„Das Velo hat auf dem Trottoir nichts zu suchen“

Aus dem Forum Luzern60plus ist eine Arbeitsgruppe Fussverkehr gegründet worden, die sich jetzt auf regionaler und gesamtschweizerischer Ebene vernetzt. Kurt Aeschlimann und Hildegard Bitzi nehmen Stellung.

Welches sind die Hauptanliegen der Arbeitsgruppe Fussgängerlobby?
Hildegard Bitzi:
Es geht uns um die Sicherheit der Fussgänger und Fussgängerinnen. Wir möchten ein einvernehmliches Nebeneinander von Fussverkehr und Veloverkehr erreichen.

Was läuft denn aus Ihrer Sicht nicht gut?
Ein Teil der Velofahrer und Velofahrerinnen ist in der Stadt einfach zu schnell unterwegs und passt ihre Fahrweise nicht dem Umfeld an. Sie fahren auf engen Trottoirs, schlängeln sich durch, fahren ohne Licht oder ohne  Glocke. Wir möchten für diese  Missstände ein politisches Bewusstsein schaffen.

Ist dieses Bewusstsein nicht vorhanden?
Zu wenig. Es ist auch eine Frage der Wahrnehmung: Die Autofahrer sind eine Last. Die Velofahrer sind die Schwachen im fahrenden Strassenverkehr. Und die Fussgänger - eigentlich die Schwächsten - gibt es politisch praktisch nicht. Dabei sind wir alle auch zu Fuss unterwegs.

Kurt Aeschlimann: Das Nebeneinander von Fussgänger und Velo endet dort, wo das Trottoir von Gesetzes wegen den Fussgängern reserviert ist. Das Trottoir gehört gemäss Strassenverkehrsgesetz den Fussgängern. Der Velofahrer muss auf die Strasse oder in seine Fahrspur, wenn eine besteht. Wir leben mit der unglücklichen Situation, dass das Nebeneinander von Fussgängern und Velofahrern in andern europäischen Ländern üblich ist. Ob dieser Zustand legal ist, weiss ich nicht. Deswegen ist das Unrechtbewusstsein hier nur noch beschränkt vorhanden.

Wie wollen Sie dieses Unrechtbewusstsein herstellen?
Hildegard Bitzi:
Bei uns werden geltende Vorschriften ungleich beachtet und durchgesetzt. Beim Autofahrer gibt es zu recht wenig bis keine Toleranz. Aber beim Velofahrer wird Fehlverhalten mehrheitlich toleriert, bzw. nicht geahndet. Das ist nicht fair.

Kurt Aeschlimann: Es geht um das Rechtsempfinden. Wenn die beschlossenen Normen in einem Rechtsstaat nicht beachtet werden, landen wir in einem Chaos.

Aber in andern Ländern läuft das Nebeneinander problemlos. Ich kenne Beispiele aus Deutschland, vom Erzählen her auch in Holland, wo jedes Velo auf dem Trottoir selbstverständlich ist oder wo es in jeder Strasse Velostreifen gibt. Sind wir nicht zu pingelig?
Hildegard Bitzi:
Ich habe das Nebeneinander in Ferrara in Italien in guter Weise erlebt. Aber dort sind die Velofahrer langsam unterwegs, machen mit Klingeln auf sich aufmerksam. Das ist nicht so bedrohlich, wie bei uns.

Kurt Aeschlimann: Wenn die Velofahrenden langsam unterwegs sind, ist das Unrechtsbewusstsein in der Bevölkerung auch weniger vorhanden. Trotzdem: Das Velo hat auf dem Trottoir nichts zu suchen, es sei denn, es gelte eine Ausnahmebestimmung. Die Gesetze müssen eingehalten werden.

Hildegard Bitzi: Es wird vielfach argumentiert, dass die Verkehrsregeln von Velofahrern in Luzern nicht eingehalten würden, weil das Angebot von separaten Verkehrsflächen für Velofahrer nicht flächendeckend vorhanden sei.   Ich stelle aber fest, dass selbst bei offiziellen Velowegen auch noch der Fussgängerbereich, notabene mit Fahrverbot signalisiert, benützt wird. Da greift dieses Argument nicht. Die Bikes von vielen Velofahrern animieren zu einem Ralley-Fahrverhalten.

Kurt Aeschlimann: Das Velo ist vom Verkehrsmittel zum Sportgerät geworden.

Wie wollen Sie vorgehen? Müsste man nicht mit der Velolobby an den gleichen Tisch sitzen?
Kurt Aeschlimann:
Das haben wir versucht. Das Gespräch mit Velomobil soll im kommenden Jahr von der Stadt in die Wege geleitet werden. Es geht aber vor allem darum, die rüpelhaften Velofahrer zu erreichen. Und da spüre ich noch einen gewissen Widerstand.

Hildegard Bitzi: Die Unbelehrbaren wird man nur über das Portemonnaie abholen können.  Das geschieht aber lediglich, wenn die Übertretungen gebüsst werden, also eine politische Angelegenheit.

Wie ist Ihre Interessengruppe in Luzern organisiert?
Kurt Aeschlimann:
Die Interessenvertretung für die Fussgänger läuft jetzt auf zwei Schienen. Einerseits als Arbeitsgruppe innerhalb von Luzern60plus, anderseits als Regionalgruppe Luzern von Fussverkehr Schweiz. Personell sind die beiden Gruppen sozusagen identisch.

Sind kurzfristig irgendwelche Aktivitäten geplant? Was ist wichtig bis Ende Jahr?
Hildegard Bitzi:
Wir haben den Antrag auf eine Vertretung in der städtischen Verkehrskommission gestellt und das Anliegen auch beim Stadtpräsidenten und bei Stadträten deponiert. Wir wissen, dass wir uns auf einen Prozess einlassen. Die Ziele sind nicht von heute auf morgen erreichbar. Wichtig ist jetzt primär das Bewusstsein zu schaffen, dass es neu eine Luzerner Regionalgruppe Fussverkehr Schweiz gibt. Das wird auch die Politik zur Kenntnis nehmen müssen.

Kurt Aeschlimann: Beim Marktplatz 60plus im Rathaus haben wir Werbung verteilt für Menschen, die mitarbeiten wollen. Wir wollen auch aus den Reaktionen auf der Pin-Wand gewisse Arbeiten in die Wege leiten. Es geht da zum Beispiel um Baustellen, die nicht fussgängerfreundlich gestaltet sind, aktuell zum Beispiel an der Hirschmattstrasse. Die Metallplatten, welche die ausgehobenen Löcher überdecken, bilden an den Rändern eine Sturzgefahr. Darum müssen die Plattenränder mit Schockfarben markiert werden. Es geht einfach darum, Aufmerksamkeit für die Fussgänger zu schaffen und die Sensibilität für diese Fragen zu erhöhen.
René Regenass – 12.07.13

Ziele und Personen

Um die Sicherheit der Fussgänger und Fussgängerinnen zu erhöhen, werden folgende Ziele formuliert:

  • Stolperfreie und behindertengerechte Fussverkehrsflächen.
  • Fussgängerzonen und Fussgängerstreifen gehören den Fussgängern.
  • Abgrenzung eines separaten Veloübergangs bei exponierten Fussgängerstreifen.
  • Mischzonen Velo und Fussgänger gemäss Empfehlungen von „Fussverkehr Schweiz“.
  • Optische oder bauliche Trennung von Schnell- und Langsamnutzern.
  • Durchsetzung der Verbote durch die Polizei mit Bussenfolgen.
  • Verbesserte Wahrnehmung für die Velos (akustisches Signal, Beleuchtung).
  • Sensibilisierung der Velofahrenden für Blickkontakte, Handzeichen, Klingel- und Rufzeichen gegenüber den Fussgängern.

Im Vorstand der Gruppe Fussverkehr Region Luzern wirken mit: Kurt Aeschlimann, Präsident,  Heinz Bäbler-Trinkler,  Hildegard Bitzi, Walter Gyr, Fachstelle für Sehbehinderte (die personelle Vertretung wird demnächst bestimmt).