„Die Arbeit am Thema Alter befriedigt mich“

Mirjam Müller-Bodmer leitet seit 1. Januar 2018 in einem 70-Prozentpensum den Bereich „Projekte und Entwicklungen“ in der Abteilung Alter und Gesundheit der städtischen Sozialdirektion.

Von René Regenass (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)

Ich denke, Mirjam Müller-Bodmer ist angekommen im Stadthaus. Es gibt Dienststellen ausserhalb der Sozialdirektion, wo man sie wahrnimmt. Das ist nicht selbstverständlich beim Thema Alter, wo es in der Vergangenheit nicht immer einfach gewesen ist, in andern Direktionen Aufmerksamkeit für diese Anliegen zu finden.

Vorher wirkte sie während zwölf Jahren als Gemeinderätin in Meggen, verantwortlich für Soziales und Gesundheit. „Die neue Aufgabe in Luzern interessierte mich stark. Schon in Meggen hatte das Thema Alter in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Zu meinen Aufgaben gehörte auch die Überarbeitung des Altersleitbildes, woraus eine Massnahme dann zur Bildung einer Alterskommission führte. Das Verständnis für eine Alterskommission war anfangs nicht überall vorhanden, obwohl die Gemeinde bereits über verschiedene andere Kommissionen wie beispielsweise eine Jugendkommission, Kunstkommission oder Sportkommission verfügte.“

„Man ist interessiert im Stadthaus“
Jetzt also wirkt Mirjam Müller-Bodmer in der Stelle für Entwicklung und Projekte, früher Fachstelle für Altersfragen. „Die Politik soll offene Ohren haben für die Anliegen der Alten“ sagte Mirjam Müller-Bodmer im ersten Interview für Luzern60plus im Januar 2018. Wie erfährt sie heute die Wirklichkeit im Stadthaus?  „Man ist interessiert am Wissen und an der Erfahrung, welche andere mitbringen. Ich schätze die Zusammenarbeit mit andern Abteilungen im Altersbereich. Die grösste Kunst besteht darin, sich in der grossen Verwaltung gut zu vernetzen.“

Gibt es ein konkretes Beispiel? „Die Stadt überarbeitet alle drei Jahre einen Sicherheitsbericht. Da müssen zum Beispiel das Forum Luzern60plus und das Netzwerk 80plus vertreten sein, vor allem im Zusammenhang mit dem Thema Mobilität.“

Wird Mirjam Müller-Bodmer ernst genommen mit ihren Anliegen? „Wo immer ich eine Unterstützung benötige und auf meine Kolleginnen und Kollegen zugehe, erhalte ich diese. Beim Bauamt beispielsweise wurde ich über die Bewilligung für das Erstellen einer Telefonkabine in eine Büchertauschbörse informiert, beim Strasseninspektorat bestellte ich die Plakatständer für das Tai-Chi-Projekt auf dem Inseli und in Kooperation mit der neuen Abteilung Quartiere und Integration realisierten wir den Anerkennungspreis Quartierleben.“

Die Hausbesuche machen Sinn
Zum Geschäftsbereich der Abteilung Alter und Gesundheit gehört auch die neue Anlaufstelle Alter. Frage: sind wir da auf dem richtigen Weg? Die Stelle sollte ja ursprünglich nicht in erster Linie als Triage funktionieren, sondern in eigener Kompetenz Hilfe anbieten oder Antworten geben. Mirjam Müller-Bodmer: „Es ist das strategische Ziel der Stadt Luzern, dass Menschen so lange als möglich alleine und selbstbestimmt zu Hause wohnen können. Das soll die Anlaufstelle sicherstellen. Die drei Pflegefachfrauen, welche dort arbeiten, machen Hausbesuche und geben Tipps, wie die Wohnung altersgerechter gestaltet oder welche Organisation zur Unterstützung beigezogen werden kann. Ich denke, das macht Sinn, weil die älteren Personen häufig nicht wissen, wo sie Unterstützung holen können. Auch Überforderung ist ein Thema, zum Beispiel bei der Betreuung eines an Demenz erkrankten Partners.“ Gibt es Besucher oder Besucherinnen  auf der Anlaufstelle, oder laufen die Kontakte mehr über die Hausbesuche? „Es gibt noch kaum Durchgangsverkehr auf der Anlaufstelle. Aber vor allem nach einem Versand an die Jahrgänge gibt es etliche telefonische Anfragen und es werden Termine auf der Anlaufstelle vereinbart. Zur Triageaufgabe: Es macht Sinn, wenn die Anlaufstelle Fälle nicht selber betreut, dafür auf mögliche Unterstützungen aufmerksam macht. Die Pflegefachpersonen sehen, wenn Einschränkungen im Alltag da sind und Hilfe notwendig wird.“

„Frauen- und Umweltthemen haben mich politisiert“
Mirjam Müller-Bodmer ist Mitglied der SP. „Es waren die Umwelt- und Frauenthemen, die mich politisiert haben“, sagt sie auf meine Frage. „1986, kurz vor der Geburt meiner ersten Tochter, die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl. Ab 1989 lebte ich damals in St. Gallen mit einer aktiven SP-Frauen-Sektion und vielen engagierten Partei-KollegInnen wie beispielsweise Paul Rechsteiner.“ Ein politisches Mandat übte sie nie aus. Ausgenommen in Meggen, wo die SP im Wahljahr 2004 gegen eine SVP-Kandidatin antrat. „Ich sah dies als neue Lebenserfahrung und rechnete mir im bürgerlich geprägten Meggen keine grossen Chancen aus. Aber es kam anders. Ich bin zuerst fast etwas erschrocken, weil niemand mit dieser Wahl gerechnet hatte.“ Rückblickend meint Mirjam Müller-Bodmer, sie habe in den Jahren als Gemeinrätin jenes Knowhow mitgenommen, das ihr heute helfe, die Aufgaben der Stelle in der Abteilung Alter und Gesundheit erfüllen zu können.

Was bewegt Mirjam Müller heute in der Politik? „Ich habeein politisches Amt mehr, wollte auch nie in den Kantonsrat. Ich schätzte die Arbeit in der Exekutive. Dort hörte man einander zu, Argumente hatten Gewicht. Im Kantonsrat ist es viel schwieriger, mit Fachkenntnissen zu überzeugen.“ Einwand: Aber es gibt  in der Politik nicht nur die Arbeit in den Gremien. Mirjam Müller-Bodmer: „Die Sozialpolitik interessiert mich, die Sicherung der Renten, die AHV-Reform. Es ist mir ein grosses Anliegen, dass die Politik hier einen gangbaren Weg findet. Es muss eine Lösung geben, welche auch die Generationensolidarität mit einbezieht.“

Was kann Mirjam Müller-Bodmer aufregen in der Politik? „Ich habe Mühe, wenn vorgefasste Meinungen die Diskussion verhindern, wenn immer die gleiche Haltung hinunter gebetet wird. So geht ein Stück Demokratie verloren. Ich möchte mit Menschen in einen Prozess treten, Argumente austauschen, überzeugen können oder mich überzeugen lassen.“

Führer zu Spaziergängen für ältere Menschen
Themenwechsel: Mirjam Müller-Bodmer entwickelt zusammen mit Yvonne Portmann einen Stadtführer für Quartierspaziergänge für ältere Menschen, gelesen in der Sentipost, geschrieben von Josef Moser, dem Präsidenten des Quartiervereins Wächter am Gütsch. Die sechs Spaziergänge sollen in einer Broschüre beschrieben werden, mit Stadtplanausschnitt und wichtigen Informationen. Die Idee kam von Yvonne Portmann, die vor etwa vier Jahren zusammen mit Sandra Baumeler ein Kinder-Stadtbuch herausgegeben hat, das auf viel Interesse gestossen ist. Mirjam Müller-Bodmer hat im Verlaufe dieser Arbeit festgestellt, dass es keinen öffentlichen Falt-Stadtplan von Luzern gibt, der das ganze Stadtgebiet umfasst. Es gibt nur einen auf  touristische Bedürfnisse ausgelegten Plan. „Wir machen jetzt ein Büchlein mit Plänen von verschiedenen Stadtteilen mit den Spaziergängen. Für den Spaziergänge-Führer haben wir Unterstützung von der Albert-Koechlin-Stiftung, von der Gesundheitsförderung Schweiz über den Kanton und von der Gemeinnützigen Gesellschaft Luzern.“ Mirjam Müller-Bodmer schätzt die Kontakte mit den Quartiervereinen, die so entstanden sind.

„Manchmal muss ich Bewegung haben“
Gibt es einen Lieblingsort für Miriam Müller in Luzern? Wohin geht sie, wenn unerwartet eine Stunde frei ist? „Ich bin gerne am Wasser. Das Seebad am Nationalquai war diesen Sommer für ein kurzes Bad mein Lieblingsort. Im Winter kann es ein Spaziergang oder eine Joggingstunde im Richard-Wagner-Park sein. Manchmal muss ich Bewegung haben.“ Kulturelle Interessen? „In den letzten Monaten blieb wenig Zeit dafür. Ich bin zudem Präsidentin der Alzheimervereinigung Luzern und im Stiftungsrat des roten Fadens. Wir haben ein zweites Grosskind. Die Kontakte zur Familie sind mir wichtig. Ich bin regelmässig bei meinem betagten Vater und seiner Partnerin im Tessin. Und ich habe während gut drei Monaten bei meiner Mutter gewohnt, bevor sie gestorben ist. Es tut mir gut, viel Zeit mit den Eltern oder mit älteren Menschen zu verbringen. Ich schätze diese Kontakte und den Austausch. Wenn es drin liegt, gehe ich gerne ins Kino, besuche Literatur-Lesungen.“ Auf Reisen und in den Bergen ist bei Mirjam Müller-Bodmer die Kamera immer in der Nähe.
Wir sind am Ende des Gesprächs und Mirjam Müller-Bodmer betont, dass sie diese Arbeit rund um das Thema Alter sehr befriedige. „Es ist interessant und ist breit. Und es ist spannend, auch die operativen Teile von solchen Projekten im eigentlichen Prozess zu erfahren.“ Wichtig sei auch die Verbindung mit dem Forum Luzern60plus. „Ich bin Verbindungsperson von der Abteilung Alter und Gesundheit zum Forum. Das Forum ist eine wichtige Reflektions- und Austauschebene in meiner Arbeit.“
René Regenass - 21. November 2018

rene.regenass@luzern60plus.ch