„Baden in schönen Tönen“

Von Marietherese Schwegler

Spontaner Schnupperbesuch bei einer Probe des Seniorenchors Luzern. Zwischen 40 und 50 Sängerinnen und Sänger trudeln langsam ein in der Kapelle des Betagtenzentrums Eichhof, dem fixen Probelokal. Die Frauen sind deutlich in der Überzahl. Pünktlich gibt die Chorleiterin Heidi Benz den Einsatz zum ersten Lied. Es gilt keine Zeit zu verlieren, denn es ist eine der letzten Proben vor dem öffentlichen Weihnachtskonzert, und da soll der Chor den letzten Schliff erhalten. Einzelne Passagen werden mehrfach wiederholt, mal sind die Sopranistinnen, mal die Bassstimmen dran. Lockern des Körpers zwischendurch, das nächste Werk, das übernächste. Bis der Chor wie ein rundes Ganzes klingt und die Chorleiterin zufrieden ist: “Ja, jetzt baden wir in den schönen Tönen!“

Das ernsthafte Arbeiten an Stimme und Klang ist ganz im Sinne der Chormitglieder. „Wenn wir nicht ein gutes Niveau anstreben würden, wäre es schon falsch“, meint einer der Sänger. Auch die Chorleiterin hat als Ziel eine gewisse Qualität des Chors, in dem sehr verschiedene Menschen zwischen 70 und 90 Jahren mitwirken. Die meisten haben bereits früher in einem Chor gesungen oder sind hier schon lange dabei. Und auch wer stimmlich nicht mehr so stark ist, hat einen Platz. „Jede und jeder trägt zum gemeinsamen Chorklang bei. Im Chor zu singen ist die Erfahrung, dass das Ganze mehr ist als die Summe aller Teile“, sagt die Dirigentin. Sie achtet natürlich darauf, die Lieder den Möglichkeiten der Chormitglieder entsprechend auszuwählen. „Und wenn es dann gelingt, entsteht das wunderschöne Gefühl und die Zufriedenheit, in der Musik, im Klang zu sein.“ – Der perfekte Werbespot von Heidi Benz für den Chorgesang.

Unterschiedliche Motive und Vorkenntnisse
Auch die Musikschule der Stadt Luzern bietet „Musik à la carte für Erwachsen und Senioren“. Für diese reiferen Schüler und Schülerinnen habe sie freilich keinen Bildungsauftrag, erklärt die Abteilungsleiterin Eva Crastan, deshalb könne die Musikschule auf individuelle Bedürfnisse eingehen. Die Leute kämen mit unterschiedlichen Erwartungen und Motivationen; diese nimmt die Musikschule auf. „Eine ältere Frau, deren Mann verstorben ist, möchte mittels Musik ihre Trauer verarbeiten. Andere haben als Kind ein Instrument spielen gelernt und haben erst jetzt wieder Zeit zum Musizieren“, sagt sie. Manchmal ist der Grund für den Musikunterricht im Alter ein familiärer: Die Grossmutter, der Grossvater will mit dem begabten Enkelkind zusammen musizieren und mit dem eigenen Können nicht abfallen.

Oft steht am Anfang eine Zeit lang Einzelunterricht, und dann kann die Integration in ein Ensemble folgen. Dort sind manche Leute schon viele Jahre dabei. Einige fallen aus Altersgründen mit der Zeit aus, und Neue nehmen ihren Platz ein.

Mit Inbrunst dabei
Es gibt Senioren oder Seniorinnen, die wollen für sich ein bestimmtes Ziel erreichen, kommen mehrmals wöchentlich zum Musikunterricht und sind mit Inbrunst dabei. Jedenfalls dann, wenn sie ihre Art von Musik entdeckt haben. An der Musikschule ist alles im Angebot: Von Klassik und Volksmusik über Rock, Pop und Jazz bis zur Big Band. Auch Musicals und Opern werden bearbeitet, so dass sie den Nicht-Profis entsprechen.

Das Repertoire der Musikschule geht aber weit über den Instrumentalunterricht hinaus. Da ist beispielsweise der Einführungskurs zur klassischen Musik „Aktives Musikhören“ zu erwähnen oder die Dalcroze-Rhythmik für Senioren, unter anderem ein Beitrag zur Sturzprophylaxe.

Ein Angebot in Luzern für Menschen 60plus macht ferner proMusicante. Hier steht nicht nur das Musikalische im Vordergrund, die Stiftung mit Sitz in Rapperswil hat auch gesellschaftspolitische Ziele. Sie will das gängige Bild, das Alter mit Belastung gleichsetzt, umpolen in „Alter als aktive Lebensphase“. Einen Beitrag dazu leistet proMusicante, indem sie die Freude am Musizieren weckt. In Luzern gibt es Gruppenkurse oder Einzelunterricht für Anfänger und Fortgeschrittene, mit unterschiedlichen Instrumenten.

Mehr als Musik
Musik im Alter ist inzwischen zu einer eigenen gerontologischen Fachdisziplin geworden, auch wenn der Begriff „Musikgeragogik“ in manchen Ohren nicht gerade wie Musik klingt. Doch es ist wissenschaftlich anerkannt, dass vor allem aktives Musizieren, aber auch passiver Musikgenuss präventive und therapeutische Wirkung haben kann. Musizieren trainiert die koordinativen Fähigkeiten: Noten lesen, das Gehör, Fingergriffe, Rhythmik, Atem – all das muss zusammenspielen. Und das scheint auch die Flexibilität des Gehirns zu erhalten. Ganz zu schweigen von den Emotionen, mit denen Musik eng verbunden ist. Vor allem bei Menschen, die an Demenz erkrankt sind, wird Musik therapeutisch eingesetzt, und es gibt Studien, die einen positiven Effekt auch bei Parkinson nachweisen.

Muss denn ein zusätzlicher Nutzen unbedingt sein? Eva Crastan und Heidi Benz sind gleicher Meinung: Das Singen, die Musik an sich ist der Wert! Der Mehrwert ergibt sich von alleine: Zufriedenheit, Sinn und Lebensfreude, emotionaler Ausgleich, soziale Kontakte. Wer das alles oder nur das Eine oder Andere davon sucht: Musik machen, Singen!

Mehr Informationen, Kursprogramme:        
Musikschule Luzern
Seniorenchor Luzern
proMusicante  

11. Dezember 2013