"LEBENSREISE. Kreativität – Weiblichkeit – Alter"

Von Marietherese Schwegler (Text) und Joseph Schmidiger (Bilder)

Die Ausstellung in der Kornschütte zeigt einen Einblick in die künstlerische Lebensreise von fünf weit über die Region hinaus anerkannten Luzerner Künstlerinnen: Irma Ineichen, Marion Schärer, Irène Wydler, Johanna Näf und Dora Wespi. Die Künstlerinnen sind zwischen 1929 und 1946 geboren. Gemeinsam ist ihnen, dass sie alle noch immer am Schaffen sind.

Zeigt sich schon innerhalb eines jeden einzelnen Werks eine grosse Vielfalt, so erst recht über die ganze Gruppenausstellung der fünf Künstlerinnen hinweg: Ein Reichtum an Bildern, Objekten, Techniken, Materialien und Formaten. Wie die Kunsthistorikerin Brigit Kämpfen-Klapproth an der Vernissage sagte, war es für die Künstlerinnen bestimmt nicht einfach, auszuwählen, was in den fünf abgeteilten Räumen in der Kornschütte Platz finden kann: Nur kleinste Bruchstücke aus Lebenswerken, die teilweise über fünf oder sechs Jahrzehnte hinweg entstanden sind. Klar, dass das aktuelle Schaffen eher prominenter vertreten ist.

Gedankenräume

Von Irma Ineichen hängen aktuelle und ältere Werke mit jenem Sujet, das alle, die ihr Werk verfolgt haben, immer und immer wieder finden: Räume, ein Zimmer mit angelehnter Tür, die einen Durchblick in den nächsten Raum öffnet – oder in den Gedankenraum der Betrachterin. Das älteste Werk dieser Art zeigt ihr kleines Pariser Atelier in den 1950er-Jahren. Paris ist übrigens die Stadt, wo die Künstlerin auch heute noch immer wieder hinreist. Neue grossformatige Bilder von Irma Ineichen zeigen Landschaften, reduziert auf wenige Elemente, Wasser, Himmel, Erde. Magisch die Wirkung dieser Klarheit und der Farben.

„Was für Irma Ineichen die Malerei, ist für Irene Wydler die Zeichnung“, erklärte die Kunsthistorikerin Brigit Kämpfen-Klapproth. Und es ist primär die Bleistiftzeichnung. Die Künstlerin präsentiert prominent eine Wand mit grossen Bleistiftzeichnungen, entstanden zwischen 2004 und 2007. Abstrakte, wirbelnde Figuren lassen an drehende Kreisel denken oder an tanzende Derwische. Die Bildtitel „Tänzer“ liefern die Bestätigung. Irene Wydler zeigt in Vitrinen auch Skizzenbücher aus früheren Schaffensphasen und Arbeiten als Illustratorin, beispielsweise von Kinderbüchern.

Metapher für die Lebensreise

Das grösste Objekt der Ausstellung ist die „Spindel“ von Johanna Näf. Gleich beim Eintreten in die Kornschütte zieht sie den Blick auf sich. Ein technisches Stück, über zwei Meter hoch, und nicht zwingend etwas, was man spontan für „weibliche Kunst“ halten würde. Da hilft die Einordnung von Brigit Kämpfen-Klapproth, die die Spindel als „Hommage an ein Frauenhandwerk“ bezeichnet: Vorbild ist eine Wollwinde, die hilft, den Faden von der Stange zum Knäuel zu wickeln. Die Spindel ist auch als Metapher für die Lebensreise zu lesen: Da spult der Lebensfaden ab, dort wird er Schicht um Schicht zum dicker werdenden Knäuel aufgewickelt. Johanna Näf zeigt aber auch vollständig andere Werke; davon seien nur die kleinen Wandkissen mit Frosch- und Hasenmotiven oder die Göttergaben genannt.

Ähnlich vielgestaltig sind auch die Werke im nächsten Raum, jenem von Marion Schär. In jungen Jahren hat die Illustratorin vor allem gezeichnet und Bildgeschichten aufs Blatt gezaubert. Heute fertigt die „Handwerkerin“, wie sie sich gerne selbst bezeichnet, u.a. skurrile Objekte aus Draht. Feiner goldfarbener Draht, oder aber grober Maschendraht, der zu Körben geformt wird mit Papierknäueln oder Tonscherben drin. In Schaukästen präsentiert sie so etwas wie ein Gnosch im Fadechörbli oder persönlich anmutende Arrangements aus Schriften, Kassetten, Notizen und Bildern. „Ich hätte gerne die Welt verbessert, aber es ist mir leider nicht gelungen“, kommentierte Marion Schärer ihr Werk augenzwinkernd.

Dora Wespi, am ehesten die Malerin unter den fünf, zeigt klein- und grossformatige Aquarelle und Tuschbilder. Frühe Werke sind naturalistisch, spätere abstrakter; deren Motive kann man fast nur erahnen. Zum Beispiel die Eindrücke von einer Marokkoreise unter dem Titel „Tausend Namen Allahs“. Da lassen fliessende Formen und Wüstenfarben einen Kamelkopf erkennen; eine andere Serie in Blau und Schwarz zeigt Felsen im Meer. „Unendlich“ heisst eine Serie kleiner Bildkärtchen von Dora Wespi, deren Arbeiten meistens als Serien entstehen. Sie hat „Unendlich“ 2002 begonnen und bisher Tausende Bilder geschaffen. Und es geht weiter. – Die Lebensreise geht weiter.

Die Ausstellung bildet den Abschluss des Veranstaltungszyklus „Lebensreise“, der von Bettina Hübscher, Leiterin der städtischen Fachstelle für Altersfragen, organisiert wurde. Sie bedankte sich bei Hans Beat Achermann, der die Ausstellung kuratiert, und bei Werner Pfäffli, der seine Erfahrung bei der Einrichtung eingebracht hat. – Die Ausstellung dauert bis am 19. November.

Begleitprogramm:
_Sonntag, 12. November, 11.00 Uhr: Eva-Maria Knüsel, Illustratorin, Kunstvermittlerin und Dozentin, im Gespräch mit den Künstlerinnen.
_Dienstag, 14. November, 18.30 Uhr: Dr. Silvia Henke, Professorin für Kulturtheorie, spricht mit der Künstlerin Marianne Eigenheer über weibliches Künstlertum.

Katalog
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen: „Kreativität – Weiblichkeit – Alter. LEBENSREISE“. Hans Beat Achermann stellt darin alle fünf Künstlerinnen in Interviews und mit ausgewählten Werken vor. Erhältlich in der Ausstellung. Oder Bestellung per Mail bei der Stadt Luzern, Fachstelle für Altersfragen simone.app@stadtluzern.ch  Preis CHF 8.00 plus Porto.
2. November 2017