BildGeschichte 10/2017

Das Rasseln des Bleisatzes

Von Erika Achermann
Sie haben noch Arbeitsschürzen getragen, der Bleisatz hat ungesunde Spuren hinterlassen und die Arbeit war von Lärm begleitet. Das Rasseln des Bleisatzes, der Buchstaben klingt noch heute in meinen Ohren. Klingende Buchstaben, kann man das jemandem erklären, der es nie gehört hat? Kaum. Ende der fünfziger Jahre führte mich mein Schulweg auf der Fluhmattstrasse, gegenüber dem markanten Suva-Gebäude, an den Räumen der Setzerei der C. J. Bucher AG vorbei. War das Wetter schön, standen die Fenster offen, wartete ich jeweils auf das Rattern der Buchstaben, die in die richtige Reihenfolge gebracht, die Neuigkeiten des Tages in der „Luzerner Neuesten Nachrichten“ verkündeten. Drei Zeitungen kamen damals täglich in Luzern heraus, und die NZZ erschien gar dreimal am Tag.

Und heute? Da machen die Redaktoren alles selber am Computer. Setzer braucht es keine mehr. Arbeitsschürzen ebenso wenig. Die Maschinenräume sind überflüssig, die Maschinen kleiner. Es braucht weniger Papier. Können die Wälder aufatmen? Die Zeitungsleser nicht. Aber ich will hier kein Trauerlied anstimmen, sondern mich an der Erinnerung freuen. In der Hinterlassenschaft meines Vaters, der sein Arbeitsleben lang bei C. J. Bucher gearbeitet hat, habe ich die leicht verblichene Foto gefunden, datiert ist sie nicht. Mir kam wieder in den Sinn, wie ich als Kind neugierig diese immens grossen geräuschvollen tollen Maschinen betrachtete, die riesigen Papierbahnen und schliesslich die gebündelten Zeitungen, welche die Verträgerinnen abholten, um sie den Abonnenten in den Briefkasten zu legen. Immerhin: die Verträgerinnen finden früh am Morgen auch heute noch den Weg zu den Briefkästen der Zeitungsleser. Wie lange noch?

Erika Achermann (1945) ist freie Journalistin. Sie ist in Luzern aufgewachsen und kürzlich hierher zurückgekehrt. Sie war Kulturredaktorin beim St. Galler Tagblatt und beim Tages-Anzeiger und seit 1990 vor allem unterwegs in den Ländern Südost- und Osteuropas.