Hat den Überblick über das Quartier: Geschichtensammler Hannes Küttel. (Bild zvg)

Zwischen Hochwacht und Hochflue

Von Hans Beat Achermann (Text)

Der Stadt- und Bergwanderer Hannes Küttel ist der Historiker des Hochwachtquartiers. Jetzt hat der pensionierte Lehrer die Geschichten zwischen Hof und Friedberg in einem Buch zusammengefasst.

Auf dem Buochserhorn war er schon gegen 50 Mal, auch andere Zentralschweizer Berggipfel wie die Hochflue oder das Mittaggüpfi gehören neben Dutzenden anderen Bergspitzen zu seinen regelmässigen Wanderzielen. Auch den Namen Hochwacht könnte man mit einem Gipfelnamen in Verbindung bringen. Doch Hochwacht ist der Name eines Luzerner Quartiers, das von der Allenwindenkuppe bis zum Alten Friedhof oberhalb der Hofkirche reicht. Allerdings: Wenn der 72jährige Hannes Küttel auf dem Balkon an der Bergstrasse steht, ist das auch so etwas wie eine Hohe Wacht, nämlich ein aussichtsreicher Ort mit Blick weit über das Quartier hinaus bis in die geliebten Berge, deren Namen Hannes natürlich auch alle kennt.

Lassen wir die Berge vorläufig im Abendlicht verschwinden, kehren wir zurück ins Quartier, das Hannes Küttel in den letzten fünf Jahren erforscht hat. Wieso heisst die Englischgrussstrasse so und wie kam es zum Namen „Old Swiss House"? Was hat der gekreuzigte Herrgott am Museumplatz zu suchen und wo wurde im Quartier Kohle abgebaut? Fragen über Fragen, denen Hannes Küttel im Stadtarchiv und in Bibliotheken nachging, 70mal fand die Neugier Antworten, von denen ein grosser Teil seit fünf Jahren in der Quartierzeitung „Hochwacht-Post" veröffentlicht wurde.

Vor gut anderthalb Jahren ist dann die Idee entstanden, die Beiträge als Quartierchronik zusammenzufassen, zu ergänzen und zu vervollständigen. Nun liegt die gebundene Geschichte- und Geschichtensammlung vor, 80 Seiten im A4-Format. Entstanden ist „eine Fundgrube für jene, die sich nicht bloss im schnelllebigen und oft oberflächlichen Hier und Jetzt bewegen, sondern den Dingen auch etwas auf den Grund gehen möchten", schreibt der Journalist und Redaktionsleiter der „Hochwacht-Post", Hans Graber, im Vorwort. Das ist es, was Hannes Küttel auszeichnet: Seriosität, Zuverlässigkeit, Ausdauer, Bescheidenheit und ein breites Wissen von Architekturgeschichte über die Geschichte der Fotografie bis zur Bedeutung des Wegkreuzes oberhalb von Ottenhusen. Als Leiter und Initiant einer Wandergruppe gibt er nicht nur zügig den richtigen Weg vor, sondern der vielseitig Interessierte weiss auf fast alles fundierte Antworten. Botanik ist ein weiteres Hobby, „nur bei den Tieren bin ich überhaupt nicht sattelfest", gesteht er. Stolz ist er auf seinen Pflanzengarten am steilen Hang unterhalb des Hauses, besonders auf den fast nie kultivierten und im Garten vermehrten Seidelbast.

Lieber vorbereiten als korrigieren
Alles Historische faszinierte den pensionierten Oberstufenlehrer seit dem Studium an der Uni Basel. Eine erste kleine Proseminar-Arbeit an der Uni verfasste er über den Seetaler Politiker und Grossbauern Josef Leu. Als Historiker möchte er allerdings nicht bezeichnet werden, allenfalls als Hobbyhistoriker oder Quartierchronist. „Die eigene Familiengeschichte dagegen hat mich nie interessiert", sagt Hannes, es war einerseits die „grosse Geschichte", die sozialen Veränderungen, die Wirtschaftsgeschichte oder die Kulturgeschichte, die ihn faszinierten, und jetzt eben die Geschichte der Umgebung, der Häuser, der Strassen, der Bewohnerinnen und Bewohner. Immerhin so viel weiss er, dass der Grossvater väterlicherseits Nauenfahrer in Gersau war.

Aufgewachsen ist Hannes Küttel zusammen mit einem Bruder an der Libellenstrasse im Maihof. Sein Vater war ursprünglich angelernter Glasbläser, der in jungen Jahren von Stansstad mit dem Velo in die Glasi Hergiswil zur Arbeit fuhr. Später arbeitete er als Hilfsgärtner in Luzern. Als Hannes in die 2. Klasse ging, verstarb sein Vater nach einem Unfall. Die Mutter hatte als Hilfskraft in einer Pension gearbeitet und war nun gezwungen, die beiden Söhne in bescheidenen Verhältnissen grosszuziehen. Sie lebt jetzt, fast 99jährig, pflegebedürftig im Elisabethenheim. Hannes konnte nach der 5. Klasse in die Kantonsschule wechseln und wurde dann Sek-Lehrer. „Ich habe nie gedacht, dass ich Sek-Lehrer bleibe", erinnert sich Hannes. Doch die Schule bot ihm viele Möglichkeiten, seine Interessen zu vertiefen und sein Wissen weiterzugeben.

Die erste Stelle war in Weggis, dort lernte er auch seine Frau Verena näher kennen. Sie hatten zwar schon gleichzeitig die Primarschule im Maihof besucht und in der ersten Klasse anlässlich einer Geschenkübergabe an den damaligen Rektor Blaser händchenhaltend ein Sprüchli aufgesagt. Doch Klick machte es dann erst rund 20 Jahre später im Weggiser Lehrerzimmer. Verena unterrichtete Phil.-II-Fächer, Hannes Phil. I, also Sprachen, Geschichte, Lebenskunde. Sie haben zwei gemeinsame Söhne, Maurus und Thomas, die selber je wieder zwei Söhne haben. Nach vier Jahren Weggis wechselte Hannes als Sek-Lehrer ins Oberstufenzentrum Utenberg in Luzern. Später war er am Aufbau des Musischen 10. Schuljahres beteiligt und vorher unterrichtete er an der Beruflichen Vorschule (BVS), und immer mehr wurde das Musische 10. Schuljahr sein Tätigkeitsfeld, er konnte neben dem Pflichtstoff Lesungen organisieren und Exkursionen und Lager durchführen. „Wichtig war mir während der 40 Jahre Unterricht, die individuelle Eigenart jedes Lernenden so weit wie möglich zu wahren. Auch wollte ich stofflich immer viel Aktuelles bieten, so bereitete ich in der Gegenwartskunde fast jede Woche etwas Wichtiges aus dem Zeitgeschehen auf." Diese Neugier ist geblieben, aber etwas anderes hat er gerne hinter sich gelassen: „Aufsätze korrigieren war nicht gerade meine Lieblingsarbeit", gibt er heute lachend zu, acht Jahre nach der Pensionierung.

Spezielle Stadtführungen
Laufen, wandern, schauen und forschen: Es sind diese Begriffe, die den asketisch wirkenden 72-Jährigen auszeichnen, der allerdings auch gerne gut isst und ein gutes Glas Wein nicht verschmäht. Das Laufen hat er als Rotsee-Jogger früher intensiv betrieben, mehrmals wöchentlich, „um den Kopf zu lüften". Das Wandern hat er ebenfalls schon während der Lehrtätigkeit gepflegt, damals meistens allein, ausser an Pfingsten, als er vor mehr als 25 Jahren für die SP die 2-Tages-Wanderung als Leiter übernahm, die er immer noch organisiert. Das Schauen und Forschen hat er als Verfasser der Quartierzeitungs-Beiträge jetzt in Buchform dokumentiert, dazu gehören auch noch thematische Stadtführungen, die er privat durchführt, zum Beispiel zur Luzerner Gäste-Geschichte oder zum Thema 1000 Jahre Schule in Luzern. Gerne möchte er noch ein weiteres Thema in Angriff nehmen, „doch im Moment ist noch nichts konkret".

Wie geht es weiter, jetzt, da die Quartierhäuser und -strassen erforscht und aufbereitet sind? Er wird weiterwandern, sei es in der Hochwacht oder auf die Hochflue, sicher mehrmals auf das Buochserhorn. 30 bis 40 Wanderungen unternimmt er jährlich, viele davon mit der je nach Schwierigkeitsgrad oder Wanderzeit unterschiedlich zusammengesetzten Wandergruppe. Und dann gibt es noch etwas: In Frankreich hat Hannes Küttel bis auf eine alle Kathedralen besucht. Die eine, die noch fehlt, ist in Beauvais. „Nicht ganz einfach zu erreichen mit dem ÖV", sagt Hannes. Aber vielleicht braucht es für ihn, der schon so viele Kulturstädte und -stätten in Europa besucht hat, einfach noch ein Ziel als unerfüllten Traum. - 22.3.2019

Das Buch „Geschichte und Geschichten zwischen Hof und Friedberg" von Hannes Küttel und herausgegeben vom Quartierverein Hochwacht ist an der Kasse des Bourbaki Museums erhältlich oder direkt beim Quartierverein Hochwacht: www.qvhochwacht.ch. Es ist gebunden und umfasst 80 Seiten im A4-Format. Gestaltet wurde es von Martin Vollmeier. Es kostet 30 Franken. ISBN 978-3-033-07097-4