„Der Tod ist ein Super-Lebenscoach“

Von Hans Beat Achermann

„Wenn’s soweit ist, soll’s stimmig sein“: Unter diesem Titel bietet die 48jährige gebürtige Walliserin Workshops an für Leute, die gerne ihren eigenen Abschied selber gestalten möchten. Die Säkularisierung der Gesellschaft hat dazu geführt, dass immer mehr Menschen auch den eigenen Abschied mitgestalten möchten – oder dass Angehörige bei einem plötzlichen Tod Unterstützung brauchen. „Viele sind nicht mehr in der Kirche beheimatet, möchten aber trotzdem einen gestalteten, individuellen Abschied.“ Abschiedsrituale seien eine Form, „das Leben zu würdigen“. So etwas erlebte sie beispielsweise beim Tod ihrer Mutter, als alle verbleibenden JahrgängerInnen der Aufgebahrten die letzte Ehre erwiesen.

Früher gab es klare, geregelte Formen, wie Abschiede zu gestalten sind, meist als Gottesdienst mit vorgegebenen Gebeten und einem vorgelesenen Lebenslauf. „Diese Klarheit der Tradition hatte etwas Einengendes, gleichzeitig aber auch etwas Befreiendes: Man wusste, wie es abläuft.“ Die Multioptionsgesellschaft macht aber auch vor dem Tod nicht halt. Es gibt unzählige Arten, sich von der Welt zu verabschieden bzw. verabschiedet zu werden: Von der stillen Beisetzung im engsten Kreis über die Naturbestattung bis zum pompösen Hochamt. Barbara Lehner ist der Überzeugung, dass es auch heute wichtig ist, dass Abschiedsrituale nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden: „So haben alle die Chance, sich von der verstorbenen Person zu verabschieden. Zudem schenkt Gemeinschaft auch Halt, und die Fülle des Lebens einer Person scheint in den verschiedenen Bezügen zu den Trauergästen auf.“ Durch die Abschiedsfeiern wird man wieder an die eigene Endlichkeit erinnert, „und das ist ein Gewinn fürs Leben. Der Tod ist ein Super-Lebenscoach. Er zeigt uns sehr klar auf, was wesentlich ist und was nicht.“

Hinhören und wahrnehmen

Sie selber hat den Tod schon früh erfahren: Als sie fünf war, starb ihr Vater bei einem Jagdunfall, mit 30 verlor sie einen Cousin und wurde angefragt, die Trauerfeier zu gestalten. Seither ist sie Trauerbegleiterin und Ritualberaterin. Zusammen mit Antoinette Brem gründete sie die Lebensgrund GmbH und begleitet Menschen in Lebensübergängen mit Ritualen, Seminaren und Einzelcoaching. Zusammen bilden sie auch Leute aus, die Trauerbegleitungen anbieten möchten oder Trauerfeiern gestalten und leiten. „Es ist ein Dienst an den Menschen. Die Hinterbliebenen sind in der Regel sehr dankbar für die Begleitung und die persönliche gestalteten Feiern.“ Barbara Lehner hat einen Grundstock an Texten und Musikstücken, die sie aber immer auf die besondere Situation und auf die Wünsche anpasst: „Rituale haben eine Grundstruktur, eine Grammatik. Meine Arbeit ist das sorgfältige Hinhören im Trauergespräch und das Wahrnehmen der verstorbenen Person. Daraus gestalte ich dann das Ritual mit Symbolen, Handlungen, Musik und Texten.“ Zehn- bis 15mal jährlich gestaltet sie Abschiedsfeiern. Auch wenn sie Theologin ist: „Von Gott muss nicht immer die Rede sein. Aber es ist wichtig und entlastend, dem Tod eine grössere Perspektive zu geben.“ Sie glaubt, dass ein grosses Potenzial für individuelle Trauerfeiern vorhanden ist. Seit der Einführung des neuen Erwachsenenschutzgesetzes habe die Nachfrage nach Beratung spürbar zugenommen. „Man will die letzten Dinge auch selber regeln.“ Barbara Lehner ist froh, dass sich in ihrem Leben nicht alles nur um diese letzten Dinge dreht. Sie bietet auch Hochzeitsrituale an und ist zudem noch Shibashi-Qi-Gong-Lehrerin.

Wie möchte sie selber einmal aus dieser Welt entlassen werden? „Ich möchte Zeit haben, mich zu verabschieden. Und dann gibt es im Wallis einen Ort, wo man aufs Bietschhorn und die Mischabelgruppe sieht. Dort möchte ich dereinst meine Asche verstreut haben. Zudem soll es nach der Trauerfeier einen feinen Tropfen Wein und etwas Gutes zu Essen geben.“

24. September 2015

Am Samstag, 29. August, 14.00, Uhr findet in der Reihe „Lebensreise“ eine Veranstaltung unter dem Titel „Ende meiner Lebensreise – Abschiedsrituale und Bestattungsformen“ statt. Zuerst gibt es eine Führung durch den Friedhof Friedental mit Cornel Suter, anschliessend um 16 Uhr führt Barbara Lehner einen Workshop durch unter dem Titel „Wenn’s soweit ist, soll’s stimmig sein.“ Unter dem gleichen Titel bietet Barbara Lehner am Mittwoch, 18. November, im Seminarhaus Bruchmatt einen ganztägigen Informations- und Workshop-Tag durch.

Weitere Informationen: www.lebensgrund.ch