„Flexibleres Angebot zugunsten Betagter“

Mitglieder des Forums Luzern 60 plus konnten aus erster Hand erfahren, wo der Prozess zur Verselbständigung der städtischen Heime und Alterssiedlungen (HAS) steht. Und sie waren eingeladen, Frage zu stellen und Anregungen einzubringen.

Stadtrat Martin Merki, zu dessen Sozialdirektion die Abteilung HAS gehört, legte zu Beginn des Werkstattgesprächs im Stadthaus kurz dar, wie es zu diesem Projekt kam. Die neue Pflegefinanzierung habe 2011 mehr Wettbewerb zwischen den fünf städtischen Heimen und den acht privaten Anbietern gebracht. Während HAS heute das Pflegeangebot vorwiegend auf das gesetzlich Vorgegebene beschränken müsse, seien private Träger frei, ihre Angebote mit allerhand Serviceleistungen anzureichern. HAS müsse künftig ebenso flexibel auf neue Wünsche von Betagten und ihren Angehörigen reagieren können. „Die Verselbständigung in einer Aktiengesellschaft ist die organisatorische Antwort auf diese neuen Bedürfnisse und Herausforderungen. Damit wird mehr möglich als heute, zum Beispiel beim Wohnen mit Service oder in der Hotellerie“, sagte Martin Merki. Er betonte, die geplante AG würde zu 100 Prozent im Besitz der Stadt und gemeinnützig bleiben.

Beweglicher werden, auf veränderte Bedürfnisse flexibel reagieren zu können – dieses Ziel soll aber keinesfalls auf Kosten der Qualität gehen. „Die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner steht weiterhin im Zentrum“, versicherte Merki, „und auch die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden ist uns wichtig.“ Verhandlungen über einen Gesamtarbeitsvertrag seien im Gang.

Veränderter Bedarf
Beat Demarmels, heutiger Leiter HAS, skizzierte die aktuellen Herausforderungen im Bereich der Pflege. Beispielsweise braucht es in der Stadt Überbrückungsangebote für Notfälle oder wenn pflegende Angehörige vorübergehend ausfallen. Mit den Fallpauschalen in den Spitälern, die zu früheren Entlassungen führen, werden auch mehr Plätze für die Übergangspflege benötigt – für die Zeit nach einem Spitalaufenthalt bis zur Rückkehr nach Hause. Ferner ist die Nachfrage nach flexiblen, individualisierten Angeboten ebenso gestiegen wie der Bedarf an Beratung und Begleitung.

Politische Strategien und unternehmerisches Denken
Das Fazit: Von den Anbietern ist mehr unternehmerisches Denken und Management gefordert, um ein kundenorientiertes und finanzierbares Angebot zu organisieren und die nötigen Investitionen und Kompetenzen bereitzustellen. Und auf Seiten der politisch Verantwortlichen ist mehr Steuerung erforderlich. Es braucht politische Strategien, um die öffentliche Versorgung mit für alle zugänglichen und zahlbaren Leistungen zu sichern. Hier ist auch die Koordination der Pflegeversorgung über die Stadt- und Gemeindegrenzen hinaus anzusiedeln.

Einfluss der Stadt sichern
In einer „Charta zur Pflegeversorgung“ halten die Projektverantwortlichen Grundsätze für die künftige AG fest. Ein Kernsatz lautet: „Die Stadt Luzern ermöglicht pflegebedürftigen Menschen ein möglichst selbstbestimmtes Leben in hoher Lebensqualität und in Menschenwürde.“ In einer weiteren Charta zur Verselbständigung der HAS ist unter anderem die Rolle der Stadt als 100prozentige Besitzerin der AG und als faire Partnerin und Arbeitgeberin festgehalten. Die Stadt, heisst es weiter, sichere sich durch eine leistungsbezogene Steuerung über den Leistungsauftrag ihren Einfluss auf die Versorgung.

Mit der Auslagerung von HAS in eine AG wäre nicht nur die gewünschte Flexibilität gegeben, sondern auch eine organisatorische Trennung von Besteller (Stadt) und Anbietern (HAS und private Heime). Dies ist für Beat Demarmels wichtig, um allfällige Interessenskonflikte aufzulösen. Ferner sei darauf zu achten, dass künftig private und öffentliche Anbieter gleichgestellt sind, was die Finanzierung und die geforderten Leistungen betrifft. Eine Knacknuss dabei ist auch die Personalpolitik: Kann die Stadt für gleich lange Spiesse für Private und HAS sorgen, indem sie Elemente aus dem auszuhandelnden GAV in die Leistungsverträge mit privaten Anbietern aufnimmt?

Offene Fragen
Diese offene Frage ist eine von vielen. Auch aus dem Publikum kamen Fragen, die von Projektverantwortlichen nicht alle konkret beantwortet werden konnten. Eine war jene nach den Kompetenzen des Parlaments, des Verwaltungsrates und der Heime. Es sei vorgesehen, dass das Parlament die Strategie zur Pflegeversorgung verabschieden und über eigene Vorstösse Einfluss nehmen könne, hiess es. Und der Stadtrat könne seinen Einfluss über die Wahl des Verwaltungsrates ausüben. Die Frage, ob die Gemeinnützigkeit privater Heime in der künftigen Struktur gesichert bleibe, wurde bejaht, während eine Frage nach den Kosten der Verselbständigung nicht beantwortet werden konnte.

Schliesslich wurden aus der Runde auch Anregungen deponiert: Das geplante Kompetenzzentrum in der AG HAS soll auch psychologische und psychiatrische Expertinnen und Experten umfassen. Und im Verwaltungsrat, so eine andere Forderung, sollten auch die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner vertreten sein.

Es bleibt noch viel zu tun
Manches, was als Ziel wohlformuliert und im Grundsatz klar ist, braucht noch einiges an Detailarbeit, bis diese Verselbständigung spruchreif ist. Naturgemäss, denn es handelt sich um ein work in progress. Aber mit einem ehrgeizigen Zeitplan: Ende September soll ein Bericht und Antrag zur Verselbständigung ins Parlament, und im November soll die Volksabstimmung folgen.
Marietherese Schwegler – 20. Februar 2013