Je suis électeur

Von Rudolf Wyss

In rund zwei Monaten dürfen wir wählen. Unsere Vertreterinnen und Vertreter des Kantonsrates. Dort werden Themen wie  Finanz- und Grundstücksgeschäfte, Konkordatsbeitritte und vor allem Vorstösse aus den eigenen Reihen behandelt wie beispielsweise: Die Umsetzung der Hochstammobstgärten-Verordnung, Propagandaaktivitäten des Islamischen Zentralrates, Entschärfung des Burnout-Risikos bei Lehrpersonen und Vorschriften für Fischzuchtanlagen. Da soll die brisante Frage geklärt werden, wie viel Fischfutter es braucht, um ein Kilogramm Zander zu züchten. Die Rätinnen und Räte behandeln also enorm bedeutende Geschäfte.

Offenbar hält sich die Begeisterung für Hochstammbäume, Burnouts und Zander in Grenzen. Denn von Wahlkampf ist – Stand Januar 2015 – wenig bis nichts zu spüren. Also mache ich mich als pflichtbewusster Wähler auf, mich selbst zu erkundigen, gemäss dem Motto „Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt.“ Und deshalb: „Yes, I Can“ und ja „Je suis électeur“.

Die Websites der Parteien bieten allerdings wenig Erbauliches, worauf man seine Wahlentscheidung abstützen oder zumindest eine Vorselektion treffen könnte. Natürlich wollen alle Parteien Sitze dazu gewinnen. Die FDP zum Beispiel drei Sitze. „Wir hätten die Ziele so tief setzen können, dass wir nie als Verlierer dastehen würden. Das wäre absolut mutlos gewesen“, sagt der Fraktionschef. Danke, endlich weiss ich, was Mut heisst. Etwas nebulös und damit zumindest konsequent typisch ist das Wahlziel der CVP: „34 000 Personen legen die CVP-Liste in die Urne.“ Das dürfte kaum gelingen, da die meisten Wählerinnen und Wähler brieflich abstimmen und also Listen nicht in die Urne legen, sondern im Briefkasten einwerfen. Die CVP gibt sich im Gegensatz zum Wahlziel bescheiden. Nebst ihrem Kurzslogan „Für Mittelstand, für Familien“ vertröstet sie auf „Weitere Informationen folgen“. Die FDP hat zumindest drei Kernsätze formuliert und dies „aus Liebe zu Luzern“. Wie schön.

Bei der SVP findet man ein paar Positionspapiere und erfährt zumindest auf der Website der Stadt-SVP, dass deren Kantonsvertreter zum Beispiel Initiant der Petition „Kruzifix bleibt“ oder Mitglied der Fasnachtsgruppe Edelweiss sind. Also echt gradlinig. Zudem tourt die SVP mit ihren Kandidatinnen und Kandidaten über Land und erschreckt die Bevölkerung mit Themen wie „Die Schweiz im Würgegriff“. Ja, solche Verlautbarungen bleiben in der Tat im Hals stecken.

Bei der SP sucht man vergebens nach „Wahlen“. Dafür lächeln einen die Ratsvertreter/innen an. Und dies gemäss ihrem Slogan „Für alle statt für wenige“ einheitlich vor einem grauen Hintergrund. Kein Wunder, ist auch ihr Leben eher düster. Sie sind weder in Vereinen noch pflegen sie so sinnvolle Hobbies wie andere Kantonsräte, welche in ihrer Freizeit „Geissle chlöpfe“ oder „Zeitung lesen“.

Die „Grünen“ setzen hauptsächlich auf die Regierungsratswahlen und sammeln Unterschriften für die Fair-Food-Initiative, während die Kantonsratswahlen offenbar nicht stattfinden. Was zumindest gegenüber den Kandidaten nicht ganz fair ist. Die BDP preist sich noch immer als „Die neue Kraft“ an, obwohl sie jetzt auch schon fünf Jahre im Kanton Luzern existiert. Da die Existenz der Partei offenbar unbemerkt blieb, hält man an diesem Slogan fest. Neu ist hingegen die Idee der GLP. Mittels einer Spendenaktion (Neudeutsch: Crowdfunding-Projekt) darf man zum Beispiel für 300 Franken einen kulinarischen Abend mit ihrem Nationalrat verbringen. Offenbar hat niemand Appetit. Das Spendenbarometer weist noch 0 Franken aus.

Die Wahlen finden am 29. März 2015 statt.

24. Januar 2015

Zur Person
Rudolf Wyss, geboren 1955 in Sarnen, ist Journalist und PR-Berater. Er arbeitete als Medienschaffender unter anderem bei Radio Pilatus als Newschef, bei den LNN als Ressortleiter und war bei TeleTell Realisator und Moderator des Reporttalks „Regiotalk“ sowie Chefredaktor. 2000 gründete er eine eigene Agentur, welche Firmen und Behörden in den Bereichen Medien, Marketing und Kommunikation berät und entsprechende Kampagnen konzipiert und realisiert. Seit 2011 ist er auch für Produktion und Regie des FCLTV bei den Heimspielen des FC Luzern verantwortlich. Rudolf Wyss lebt mit seiner Lebenspartnerin in Meggen.