
An den drei Tischen im Friedhofcafé unter der Linde im Friedental kommen Menschen miteinander ins Gespräch.
Auf einen Kaffee ins Friedental
Das Café unter der Linde im Friedental entspricht einem grossen Bedürfnis vor allem für alleinstehende Menschen. An einem Runden Tisch soll über seine Zukunft diskutiert werden.
Von Monika Fischer (Text und Bilder)
Die hellen Sonnenschirme unter der grossen Linde mit Ausblick auf den Rotsee sind am Eröffnungstag der dritten Saison von weitem sichtbar. An einem der drei lindengrünen Tische sind zwei Frauen in ein Gespräch vertieft. Auf der Buvette stehen neben der Kaffeemaschine verschiedene Getränke, Wasser und Chips, die zu günstigen Preisen angeboten werden. Die an diesem Tag eingeteilten Betreuerinnen des Cafés, Beata Pedrazzini, Bernadette Inauen und Carmen Jud, hatten die Buvette zuvor aus der Garage geholt und das Café aufgebaut.
Schon bald herrscht ein reges Kommen und Gehen. Ein junger Mann kommt mit dem Velo und einem Kind vorbei und holt sich etwas zum Trinken. Eine alte Frau mit zwei Stöcken ist froh, sitzen zu können. Zum Besuch ihres Mannes auf dem Friedhof ist sie vom Schönbühl hergekommen. Sie unterhält sich schon bald mit der Frau, die neben ihr Platz genommen hat und meint: «Ich bin so froh, dass es dieses Café gibt. Es ist ja sonst nichts in der Nähe zum Einkehren. Ich werde sicher bald wiederkommen.» An einem anderen Tisch sitzt eine Frau aus dem Kanton Nidwalden, die regelmässig herkommt, weil ihre Freundin hier beerdigt ist. Eine weitere Frau im luftigen Sommerkleid setzt sich mit ihrem Kaffee auf die Bank unter der Linde.
Eine Bereicherung für beide Seiten
Nach zwei Stunden trägt Bernadette Inauen zwei schwere Körbe zum Abwaschen des Geschirrs ins Haus des Friedhofgärtners. Bevor zwei Personen die Frauen der ersten Schicht ablösen, erzählt sie, was die Betreuung im Friedhofscafé für sie bedeutet: «Neben der Betreuung des demenzkranken Mannes zu Hause ist es für mich auch Psychohygiene und eine sinnvolle Beschäftigung. Ich denke an die Frau, die nach dem Besuch des Grabes ihres Mannes traurig angekommen ist und nach dem Gespräch im Café glücklich nach Hause geht. Das ist ein Glück auch für mich, pures Glück.»
Am späteren Nachmittag trifft unter anderen ein Mann, der schon letztes Jahr das Café täglich besucht hat und erzählt: «Ich gehe jeden Morgen aufs Grab meiner Frau, danach meditiere ich. Am Nachmittag komme ich ins Café, wo ich mit einer Bekannten abgemacht habe. Es tut mir sehr gut.» Ein junger Mann möchte wissen, was da los ist und holt sich etwas zum Trinken. Um 17 Uhr freut sich die Tagesverantwortliche Carmen Jud: «Heute hatten wir bis jetzt bereits 27 Gäste, und das am Eröffnungstag!»
Aufwendige Organisation
Die Theologin Silvia Strahm Bernet hatte die Idee zum Friedhofscafé aus Berlin in den Luzerner Arbeitskreis feministische Theologie eingebracht. Diese wurde von den Kolleginnen Li Hangartner, Beata Pedrazzini und Carmen Jud begeistert aufgenommen. Sie sahen das Friedental als beliebtes Naherholungsgebiet dafür bestens geeignet. Zudem fehlen im Quartier Maihof/St. Karli/Kantonsspital Begegnungsmöglichkeiten.
Die Vorbereitungsarbeiten waren aufwendig: Neben Anfragen an die Stadt und die Friedhofsverwaltung mussten Bewilligungen eingeholt, Stiftungen und Kirchen um Finanzierung angefragt und Anschaffungen getätigt werden. Die Buvette wurde von zwei begabten Handwerkern gratis so aufgebaut, dass darin Tische, Stühle und Sonnenschirme versorgt werden können. Rund 50 Freiwillige arbeiten im Friedhofscafé mit. Neben der Tagesverantwortlichen engagieren sich je zwei Personen beim Bedienen und der Betreuung der Gäste sowie beim Auf- und Abbauen.
Ort der Begegnungen
Beata Pedrazzini freut sich, einen Ort anbieten zu können, wo Menschen sich ausruhen und miteinander ins Gespräch kommen können: «Dies funktioniert, da wir nur drei Tische aufstellen. Der Austausch ist für viele eine Bereicherung. Es gibt gar Menschen, die täglich kommen, wenn das Café offen ist. Es gibt ihnen Struktur im Leben.» Ursprünglich war es nicht die Absicht, über das Café Seelsorge zu betreiben. Doch erfahren Beata Pedrazzini und ihre Kolleginnen immer wieder, dass die Leute zu erzählen beginnen, wenn sie sich zu ihnen setzen: «Wir hören manchmal ganze Lebensgeschichten. So kann sich Seelsorge spontan ergeben.»
Es ist auch kein Thema, das Café könne die Ruhe der Toten stören, da es sehr klein ist, und es sehr ruhig zugeht. Ausserdem gibt es Kulturen, die einen ganz anderen Umgang mit den Toten haben. So sind z.B. in bestimmten Regionen in der Ukraine sogar Tische auf dem Friedhof montiert, wo sich die Familien mindestens einmal im Jahr zu einem gemeinsamen Essen mit ihren verstorbenen Angehörigen treffen.
Ein ausgewiesenes Bedürfnis
Seit Beginn des Friedhofcafés führen die Organisatorinnen ein Gästebuch mit durchwegs begeisterten Rückmeldungen über die super Idee. Das Café unter der Linde wird als friedliche Oase, wertvoller Treffpunkt für Jung und Alt, als eigentliches Geschenk, ja gar als Lebensretter bezeichnet. Die Gäste bedanken sich für die herzliche Gastfreundschaft. Immer wieder wird betont, wie wichtig die Möglichkeit zum Austausch für alleinstehende Menschen ist. Eine Frau schrieb: «Es ist so schön, dass es dieses Café unter der Linde gibt. Oft sitze ich zuhause allein im Garten – traurig nach dem Tod meines Mannes. Gerne mache ich dann einen Spaziergang über den Friedhof im Friedental und treffe dort Leute zum Austauschen. Ich kenne verschiedene Leute, die froh sind über das tolle Angebot und hoffe sehr, dass es weiterbestehen wird.»
Um das Friedhofscafé auch für die Zukunft zu sichern, braucht es eine breitere Trägerschaft. An einem Runden Tisch soll deshalb über eine künftige Struktur und Trägerschaft diskutiert werden, damit das Friedhofcafé auch zukünftig weitergeführt werden kann.

Die Öffnungszeiten des Friedhofcafés unter der Linde: Mai bis 5. Juli und 21. August bis 27. September 2025, Donnerstag bis Samstag, 14 bis 18 Uhr, nur bei trockenem Wetter.
18. Mai 2025 – monika.fischer@luzern60plus.ch