Ein Null-Entscheid für die Wohnraumpolitik

Eine sogenannt „unheilige Allianz“ der Linksparteien und der SVP führte im Grossen Stadtrat zum Scheitern eines im Kern sinnvollen Kompromissantrages für die Unterstützung des gemeinnützigen Wohnungsbaus. Dieser Kompromiss, vorgeschlagen von G-Net, einer Interessenvertretung der grossen Baugenossenschaften, und von FDP und CVP, hätte in einem Reglement vorgegeben, dass in der Stadt in den nächsten 15 Jahren 1000 zusätzliche Wohnungen nach den Kriterien der Gemeinnützigkeit zur Verfügung gestellt werden müssten. Das Reglement war ein Gegenvorschlag zur Initiative für zahlbaren Wohnraum, die vom Mieterinnen- und Mieterverband Luzern, von der SP und von den Grünen eingereicht worden ist. Diese Initiative verlangte, dass der Anteil an gemeinnützigen Wohnraum bis in 25 Jahren mindestens 16 Prozent ausmache. Das wären 2'600 Wohnungen. Weil das Reglement mit dem Kompromiss auf 1000 Wohnungen – der Stadtrat beantragte nur 720 gemeinnützige Wohnungen – in der Schlussabstimmung abgelehnt worden ist, kommt die Initiative jetzt am 17. Juni zur Volksabstimmung.

Die Voten der Fraktionen im Luzerner Stadtparlament zeigten die politischen Positionen. Die CVP lehne die Forderungen der Initiative ab, weil sie „massiv zu hoch“ seien, sagte Markus Mächler. Die Initiative habe aber eine breite Diskussion ausgelöst. Die CVP sehe sich einig mit dem Kompromissantrag der Baugenossenschaften auf 1000 gemeinnützige Wohnungen bis ins Jahr 2026.

Es sei gut, dass die Stadt mit den gemeinnützigen Baugenossenschaften zusammenarbeiten wolle, erklärte Monika Senn Berger (Grüne/Junge Grüne). Günstige Mietzinse hätten positive Auswirkungen auf die Sozialausgaben der Stadt. Die Zahl von 720 gemeinnützigen Wohnungen im Gegenvorschlag des Stadtrates sei viel zu gering. Senn Berger votierte für den Kompromiss von 1000 Wohnungen, plus Unterstützung der GSW (Stiftung zur Erhaltung und Schaffung von preisgünstigem Wohnraum) für 170 Wohnungen.

Marcel Budmiger (SP) betonte, der Stadtrat trete mit seinem Antrag an Ort und Stelle. Die SP/Juso-Fraktion werde ihre Anträge gemäss Initiative erneut stellen. Der gemeinnützige Wohnungsbau sei die einzige Lösung um zahlbaren Wohnraum zu erhalten.

Auch die SVP erachte den gemeinnützigen Wohnungsbau als sinnvolle Einrichtung, sagt Marcel Lingg. Es sei aber problematisch, wenn er von staatlicher Seite gefördert werde. Das widerspreche einer urliberalen Politik und sei wirtschaftsfeindlich. Die SVP akzeptiere den Gegenvorschlag des Stadtrates für 720 Wohnungen innert 15 Jahren.

Die Volksinitiative habe die Wohnbauförderung in Diskussion gebracht, sagte Martin Merki (FDP). Der Mittelstand habe Mühe, eine Wohnung zu finden. „Wir haben den Auftrag zum Ausgleich.“ Die FDP unterstütze den Kompromiss auf 1000 Wohnungen.

Ein eher wirres Votum hörten wir von Andras Özvegyi von den Grünliberalen. Die Diskussion um die Anzahl Wohnungen sei befremdend. Für das gemeinschaftliche Wohnen sei ein modernes Konzept nötig. Die Baugenossenschaften sollten neue Wohnformen entwickeln. Die GLP unterstütze den Gegenvorschlag des Stadtrates.

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Wie die Ablehnung des Kompromissantrags dem Anliegen nach mehr günstigem Wohnraum wirklich hilft, bleibt offen. Fast vergessen geht dabei, dass das Stadtparlament immerhin zustimmend vom eigentlichen Bericht des Stadtrates zur Wohnraumpolitik Kenntnis genommen hat. Und dieser Bericht anerkennt die Notwendigkeit des gemeinnützigen Wohnungsbaus. Die Volksinitiative des Mieterinnen- und Mieterverbandes und der Linksparteien geht nahe an die Grenze des Machbaren. Wenn den Baugenossenschaften das Land fehlt, können sie auch in 25 Jahren nicht 2600 Wohnungen bauen. Heute jedoch stehen die Aussichten gut. Der bald neu gewählte Stadtrat dürfte dem Anliegen des gemeinnützigen Wohnungsbaus Verständnis entgegenbringen. Nach dem Bekenntnis zu einer sozialverträglichen Wohnraumpolitik kann er gar nicht anders. Doch nur schon in zehn Jahren werden Exekutive und Legislative in Luzern anders zusammengesetzt sein. Die parteipolitischen Gewichte können sich verschieben, auch die Meinungen innerhalb der Parteien. Darum die Frage: Macht es Sinn, wenn die Linksparteien aus Frust, das politische Ziel von rund 2600 Wohnungen nicht erreicht zu haben, das kategorische Nein der SVP mittragen. Eine Verpflichtung zu tausend gemeinnützigen Wohnungen wäre allemal besser, als eine möglicherweise abgelehnte Volksinitiative mit grossen Zielen.

René Regenass – 30. März 2012