
Im Stadthaus Luzern, wo Maria Tscharner die Aktion «Würde unantastbar» mit der Königsfigur platziert hat, ist die Thematik fest in den Führungs- und Verhaltensgrundsätzen verankert.
Menschen annehmen wie sie sind
Die Aktion «Würde unantastbar» ist ein Gegenpol in unserer Zeit, wo Menschenwürde vielerorts verletzt und mit Füssen getreten wird. 16 KönigInnen sollen an verschiedenen Orten der Stadt Luzern zu Auseinandersetzung und Dialog mit der Würde anregen.Von Monika Fischer (Text und Bild)
Am 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, wartete ich mit zahlreichen Menschen in der Peterskapelle auf die Eröffnungsfeier der Aktion. Vorne im Chor waren die schlichten, vom deutschen Diakon und Holzbildhauer Ralf Knoblauch geschaffenen Königinnen und Könige aufgestellt. Dieser war bei seiner pastoralen Arbeit an sozialen Brennpunkten bei der Begegnung mit Menschen in prekären Lebenssituationen immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie viel Würde einem Menschen zukommt, von Gott, von sich, von andern. Seine Königsfiguren sind ein Antwortversuch: Scheinbar machtlos und bescheiden zeigt sich ihre Grösse und Würde im Verborgenen. Die Skulpturen möchten berühren und an die jedem Menschen innewohnende Königswürde erinnern – und daran, dass wir Menschen füreinander da sein sollen.
Würde einzig aufgrund des Menschseins
Organisiert haben die Aktion Vertreterinnen der reformkatholischen Organisation «Allianz Gleichwürdig Katholisch» und der Theologe Marco Schmid von der Peterskapelle. Sie stellten die Hintergründe und Ziele vor. Auslöser war die Königin, die Helena Jeppesen-Spuhler letztes Jahr von Ralf Knoblauch bekommen hatte, weil sie als eine der wenigen Frauen bei der Weltsynode erstmals ein Stimmrecht hatte. Dies führte zur Idee, am Internationalen Tag der Menschenrechte, die allen Menschen aufgrund der Anerkennung der angeborenen Würde die gleichen und unveräusserlichen Rechte zu spricht, die Aktion zu lancieren. Als Geschäftsführerin der Allianz forderte Mentari Baumann, dass der Würde Gleichberechtigung, Teilhabe, Respekt und Mitgefühl folgen müssen. Es gehe um das elementare Verständnis, dass jeder Mensch wertvoll ist, weil er oder sie Mensch ist, nicht weil er oder sie etwas leistet oder der gesellschaftlichen Norm entspricht.
Gemäss Renata Asal-Steger, Synodalrätin der römische-katholischen Landeskirche, möchte die Aktion zur Auseinandersetzung und zum Dialog mit der Würde im eigenen Umfeld anregen: «Wie gehe ich persönlich um mit dem Thema? Wo gebe ich, wo verletze ich Würde.» Als Anregung hat die Theologin und Lyrikerin Jacqueline Keune zu jeder Figur einen eindrücklichen Text geschrieben. Dieser liegt auf einem Flyer am Ort auf, wo die einzelnen Königsfiguren platziert sind. An 15 Orten der Stadt machen diese mit einem Plakat und einem Flyer in unterschiedlichen Farben auf die Aktion aufmerksam, während die 16. Figur auf Wanderschaft täglich in einer anderen Familie oder Institution unterwegs ist.
Begegnung mit Respekt
Nach der Vorstellung der Aktion konnten alle, die sich dazu bereit erklärt hatten, «ihre» Königsfigur entgegennehmen. Zu meiner Überraschung gehörte dazu auch die neben mir sitzende Frau. Sorgfältig wickelte sie den König in einen Stoffsack. Maria Tschaner lud mich ein, im Stadthaus vorbeizukommen. Spontan folgte ich wenig später der Einladung und beobachtete, wie sie die königliche Figur im Warteraum der Stadtkanzlei platzierte. Sie freute sich über die Aktion und erklärte, die Würde sei fest in den Führungs- und Verhaltensgrundsätzen der Stadt Luzern verankert und gelte für alle Mitarbeitenden und Direktionen.
Für sie persönlich und ihre Arbeit als Teamleiterin des Empfangs und der Telefonzentrale sei das Thema Würde ein ständiger Begleiter. «Am Empfang ist es zentral, dass wir allen Besuchenden unabhängig von Anliegen, Herkunft oder Auftreten mit Respekt und Wertschätzung begegnen.» Gleichbehandlung und ein würdevoller Umgang seien für sie selbstverständlich und prägen ihren Arbeitsalltag. «Herausfordernd sind dabei vor allem Situationen, in denen Menschen sehr aufgebracht, verunsichert oder emotional belastet sind. Gerade dann ist es wichtig, ruhig zu bleiben, zuzuhören und den Menschen ernst zu nehmen – auch wenn die Situation anspruchsvoll ist.»
Würde liegt im Sein
Neugierig geworden, wollte ich auch andere Standorte der Aktion aufsuchen. In der Franziskanerkirche fehlte die Köngisfigur. Ich vernahm, dass sie aktuell im Unterricht mit Kindern verwendet werde. Am nächsten Tag besuchte ich um 12 nach 12, den täglichen Impuls in der Peterskapelle, der im Dezember dem Thema der Aktion gewidmet ist. Rund 30 Personen hatten sich eingefunden, als der Theologe Meinrad Furrer für die Lesung die Königsfigur vom Bourbaki ins Zentrum stellte. Er bezeichnete die Königsfigur mit nur einem Bein als Symbol für die stillstehende Zeit, die Würde der Langsamkeit. Es gelte, stehen zu bleiben, aufmerksam zu sein, sich Zeit zu nehmen, nach innen zu schauen und zu spüren, dass wir da sind. Die mit Saxophon untermalten Gedanken waren wohltuend. Ich nahm mir vor, diesen Mittagsimpuls wieder einmal zu besuchen.
Auf dem Weg zu den weiteren Standorten in der ZHB, dem Hauptsitz der Kantonalbank und im Alterszentrum St. Anna machte ich mir Gedanken über die Bedeutung der Würde im Alter. Ich dachte an den Vortrag von alt-Bundesrat Moritz Leuenberger am Uno-Tag der älteren Menschen. Er hatte aufgezeigt, wie leicht Würde und Selbstwertgefühl bei Menschen im Alter verletzt werden, wenn sie z.B. aufgrund des Alters ein Medikament nicht mehr bekommen, durch die Geschwindigkeit der Digitalisierung und durch fehlende menschliche Kontakte am Schalter oder Telefon ausgeschlossen werden. Mir wurde bewusst: Die Würde ist dort gefährdet, wo Menschen nicht mehr mitkommen und auf Unterstützung durch andere angewiesen sind. Die Ärztin Irène Bopp-Kistler braucht dies bei ihrem Vortrag in der Reihe «Hohes Alter» wie folgt auf den Punkt: «Die Würde kann keinem Menschen genommen werden, auch nicht einem Demenzkranken, solange ihn das Gegenüber in seinem veränderten Sein annimmt und versteht.»

Nach dem 28. Januar kehren sämtliche Königsfiguren zurück und sind bis zum 4. Februar in der Peterskapelle ausgestellt. Bild: Johanna Unternährer GmbH, Luzern
20. Dezember 2025 – monika.fischer@luzern60plus.ch