Wer Pflege braucht, muss auf das eigene Vermögen zugreifen. Foto: Joseph Schmidiger

Die Kosten für Betreuung und Pflege
kommen Betagte teuer zu stehen

Wie schlagen sich die steigenden Kosten für Betreuung und Pflege im Rentner-Portemonnaie nieder? Eine Studie zeigt, dass die selbstgetragenen Betreuungs- und Pflegekosten vor allem den Mittelstand teuer zu stehen kommen. Besonders hoch ist der Vermögensverzehr in Luzern.

Da in der Schweiz künftig mehr pflegebedürftige ältere Menschen über 85 Jahre leben werden, steigen die Kosten für ambulante und stationäre Betreuung und Pflege weiter an. Berechnungen darüber, wie stark diese Kosten das Gesundheits- und Sozialsystem belasten, gibt es viele. Aber die finanzielle Belastung für jede einzelne Person ist bisher kaum untersucht.

In der Schweiz ist der Eigenanteil, der für Gesundheitskosten selbst bezahlt werden muss, hoch. Betreuung und Pflege können deshalb oft nicht alleine mit dem Renteneinkommen finanziert werden. Viele ältere Menschen müssen auf ihr Vermögen zugreifen oder Sozialtransfers wie Ergänzungsleistungen beantragen. Die Fachhochschule Nordwestschweiz hat nun im Auftrag von neun Schweizer Stiftungen in einer aufwendigen Simulation die selbstgetragenen Betreuungs- und Pflegekosten und deren Auswirkungen auf das frei verfügbare Einkommen in den 26 Kantonshauptorten berechnet.

Rentnerhaushalte müssen viele Kosten selber tragen
Im Haushaltsbudget der fragilen Rentnerinnen und Rentner sind die Ausgaben für Betreuung ein wichtiger Posten. Sie fallen viel stärker ins Gewicht als die Kosten für die Pflege, da diese in der ganzen Schweiz zu einem grossen Teil von den Krankenkassen übernommen werden. Viele ältere Menschen benötigen jedoch zunächst Hilfe und Unterstützung – und keine Pflege –, um ihren Alltag zu bewältigen. Diese Kosten müssen weitgehend von den Rentnerinnen und Rentnern selber getragen werden. Die Berechnungen der Studie zeigen, das dies – je nach Kantonshauptort – für eine alleinstehende Person mit mittlerem Einkommen (39 600 Franken) und Vermögen (137 300 Franken) pro Jahr zwischen 2200 Franken in Fribourg und fast 23 000 Franken in Bern ausmachen kann. Ein anderes Bild ergibt sich, wenn für den gleichen Einpersonenhaushalt ein tiefes Einkommen und sehr kleines Vermögen angenommen wird: Dann wird in den meisten Kantonshauptorten der grösste Teil der Betreuungs- und Pflegekosten durch die Ergänzungsleistungen gedeckt. Damit sinkt der Anteil der Kosten, den diese Person selbst tragen muss, fast überall auf Null.

Rentnerinnen und Rentner haben bei exakt gleicher Ausgangslage (Gesundheitszustand, Einkommen und Vermögen) je nach Wohnort unterschiedlich hohe Betreuungs- und Pflegekosten selbst zu tragen. Auch die frei verfügbaren Einkommen unterscheiden sich stark, weil viele Regelungen in der Gesundheitsversorgung, bei den Steuern und der sozialen Sicherheit kantonal und kommunal festgelegt sind. Die Unterschiede beim verfügbaren Einkommen, die sich beim Vergleich zwischen den Kantonshauptorten ergeben, nehmen tendenziell mit höherem Einkommen und Vermögen zu. Sie betragen für Personen im Pflegeheim bis zu 40 000 Franken pro Jahr. Aber auch bei Rentnerinnen und Rentner, die daheim leben, ergibt sich eine Differenz von bis zu 33'000 Franken jährlich.

Vermögensverzehr in Luzern besonders hoch
Bei mittelständischen Haushalten fallen die selbstgetragenen Betreuungs- und Pflegekosten hoch aus – das Renteneinkommen reicht daher oft nicht aus, um die laufenden Kosten für das Pflegeheim zu decken. Dadurch müssen diese Personen solange ihr Vermögen aufbrauchen, bis ein Anspruch auf Sozialtransfers entsteht. Der Vermögensverzehr einer alleinstehenden, stark pflegebedürftigen Person mit mittlerem Einkommen und Vermögen beträgt jährlich – je nach Wohnort – bis zu rund 31'000 Franken (Stadt Luzern). In den meisten Kantonshauptorten beträgt der Vermögensverzehr dieser Person zwischen 10 000 und 20 000 Franken jährlich. Erst wenn ein grosser Teil ihres Vermögens aufgebraucht ist, erhält die Person Ergänzungsleistungen zur Deckung der Pflegeheimkosten. Dadurch resultiert in fast allen Kantonshauptorten ein frei verfügbares Einkommen von einigen Tausend Franken pro Jahr.

Blick auf Individuum geht oft vergessen
Mit der gemeinsam getragenen Studie wollen neun Förderstiftungen und Förderorganisationen den Diskurs zum gesellschaftlichen Wandel mit neuen Daten bereichern. Die Studie initiiert und finanziell unterstützt haben die Age-Stiftung, Beisheim Stiftung, Emma Schaub Stiftung, Ernst Göhner Stiftung, Fondation Leenaards, Migros-Kulturprozent, Paul Schiller Stiftung, Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft und die Walder Stiftung. Mit dieser Studie und dem Fokus auf den Rentnerhaushalt wollen die Stiftungen dazu beigetragen, eine Wissenslücke zu füllen, denn bei den Kosten für Betreuung und Pflege geht der Blick auf das Individuum oft vergessen. - Medienmitteilung, 21.11.2019
Die Studie (Kurzfassung)