Im «Stutzegg» an der Ecke Basel-/Bernstrasse können sich Menschen in schwierigen Lebenssituationen wärmen und stärken. Bilder: zvg

Eine Stube, wo alle willkommen sind

Im niederschwelligen Treffpunkt Stutzegg an der Ecke Basel-/Bernstrasse erhalten die Gäste fünfmal pro Woche eine warme Mahlzeit, können sich austauschen, spielen oder einfach ausruhen. Der Verein Hôtel Dieu ist seit 27 Jahren verantwortlich für diese «Stube der Stadt», die neben einem kleinen Team von Fachpersonen von Freiwilligen mit Herzblut betreut wird.

Von Monika Fischer

An einem Montagabend anfangs November geben Jacqueline Keune und Hans Sutter, das Co-Präsidium des Vereins Hôtel Dieu, und Sozialpädagogin Heidi Rösch, Leiterin des Treffpunkts, interessierten Menschen Einblick in den «Stutzegg». Er entstand 1998 auf Initiative von Sepp Riedener, Josef Moser und der Spitalschwester Hedi-Maria Weber und ihrer Gemeinschaft, ausgehend von ihrem Herkunftsort, dem mittelalterlichen Hospiz Hôtel Dieu im Burgund. Dieses war geprägt durch den Gedanken, dass Gottes- und Menschendienst nicht voneinander zu trennen sind und somit für die Armen nur das Beste gut genug ist. Diese Haltung prägt den «Stutzegg» bis heute.

Niemand fragt
Leiterin Heidi Rösch stellte den Betrieb und seine Gäste vor. Viele sind arbeitslos, einsam, von Armut betroffen, haben keine sozialen Netze, sind nicht in die Gesellschaft integriert, kämpfen mit Suchtproblemen und psychischen Krankheiten. «Es ist existentiell wichtig, dass sie einen Ort haben, wo niemand fragt, wer oder was er ist, wo sie hingehen können und willkommen sind. Wo sie eine Tagesstruktur haben und in guter Atmosphäre ungezwungen zusammensitzen und austauschen können», sagt die Fachfrau. 

Der Treffpunkt ist offen von Mittwoch bis Samstag von 15.30 bis 20.00 Uhr und am Sonntag von 10.30 bis 15 Uhr (bis 12 Uhr Brunch auf Anmeldung). Im Zentrum stehen das gemeinsame Essen und Trinken. Kaffee oder Tee kosten 50 Rappen, das Abendessen, gekocht mit frischen saisonalen Produkten z. B. von der «Schweizer Tafel», zwei Franken. Es gibt keine Buchführung über die Gäste, die die wenigen Regeln (kein Alkohol, kein Rauchen) gut einhalten. Es wird sehr viel gespielt, gejasst, aber auch Doc, Uno usw.

Ein Ort, wo niemand fragt, wer oder was der Gast ist.

Neben den Team-Mitgliedern werden die Gäste von Freiwilligen begleitet. Diese befragen die Gäste nicht, sind einfach da und bieten Raum für das, was die Gäste brauchen. Sie helfen bei Anliegen, z. B. mit Papieren, und verweisen bei Bedarf an andere Stellen. «Nicht wir müssen das Haus beleben, es sind die Gäste, die es füllen, wobei etwas Gemeinsames entsteht», freut sich Heidi Rösch. 

Zur Ruhe kommen
Der Gang durch die zweistöckige alte Wohnung mit den knarrenden Holzböden gibt einen vertieften Einblick in das Leben im «Stutzegg». In der geräumigen Gaststube wird am Stammtisch diskutiert oder die Zeitung gelesen. An einem weiteren Tisch wird vor allem gespielt. Durch eine Schiebetüre getrennt, steht ein weiterer grosser Tisch, an dem einer der regelmässigen Besucher still feine Mandalas malt. Im Ruheraum im oberen Stock können sich Gäste, die müde sind, zurückziehen und ausruhen.

Besondere Regeln, z. B. das Ausziehen der Schuhe, gelten für den Raum der Stille. Dort finden niederschwellige Meditationen statt: ruhiges Atmen, Stillsein um eine Kerze, Lesen eines Textes. «Durch den Verkehr auf beiden Seiten ist es zwar die lauteste Ecke der Stadt, und doch fühlen sich die Menschen hier wohl. Es ist der Ort, der mit seiner Ruhe auf die ganze Stube ausstrahlt», erzählt die Theologin Jacqueline Keune. Als besonderes Highlight zeigt sie die professionelle Holzwerkstatt, von einem Freiwilligen an fixen Tagen betreut.

Mit Herzblut dabei
Die «Stube der Stadt» wird jeweils von 10 bis 30 Personen aufgesucht. Es sind je zur Hälfte Frauen und Männer, Schweizer und Ausländer ab 35, 40 Jahre alt, meist jedoch älter. Noch nie musste jemand abgewiesen werden, und seit Beginn gab es nur für drei Besucher*innen ein Hausverbot. Die Verantwortlichen führen dies auf die Klarheit im seit Jahren konstanten Team, das den nötigen fachlichen Hintergrund aufweist, und die mit viel Herzblut agierenden 25 Freiwilligen zurück.

Letztere bringen ihre verschiedenen Ressourcen in den Alltag ein und ermöglichen mit ihrer Begleitung den Gästen hie und da auch etwas Besonders. Das kann ein Lottonachmittag sein, eine Schifffahrt oder ein Besuch im KKL. Von Zeit zu Zeit werden auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens an den Stammtisch eingeladen. Bereichernd für beide Seiten war unter anderen das Gespräch mit Stadtpräsident Beat Züsli.

Kleine Wunder
«Es gibt so viel versteckte Not und Einsamkeit. Menschen können Glück oder Pech haben im Leben. Ein Unfall, eine schwere Krankheit oder ein Schicksalsschlag kann jeden von uns treffen und aus der Bahn werfen», betont Heidi Rösch und verweist damit auf die Bedeutung des «Stutzegg».

Jacqueline Keune berichtet von berührenden Erfahrungen, z. B. vom 75-jährigen Mann, der als Verdingkind aufgewachsen ist und in seiner ganzen Kindheit und Jugend nie ein Geschenk erhalten hatte. In der Runde hatte er von seinem lebenslangen Wunsch nach einer Puppe erzählt. Eine Freiwillige nahm das Anliegen auf und gestaltete gemeinsam mit ihm eine Puppe. «Er nahm sie in den Arm, ging von Tisch zu Tisch und stellte sie den Gästen vor. So können kleine Wunder, kann Heilsames im Kleinen passieren.»

Das soll gemäss Hans Sutter auch in Zukunft möglich sein, dank den Spenden vieler einzelner Menschen und der Beiträge von Kirchgemeinden und Stiftungen, die die «Stube der Stadt» finanzieren.

25. November 2025 – monika.fischer@luzern60plus.ch