerechte Wohnraumpolitik.

Wohnen mit Dienstleistungen den Privaten überlassen
Hier skizziert der Bericht die zentralen Anliegen: kleinere preisgünstige Wohnungen, bauliche Vorkehrungen wie Barrierefreiheit und ausreichende Bewegungsflächen in Bad, Flur und Küche sowie die Förderung von Wohnungen mit Dienstleistungen. Was dann folgt ist die Beschreibung des Istzustandes: 230 Alterswohnungen im Besitz der Stadt, die diesen Bestand an bezahlbarem Wohnraum nutze, um sozioökonomisch schwächeren älteren Luzernerinnen  und Luzerner Wohnmöglichkeiten anzubieten. Weiter heisst es im Bericht, der Bereich Wohnen mit Dienstleistungen soll schwergewichtig privaten Initiativen und insbesondere Genossenschaft, Pensionskassen oder Vereinen vorbehalten bleiben. In diesem Sinne unterstütze die Stadt den Aufbau von Wohnungen mit Dienstleistungen bei der Spitex und bei Vicino Luzern, wo derzeit eine Leistungsvereinbarung mit der abl vorbereitet werde. Diese Vereinbarung ermögliche der abl-Mieterschaft die kostenlose Inanspruchnahme von Dienstleitungen von Vicino Luzern, der Organisation für Nachbarschaftshilfe, erklärt Benno Zgraggen, der Informationsbeauftragte der abl.

Viva soll neue Angebote auf den städtischen Bedarf ausrichten
Im Bericht des Stadtrates wird schliesslich positiv vermerkt, dass Viva Luzern den Bereich Wohnen mit Dienstleistungen in ihre strategischen Stossrichtungen aufgenommen habe. Dies decke sich mit der Eigentümerstrategie der Stadt gegenüber Viva. Und weiter: „Der Aufbau von zusätzlichen Angeboten bei Viva Luzern ist auf den städtischen Bedarf auszurichten, beispielswiese auf dem Areal Eichhof, wo neben dem Pflegeheim städtische Alterswohnungen bestehen und neue gebaut werden, oder an der Taubenhausstrasse in der städtischen Wohnsiedlung, die neu gebaut wird.“

Der Stadtrat anerkenne einen gewissen wohnpolitischen Vorteil im Angebot Wohnen mit Dienstleistungen, weil damit grössere Wohnungen in der Stadt wieder für Familien frei würden. Die Stadt werde Viva Luzern entsprechende Vorgaben machen und dabei die Rahmenbedingungen durch geeignete Instrumente wie Eignerstrategie, Leistungsvereinbarungen und Vermietungsrichtlinien sicherstellen.

Unter dem Schwerpunkt „Nachbarschaftshilfe und Quartierarbeit“ heisst es, die Sozial- und Sicherheitsdirektion werde dem Parlament 2109 in einem Bericht und Antrag zur Weiterentwicklung der Quartierarbeit eine Leistungsvereinbarung mit Vicino vorschlagen, um einerseits die Grundfinanzierung zu sichern und anderseits drei bis vier weitere Standorte – neben dem Neustadtquartier – aufbauen zu können.

Im Schwerpunk 4 – Soziale Teilhabe – erwähnt der Bericht des Stadtrates unter „Partizipation“ das Forum Luzern60plus, das als ständige Fachkommission eine gesetzlich verankerte Partizipationsfunktion für die ältere Generation übernehme. – 26. September 2018
rene.regenass@luzern60plus.ch

 

Das Interview zum Thema

Martin Merki: „Die Stadt baut keine Alterswohnungen“

Eine 2014 erstellte Analyse der Alterspolitik in Schweizer Städten zählt ein ausreichendes Angebot an bezahlbarem altersgerechtem Wohnraum für ältere Menschen zu den grössten  Herausforderungen städtischer Alterspolitik. Auch Luzern müsse dieser Tatsache hohe Aufmerksamkeit zukommen lassen, heisst es im Bericht. Was fehlt sind konkrete Angaben zur Umsetzung. Wo und wann gibt es neue Alterswohnungen?

Martin Merki: Es gibt vier Alterssiedlungen in Luzern mit 230 Wohnungen. Die Stadt Luzern will Wohnraum für alle Generationen schaffen, darin eingeschlossen die über 65Jährigen. Das ist Teil der Umsetzung der Initiative «Für zahlbaren Wohnraum». Die Stadt will dies über die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus erreichen. Die Einwohnergemeinde hat in der Vergangenheit keine Wohnbauten in Eigenregie erstellt. Ganz im Gegensatz zur Bürgergemeinde, die zwischen 1964 und bis Mitte der achtziger Jahre einen Bestand an Alterswohnungen errichtet hat, zum Beispiel das Hochhaus im Eichhof. Aktuell gibt es keine Pläne für zusätzliche Alterssiedlungen. Es ist Aufgabe von privaten Anbietern, Wohnen mit Dienstleistungen zu ermöglichen. Und es gibt Pläne und Projekte in dieser Richtung, zum Beispiel im Eichhof von der Viva Luzern (Haus Diamant), beim Kloster Wesemlin, bei der Wohnbaugenossenschaft Matt in Littau, bei der Pensionskasse der Stadt Luzern.

Das heisst, die Stadt Luzern baut keine neuen Alterswohnungen?
Die Stadt baut nicht, aber sie stellt Land zur Verfügung, wo Wohnraum für alle Generationen gebaut und Wohnen mit Dienstleistungen möglich werden kann. Selber zu bauen wäre eine Umkehr der städtischen Liegenschaftspolitik, wie sie in den Jahren 2002 bis 2005 definiert worden ist. Zudem leistet die Stadt einen Beitrag zur sozialen Integration für alle Generationen, indem die Gemeinschaftsstiftung zur Erhaltung und Schaffung von preisgünstigem Wohnraum GSW mit Millionenbeträgen unterstützt wird. Die Sozialdirektion hat mit der GSW Gespräche geführt, wie das Angebot auch Richtung Alterswohnen ausgebaut werden kann.

An der Taubenhausstrasse aber wird die Stadt neue Alterswohnngen bauen?
Das ist ein Ersatzneubau, bei dem auch die Voraussetzungen geschaffen werden, dass Dienstleistungen von Vicino möglich werden, etwa indem ein Gemeinschaftsraum zur Verfügung steht. Die Alterssiedlungen der Stadt sind im Finanzvermögen. Da gehört eine nachhaltige Bewirtschaftung und Erneuerung dazu.

Das heisst, neben den bestehenden 230 Alterswohnungen wird nichts Neues geplant? Man hofft einfach, dass private Anbieter wie Genossenschaften das Angebot erweitern.
Zu den Privaten zählen auch Kirchgemeinden und Pensionskassen. Ich bin überzeugt, dass das Angebot insgesamt erweitert werden kann. Die Stadt hat einige Entwicklungsgebiete.

Die Leiterin der Vermittlungsstelle Wohnen im Alter sagt es, zwei Mitglieder des Forums Luzern60plus machten gleiche Erfahrungen: Es fehlt in Luzern an grösseren Alterswohnungen mit einem gewissen Standard. Wie will die Stadt diesen Mangel beheben?

Der heutige Standard geht von 2 ½ und 3-Zimmerwohnungen aus. Es gibt in Luzern zu wenig davon. Wohnen in der Stadt Luzern ist sehr beliebt. Auch Leute aus der Agglomeration wollen in die Stadt. Da wird es immer Lücken geben.

Es gibt also keine Anstrengungen, grössere Alterswohnungen zu bauen?
Die Stadt Luzern kann nicht für einzelne Altersgruppen Wohnungen bereit stellen. Wir haben zu wenig Land, um solche Pläne zu verwirklichen. Unser primäres Ziel ist es, Dienstleistungen dorthin zu bringen, wo sie gebraucht werden und wo die Menschen schon wohnen. Deshalb bauen wir die vorgelagerten Dienstleistungen im hauswirtschaftlichen Bereich aus und streben mittelfristig mit dem Verein Vicino eine Leistungsvereinbarung an. Ein ähnliches Angebot hat der Gemeinnützige Frauenverein an der Luegetenstrasse, der dort seit über 30 Jahren ein Alterswohnen mit Dienstleistungen betreibt, das laufend weiter entwickelt wird.

Wo möchten Sie in Luzern wohnen, wenn es zu Hause nicht mehr alleine geht, aber noch kein Pflegeplatz notwendig ist?
Es gibt schon heute Zwischenformen, die ein Leben zu Hause mit Nachbarschaftshilfe und andern Dienstleistungen möglich machen. Diese werden weiter ausgebaut.

Interview René Regenass / 26. September 2018

 

Stadtrat Martin Merki am Zwischenhalt 2016 im Südpol Luzern.
Bild Hans Beat Achermann