Zum Tod von Otti Gmür

Von Veränderungen und Vergänglichkeit


Von René Regenass

Die Familie und die Medien haben es berichtet: Otti Gmür ist gestorben, am 2. Februar 2015 im zweiundachtzigsten Altersjahr.  „Das Leben üben“ – so stand der Titel über der letzten Kolumne, welche Otti Gmür im April  2013 für die Website von Luzern60plus schrieb. Ich weiss es noch gut – ich habe diesen Titel gesetzt und die Kolumne ins Netz gestellt. Er hatte sich aufgedrängt, nach dem ich den Text gelesen hatte.

„Meine bewusste Beschäftigung mit Alter und Tod begann an den Kranken-  und Sterbebetten meiner Grosseltern…“ schrieb Otti Gmür. Und weiter: „In einer Gesellschaft, in der ältere Menschen nicht nur die wachsende Mehrheit, sondern ganze ältere Generationen bilden, bekommt das Alter neue Bedeutung.“ Gmür zitierte dann aus einem Essay „Über das Üben“ des französischen  Philosophen Michel de Montaigne (1533-1592). Mit der Ausbildung der Seele zum Weg des Handelns, wie Montaigne riet, sollten wir nicht erst im Pensionsalter beginnen, schrieb Gmür. „Die oft spöttisch erwähnte midlifecrisis ist wohl ein handfestes Zeichen dafür, dass für ein gutes Leben neben dem Haben das Sein ebenso geübt werden muss.“

In seiner ersten Kolumne für 60plus fragte Otti Gmür, was denn plus im Zusammenhang mit der Zahl 60 bedeuten könne. „Mehr von was könnten wir noch erreichen? Älter werden natürlich und trotz abnehmendem Lebensschwung sich in Geist und Körper zu Hause fühlen. Sorgfältiger Quantität und Qualität unterscheiden, erkennen , dass Haben noch nicht Sein bedeutet…Etwas wesentlich Verbindendes im Älter werden, liegt wohl darin, dass die Veränderungen im persönlichen Bereich in Zeitintervallen erfahren werden, die nicht nur kürzer werden, sondern deren Vergänglichkeit immer klarer wird.“

Das schrieb Otti Gmür vor knapp drei Jahren, bewusst den Tag erlebend und durchschreitend, wie kaum jemand, der mir begegnet ist. Manchmal schien es, er ruhe in sich selbst, vor allem in den letzten Monaten. Er hatte eine hörende, zuhörende Art, manchmal unterbrochen von einem Einwand, einer Widerrede, von Humor auch. Im Widerspruch dann allerdings wurde seine Sprache sehr deutlich, zuletzt hör- und lesbar in seiner architektonisch und städtebaulich legitimierten Opposition gegen einen Abbruch der Zentral- und Hochschulbibliothek in Luzern.

Ein paar wenige Eckdaten
2012 erhielt Otti Gmür den Luzerner Kunst- und Kulturpreis. In einer wertvollen, informativen Schrift mit dem Titel „Rückblick  Überblick  Einblick  Ausblick“ haben Otti Gmür und Hans Lauber (gemeinsames Architekturbüro von 1981 bis 2004) ihr berufliches Wirken und ihren Lebenslauf aufgezeichnet. Von 1981 bis 1993 gehörte auch Roman Lüscher zum Architektenteam an der Museggstrasse 4. Ein paar Einträge sollen vor allem das breite Wirken von Otti Gmür als Publizist und Dozent aufzeigen.

1956 – 59: Im Alter von 24 Jahren erhielt Otti Gmür den Auftrag zum Aufbau des Baubüros Bürgenstock für Hotelbesitzer Fritz Frey. „Ich erhielt Vertrauen, lernte Verantwortung zu übernehmen und erfuhr, dass man mit berühmten Menschen ganz normal umgehen kann.“

1961 Eröffnung eigenes Büro an der Alpenstrasse 4 in Luzern.

1978 „Luzern – eine Stadt stellt sich dar“, Jubiläumsausstellung 800 Jahre Stadt Luzern mit Forum in der Kornschütte.

1979/1982/1984 Tagesleitung der von GDI und SWB veranstalteten Städtebautagung in Luzern.

1981/91 Überbauung Bahnhofgebiet Luzern, Konzept für Öffentlichkeitsarbeit mit Ausstellung in der Kornschütte.

1985 Konzept und Leitung Jubiläumsausstellung FSAI „Bauen eine kulturelle Leistung – Architektur im Raum Luzern – Innerschweiz der letzten 50 Jahre. 1987 bis 1994 Dozent Kulturgeschichte für Landschaftsarchitekten an der HTL Rapperswil.

1990 bis 2009 jährlich mehrere Architektur- und Stadtführungen in Luzern. – 1993/94 Krebserkrankung, Operation, Therapien, Gesundung.

1997-2000 Lehrauftrag Architekturkritik an der FHS Zentralschweiz.

„Bauen in Obwalden 1928 – 1998“, Verlag Martin Wallimann, Alpnach.

2003 Spaziergänge durch Raum und Zeit“, Architekturführer Luzern.

2007 Fachzeitschrift “Karton“ widmet  Nummer 8 den Arbeiten von Otti Gmür.
13. Februar 2015