"Allein bin ich völlig am Anschlag“

Von Beat Bühlmann (Text) und Georg Anderhub (Bild)
Im Bahnhof Luzern gehen sie „Arm in Arm“ auf den Zug nach Zürich, Rita Niederberger, 69, aus Hergiswil NW, und Frau Schneider, 47, aus Luzern. Was so vertraut aussieht, ist eine Führtechnik für sehbehinderte Menschen. Frau Schneider ist nicht nur stark sehbehindert, sondern auch hochgradig schwerhörig. Sie wird von Rita Niederberger, einer pensionierten Primarlehrerin, im Auftrag der SZB Beratungsstelle einmal monatlich nach Zürich begleitet. Sie tut das freiwillig und ohne Entgelt. Sie weiss genau, was ihre Rolle ist. „Ich nehme mich selber zurück“, sagt Rita Niederberger, „Frau Schneider sagt, was sie tun möchte.“

Leidenschaftlich Scrabble spielen
Sie spielt leidenschaftlich gerne Scrabble, sie fahren heute zu ihrem Spielnachmittag nach Zürich. „Früher bin ich ein paar Mal allein hin gefahren, doch am Abend war ich jeweils nudelfertig“, sagt sie. Da sie nur schwer hört und mit ihrem sogenannten „Röhrenblick“ nur wenig sieht, waren die Reisen nach Zürich immer eine Tortur. „Der ganze Trubel in der Stadt war so anstrengend, dass ich das Spielen gar nicht mehr geniessen konnte“, sagt sie. „Allein war ich völlig am Anschlag.“ Seitdem Rita Niederberger sie begleitet, ist der Ausflug nach Zürich für sie ein unbeschwertes Erlebnis.

Die Vermittlerin
Warum leistet Rita Niederberger diese Freiwilligenarbeit? „Es macht mir selber Freude, wenn ich Frau Schneider unterstützen kann, mehr vom Leben mitzubekommen“, sagt sie. Die Begleitarbeit mit seh- und hörbehinderten Menschen sei eine interessante Auseinandersetzung. Sie müsse die Führung übernehmen ohne die betroffene Person zu bevormunden, und sie sicher nach Zürich und wieder zurück begleiten. Sie schaut bei unserem Gespräch immer wieder auf die Uhr, damit sie den Zug nach Zürich nicht verpassen. Alles braucht etwas mehr Zeit, und Frau Schneider trägt keine Uhr. Sie verstehe sich auch als „Vermittlerin“, umschreibt Rita Niederberger ihre Begleitrolle. „Wenn erwünscht, erkläre ich ihr die Umwelt und berichte zum Beispiel, was in der Zeitung steht.“

Freiwillige gesucht
Wer sich bei der SZB Beratungsstelle für hörsehbehinderte und taubblinde Menschen als freiwilliger Mitarbeiterin oder Mitarbeiter zur Verfügung stellt, wird sorgfältig auf diese Tätigkeit vorbereitet. Der Einführungstag ist obligatorisch, nachher folgen persönliche Einführungsgespräche und Probeeinsätze. „Das Begleiten kann  an üben“, sagt Helena Schuler, Sozialarbeiterin der SZB-Beratungsstelle für hörsehbehinderte und taubblinde Menschen in Luzern. „Wer mitmacht, muss einfühlsam, zuverlässig und geduldig sein und sich auf ein langsameres Tempo einlassen können.“ Die fast 40 Freiwilligen, die derzeit regelmässig im Einsatz sind, begleiten jüngere und ältere Personen - beim Einkaufen, zum Arztbesuch, auf die Post oder zur Bank und auch zu Veranstaltungen in der Freizeit. Wie intensiv sie tätig sein
wollen, bestimmen die Freiwilligen selber. Auch kurze Einsätze bedeuten im anstrengenden Leben der hörsehbehinderten Person eine grosse Erleichterung. 9.4.2014

Kontakt für Interessierte: SZB Beratungsstelle für hörsehbehinderte Menschen, Hirschmattstrasse 25, 6003 Luzern, Telefon 041 228 62 20 oder schuler@szb.ch und vonrotz@szb.
Der nächste Einführungstag findet am 20. Juni 2014 statt. www.szb.ch

Der Schweizerische Zentralverein für das Blindenwesen SZB ist am Marktplatz 60plus vom 17. Mai 2014 in der Kornschütte der Stadt
Luzern mit einem eigenen Marktstand vertreten.