Generationenpolitik und/oder Alterspolitik?

Von Marietherese Schwegler

Der Grosse Stadtrat hat am Donnerstag eine kurzen Kontroverse geführt zur Frage: Alterspolitik oder Generationenpolitik? In der Sache waren bei genauerem Hinsehen die Differenzen gar nicht so gross. Zur traktandierten Motion „Will und kann die Stadt Quartierentwicklungen für Bedürfnisse älterer Menschen lenken?“ (eingereicht von Markus Mächler, CVP-Fraktion; Theres Vinatzer, SP/JUSO-Fraktion; Korintha Bärtsch und Ali Celik, G/JG-Fraktion) hat der Stadtrat dem Parlament eine Stellungnahme vorgelegt. Darin stellt er fest, dass heute in Sachen Wohnen mit Dienstleistungen ein breites Angebot der Stadt und anderer Anbieter vorhanden sei, z.B. Alterssiedlungen, Spitex, Haushilfe etc. Er verweist auf wegweisende Wohnprojekte von Genossenschaften und andern Bauträgern, die geplant sind. Gleichzeitig schreibt er, dass „der demografische Wandel und die neue Kultur des Alterns“ die Stadt vor neue Herausforderungen stelle. Er kündigt einen Planungsbericht zum Thema Wohnen im Alter an, der aufzeigen soll, was es künftig braucht, um ein selbständiges Wohnen im Alter sicherstellen zu können. Dagegen kann niemand etwas haben. Oder doch?

Der nächste Punkt auf der Tagesordnung des Grossen Stadtrates, die Antwort auf eineInterpellation zur „Generationenpolitik in der Stadt Luzern“ (Laura Kopp und Myriam Barsuglia, GLP-Fraktion), hatte Vorwirkung bereits auf die Motion zum altersgerechten Quartier. Die Interpellantin hat den Ansatz einer generationenübergreifenden Politik schon hier eingebracht und beantragt, die Motion abzulehnen. Die Stadt müsse mit ihrer Politik die Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen berücksichtigen, ein Planungsbericht für die ältere Generation sei dafür nicht geeignet. Ihr Antrag auf Ablehnung der Motion sollte schliesslich nur die Zustimmung ihrer Fraktion finden.

Hingegen nahmen mehrere Votanten, unter ihnen der Motionär Markus Mächler, die Argumentation Kopps auf und regten an, im Planungsbericht zum altersgerechten Quartier auch generationenübergreifende Massnahmen anzudenken. Die grüne Korintha Bärtsch plädierte für Mehrgenerationen-Wohnen und eine gesunde Durchmischung und Vernetzung im Quartier.Theres Vinatzer von der SP sagte, die Stadt Luzern sei nicht à jour beim Wohnen mit Dienstleistungen in den einzelnen Quartieren. Der Stadtrat müsse im Planungsbericht den gesamten Handlungsbedarf aufzeigen und soll dabei durchaus generationenpolitische Überlegungen einbeziehen. Die Motion wurde mit diesen Anregungen überwiesen.

Generationenpolitik ist Gesellschaftspolitik

Die stadträtliche Antwort auf die Interpellation zur Generationenpolitik in der Stadt Luzern ist eine Auslegeordnung von Leitsätzen, Projekten und bereits laufenden Angeboten der Stadt für unterschiedliche Altersgruppen, vom Kind bis zu den Betagten. Diese sozialpolitischen Fördermassnahmen lassen sich alle unter dem Titel einer Generationenpolitik subsummieren, ohne dass sie explizit so genannt werden. „Bei einer stärkeren Ausrichtung zur Generationenpolitik ginge es daher nicht um eine Neuausrichtung, sondern um eine Vertiefung und Weiterentwicklung“, schreibt der Stadtrat.

In mehreren Voten wurde die Forderung nach einer Generationenpolitik unterstrichen. Sie müsste sich am gesellschaftlichen und demografischen Wandel orientieren und vorausschauend sein, alle Menschen und Generationen, Leute mit und ohne Migrationshintergrund berücksichtigen, sagte der Grüne Ali Celik und prägte dafür den Begriff „Generationengerechtigkeit“. Theres Vinatzer wies darauf hin, dass Generationenpolitik ein Querschnittthema sei, das alle städtischen Dienstabteilungen fordere.

Sowohl als auch

Ein kurzer Kommentar sei hier erlaubt: Die Stadt kann und soll – wenn sie den in Aussicht gestellten Planungsbericht zum Thema Wohnen im Alter erarbeitet – durchaus den Blickwinkel über Altersgrenzen hinweg öffnen. Und damit auch Aspekte einer Generationenpolitik einbringen. Die Frage lautet: Wie können wir Quartiere gestalten, die den Bedürfnissen der Älteren entgegenkommen und gleichzeitig den Familien, der jungen und mittleren Generation einen Mehrwert bringen? Unbestritten ist, dass es altersspezifische Dienstleistungen und Infrastukturen im Quartier braucht: Hindernisfreie Wohnungen, Pflege- und Haushilfeangebote, kurze Wege für den alltäglichen Einkauf. Das alles wird mit der wachsenden Zahl älterer Menschen immer wichtiger. Aber ein vielfältiges, flexibles Wohnungsangebot, altersdurchmischte Siedlungen, Freiräume im Quartier, gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr, quartiernahe Kultur – das macht die Stadt attraktiv für alle Generationen. Und mehr als das: Es kann den erwünschten Effekt haben, dass sich verschiedene Generationen im Wohnumfeld begegnen und mischen, dass informelle Nachbarschaftshilfe von selbst funktioniert: Mal kauft ein junger Mann für die betagte Nachbarin ein, mal hütet diese einen Abend lang das Kind der Familie nebenan. So können Menschen im Alter länger und sozial integriert in ihrer gewohnten Umgebung wohnen bleiben – so wie sie es sich wünschen.

Stellungnahme des Stadtrats zur Motion „Will und kann die Stadt Quartierentwicklung für Bedürfnisse älterer Menschen lenken?“

Antwort des Stadtrats auf die Interpellation „Generationenpolitik in der Stadt Luzern“

24. Oktober 2014