Das Ende der 1. August-Feiern in Luzern

Von Rudolf Wyss

Jetzt hirnen sie wieder: Politiker, Quartiervereins-Präsidenten und Stefano Capozzi aus Kalabrien, die als Redner an den diesjährigen 1.-August-Feiern auftreten werden. Was für den Politiker Verpflichtung ist – nach den Wahlen ist vor den Wahlen –, ist für den Quartiervereins-Präsidenten mangels Nachfolger eher Pflicht. Stefano Capozzi hingegen verdankt seinen Auftritt der Aufgeschlossenheit der modernen Schweiz. Denn er und seine Landsleute gelten als Beispiel einer erfolgreichen Integration. In den 1960er-Jahren noch abfällig als „Tschingge“ betitelt, sind sie inzwischen unsere Lieblingsausländer. Deshalb gelten unsere Amici auch als Signal (Höhenfeuer) für andere Ausländer wie Deutsche, Serben und Nigerianer: Irgendwann werden wir auch euch mögen.

Der 72-jährige Capozzi sagt in seiner Ansprache in allen vier Landessprachen „Danke, Grazie, Merci, Grazia fitg“. Der Quartiervereins-Präsident spricht von „Mitgliederschwund, Identitätsverlust und Littering“. Der Politiker klopft sich auf die Schulter, hebt die persönliche Leistungsbilanz hervor: „16 parlamentarische Vorstösse in der vergangenen Legislaturperiode“, greift zum Bauch:„Wir müssen alle den Gürtel enger schnallen“, hält die Hand ans Herz und erwähnt ergreifend, worauf wir alle stolz sein dürfen: Heimat, Identität, Integration. Da auch Politiker mit der Zeit gehen – manchmal bleiben sie allerdings –, werden in einer patriotischen Ansprache auch verständliche Begriffe wie „Win-win-Situation“ und „Partizipation“ eingebaut.

Politiker in der Stadt Luzern sollten in ihrer 1.-August-Ansprache diese Begriffe allerdings vermeiden. Denn beim Schnüren des 4-Millionen-Sparpakets wurden Mitwirkung und Mitentscheidung offensichtlich übersehen und der einzige Winner wird der Finanzdirektor sein. Die enorm ergiebigen Einsparungen – 80‘000 Franken allein beim Bänkliabbau – erfolgen, wortwörtlich, „im Sinne einer Standardreduktion“. Das tönt zwar gut, doch erschliesst sich der Sinn nicht überall. Selbst die kantonale Wirtschaftsförderung hat diesen Begriff noch nicht ganz begriffen. Sie preist die Stadt Luzern unverdrossen als attraktiven Ort an, der alles bietet, „was Sie von einer europäischen Stadt erwarten dürfen“. Wer also Sitzbänke, Grünflächen, Spielplätze und Toiletten statt Sehenswürdigkeiten in einer europäischen Weltstadt erwartet, sollte besser zu Hause bleiben.

Auch die Nationalfeiern werden die Luzernerinnen und Luzerner künftig wohl eher zu Hause verbringen müssen. Der Pavillon beim Nationalquai – in diesem Jahr spielt unter anderem das Handorgelduett Gebrüder Hess – dürfte nach der Entfernung der Sitzbänke kaum mehr dafür geeignet sein. Mangels Unterhalt der Grünanlagen eignen sich auch andere Standorte kaum für eine würdige Feier. Der Abbau der WC-Anlagen wird zu einem rückläufigen Bierkonsum führen und schädigt die Volkswirtschaft nachhaltig, was sich auf die Steuereinnahmen auswirken wird. Ganz zu schweigen von jenen Menschen, welche wegen erhöhtem Harndrang sowieso nicht aus dem Haus können. Das sind allein in der Schweiz rund 400‘000 Personen.

Immerhin, eine Hoffnung bleibt. Denn vielleicht werden die Feuerwerke am 1. August dazu beitragen, dass der eine oder andere Politiker in der Stadt Luzern doch noch vom Sinn der Luzerner Staatsverfassung erleuchtet wird: „Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein“.
24. Juli 2013

Zur Person
Rudolf Wyss, geboren 1955 in Sarnen, ist Journalist und PR-Berater. Er arbeitete als Medienschaffender unter anderem bei Radio Pilatus als Newschef, bei den LNN als Ressortleiter und war bei TeleTell Realisator und Moderator des Reporttalks „Regiotalk“ sowie Chefredaktor. 2000 gründete er eine eigene Agentur, welche Firmen und Behörden in den Bereichen Medien, Marketing und Kommunikation berät und entsprechende Kampagnen konzipiert und realisiert. Seit 2011 ist er auch für Produktion und Regie des FCLTV bei den Heimspielen des FC Luzern verantwortlich. Rudolf Wyss lebt mit seiner Lebenspartnerin in Meggen.