„Santa Claus is comin`to town“

Von Judith Stamm

Die Melodie des amerikanischen Kinderliedes schoss mir durch den Kopf, als ich die Nachricht im Radio hörte: „Präsident Trump kommt ans WEF“. Die erste Strophe des Liedes lautet nämlich:

„You better watch out, you better not cry,
Better not pout, I`m telling you why:
Santa Claus is comin`to town.

Zwar war die Meldung noch nicht bestätigt, aber das schadete ja nichts. Im Gegenteil, das beflügelte unzählige Spekulationen. Etwas davon wird dann schon wahr sein!

Zunächst: wir sind eine diplomatisch versierte Touristik-Destination. Auch dem Präsidenten der mächtigsten Nation der Welt ermöglichen wir es, uns auf Augenhöhe begegnen. Wir empfangen ihn mit dem angemessenen Respekt. Selbstverständlich! Vorbei also mit Schmäh, Hohn und Spott. Vorbei mit unbegründeter Kritik, unfundierter Polemik, bodenloser Arroganz! „So be good for goodness sake“ heisst es im Kinderlied! Seid um Himmelswillen anständig!

Nebenbei: hoffentlich finden sie noch eine passende Unterkunft für ihn in Davos!

USA, unsere grosse Schwesternation. Die amerikanische Verfassung, Vorbild für unsere Verfassung, „the american way of life“, „the american dream“ die auch uns beflügeln. Ja uns, im Kanton Luzern! Haben wir nicht erst kürzlich in Ebikon die „Mall of Switzerland“ eröffnet? Mit etwas Verspätung zwar, aber immerhin. Das grösste, beste, unterhaltsamste Einkaufszentrum des Landes? Das prädestiniert uns ja geradezu, den amerikanischen Präsidenten zu empfangen. Vielleicht macht er einen Abstecher nach Ebikon!

Da ich gute Beziehungen zur im Allgemeinen unzuverlässigen Obskur-Presse habe, fand ich sofort folgende Meldung in der Mailbox: „Hat Präsident Trump heimlich eine Freundin in der Schweiz? Anlässlich eines früheren USA- Aufenthaltes der nicht genannt sein Wollenden (Name ist der fingierten Redaktion bekannt), lernten sich die beiden zufällig in einem Trump-Hotel kennen und waren sich auf Anhieb sympathisch. Die sprachgewandte Schweizerin gab Donald Trump einige Lektionen in Hochdeutsch. Über die weitere Entwicklung der Beziehung ist nichts bekannt. Unser investigatives Recherchier-Team bleibt dran. Unsere Leserschaft, ja die ganze Bevölkerung der Schweiz, hat einen Anspruch auf die volle, ungeschminkte Wahrheit! Auch wenn sich diese am Ende als abgemagerte Zeitungsente entpuppen sollte“.

Veröffentlichen oder nicht? Das war nun die Frage. Ist die Meldung in irgendeiner Hinsicht heikel? Juristische oder politische Risiken sind nicht unser Ding! Und der entsprechende Budgetposten für Schmerzensgeld ist jeweils schon zu Jahresbeginn aufgebraucht. Der Hausjurist ist in den Skiferien und nicht erreichbar. Hat eben mit elektronischem Schnickschnack nichts am Hut.

Ist die Meldung relevant? Die Freundschaften der Mächtigen, seien es verflossene oder nicht existierende, sind immer einige Zeilen wert. Wird sie unter der Woge der einsetzenden Trump-News begraben werden oder obenauf schwimmen? Wird sie sich gegen die in unseren Medien überbordende „No-Billag“-Diskussion durchsetzen können?

Gehört sie zu den Fake-News? Aber sobald Fake-News auch als Fake-News gekennzeichnet werden, sind sie doch nicht mehr „Fake“, oder?
„Freundschaft mit einer Schweizerin“ (grown-up Heidi-Type), einer Angehörigen dieses fleissigen, innovativen, bescheidenen Bergvölkleins im Herzen Europas, das sollte doch publizitätswirksam sein!

Und dann, die alles entscheidende Frage, die uns schlaflose Nächte bereiten wird: was wird Präsident Donald Trump als erstes sagen: „Ik bin ein Schweizer, ik bin ein Bündner, ik bin ein Davoser!“
20. Januar 2018


Zur Person
Judith Stamm, geboren 1934, aufgewachsen und ausgebildet in Zürich, verfolgte ihre berufliche und politische Laufbahn in Luzern. Sie arbeitete bei der Kantonspolizei und bei der Jugendanwaltschaft, vertrat die CVP von 1971 - 1984 im Grossen Rat (heute Kantonsrat) und von 1983 - 1999 im Nationalrat, den sie 1996/97 präsidierte. Sie war 1989 - 1996 Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen und 1998 - 2007 Präsidentin der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft.