
Wer weiss Bescheid über Ihre Zugangsdaten? Bild: pixabay, Mohamed Hassan
Das digitale Ich gehört zum Nachlass
Zu Lebzeiten sollte man sich auch um Login-Daten und Passwörter kümmern. Das digitale Ich ist bei Vertrauenspersonen gut aufgehoben. Sie müssen nach dem Tod handeln können.Von Sandra Baumeler
«Man muss sich mit der Technik auseinandersetzen», sagte der Referent Reto Ineichen am «Lebensreise»-Anlass mit dem Titel «Der digitale Nachlass» am 23. Juni in Luzern. Nicht nur mit der Technik sollten jene Menschen, die sie nutzen, vertraut sein, sondern auch bereit dazu, sich über den eigenen Tod Gedanken zu machen. Sprich: den Nachlass zu planen, wozu auch unser aller Datenspuren im World Wide Web gehören.
Wir haben E-Mail-Konti, kaufen online ein, bewegen uns auf Social-Media-Plattformen wie LinkedIn oder Instagram und erledigen finanzielle Angelegenheiten via Onlinebanking. Überall brauchts Logins und Passwörter. Bei heiklen Geschäften mit hohen Sicherheitsanfroderungen ist zwischenzeitlich die Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA) Standard. Der Rechtsanwalt, Notar, Mediator und Dozent Ineichen sagte, dass es unmöglich sei, beispielsweise eine Apple-ID löschen zu lassen, selbst, wenn er als Notar dazu bevollmächtigt sei – ausser, ihm seien die Zugangsdaten anvertraut worden.
Ineichen illustrierte am Beispiel von Facebook «Datenleichen», will heissen, verwaiste Facebook-Konti. Gemäss Schätzungen dürften es in diesem Jahr 64 Millionen sein, Tendenz massiv steigend. Wenn Hinterbliebene oder Willensvollstrecker den Facebook-Account eines Verstorbenen löschen wollen, brauchen sie die Zugangsdaten. Das gilt für sämtliche Logins und Passwörter, die wir im Laufe der Jahre kreieren.
Willensvollstrecker soll handeln können
Der Zugriff aufs Onlinebanking spielt in einem Todesfall vielfach eine grosse Rolle, ebenso wie Logins auf Smartphones und andere Computer mit wichtigen und sensiblen Daten. Deshalb empfiehlt Ineichen den «digitalen Nachlass»: Sicherung aller Zugangsdaten wie Logins und Co., Anleitungen für Datenzugriffe, Checklisten erstellen für jene, die nicht tech-affin sind, Tabellen und Übersichten, regelmässige Backups usw. «Ordnung ist alles», sagte der Fachmann.
Im besten Fall – auch für die Hinterbliebenen – regeln wir unser Erbe inklusive digitalem Nachlass in einem Vorsorgeauftrag und Testament. Möglich und sinnvoll ist, eine*n Willensvollstrecker*in zu benennen, der oder die im Todesfall sofort handlungsfähig ist – auch dank des digitalen Nachlasses mit allen Zugangsdaten und geäusserten Wünschen des Verstorbenen. Zur persönlichen Vorsorge bietet sich zum Beispiel der Docupass von Pro Senectute an.
Nicht auf Stick oder Zettel
Ineichen erörterte in seinem Referat auch die verschiedenen Möglichkeiten der Speicherung des digitalen Nachlasses: in speziellen Cloud-Diensten, in einem selber abonnierten Cloud-Dienst oder auf einem sicheren Server bei einem Treuhänder oder bei einer Notarin. Er rät davon ab, den digitalen Nachlass auf einem Stick zu sichern oder auf einen Zettel zu schreiben und in den Safe zu legen. Die Gefahr sei gross, dass die Daten nicht konsequent aktualisiert und dann unweigerlich unbrauchbar würden.
Kurzum: bei der persönlichen Vorsorge auch an den digitalen Nachlass denken, Daten à jour halten, regelmässig aufräumen und entrümpeln (zum Beispiel Benutzerkonten, die nicht mehr gebraucht werden, löschen) und Personen des Vertrauens zu Lebzeiten einweihen. Trotz aller Rigorosität sei das «digitale Ich nicht löschbar», antwortete Ineichen auf eine Frage aus dem Publikum – ganz gemäss der Prämisse «Das Internet vergisst nie». «Wir bezahlen mit Daten, weil wir Dienstleistungen nutzen, die vermeintlich nichts kosten.» Aber wenn Menschen ihr digitales Ich pflegen, sorgfältig damit umgehen und Vertrauenspersonen übergeben, ist viel für sich selbst und für andere getan.
Präsentation des Referenten Reto Ineichen
Weitere Veranstaltungen der «Lebensreise 2025» siehe Flyer
27. Juni 2025 – sandra.baumeler@luzern60plus.ch