Pfleger und Pflegerinnen demonstrieren für die Pflegeinitiative.

Stadt will Mindestlöhne überprüfen

Gute Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte seien für den Stadtrat wichtig, sagt Paolo Hendry von der Abteilung Alter und Gesundheit (AGES) der Stadt Luzern.

Von René Regenass (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)

Im vergangenen Herbst haben wir hier über die Antwort des Stadtrates auf ein Postulat der Sozialdemokratin Maria Pilotto berichtet, in dem Anliegen zu den Löhnen und Arbeitsbedingungen der Pflegefachkräfte formuliert worden sind. Pilotto argumentierte, dass im kantonalen Betreuungs- und Pflegegesetz keine «verbindlichen Minimalvorschriften für Löhne oder andere Arbeitsbedingungen» festgeschrieben seien. Der Stadtrat werde gebeten, kurz- und mittelfristig mögliche Massnahmen zu prüfen, die zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen führen könnten. In ihrem Votum im Grossen Stadtrat sagte Pilotto unter anderem, dass die Wertung der Umkleidezeit als Arbeitszeit gemäss Arbeitsgesetz für alle Heime verpflichtend sein sollte. Auch könnte der Stadtrat sich für einen Gesamtarbeitsvertrag in allen Langzeitpflegeinstitutionen in der Stadt einsetzen. (In den Viva-Heimen sind diese Anliegen erfüllt.) «Löhne und Arbeitsbedingungen der Pflegefachkräfte: Der Stadtrat sieht keinen Handlungsbedarf» (26. Oktober 2021)

Weil das Postulat Pilotto gegen den Willen des Stadtrats vom Stadtparlement überwiesen worden ist, haben wir Paolo Hendry, den Leiter der Abteilung Alter und Gesundheit (AGES) in der Stadtverwaltung gefragt, wie die Stadt jetzt, ein halbes Jahr nach den Diskussionen im Stadtparlament, den Anliegen der Pflegekräfte gerecht zu werden versuche.

Wie der Stadtrat handeln will
Hier die wichtigsten Fakten aus seiner Antwort. «Dem Stadtrat und der AGES sind gute Arbeitsbedingungen für die Pflegefachkräfte wichtig. Für die Festlegung der Löhne sind die einzelnen Betriebe zuständig und nicht die Stadt Luzern. Mehr Einfluss hat der Stadtrat bei Viva Luzern, die der Stadt Luzern gehört. Die Arbeitsbedingungen sind in einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) festgehalten, der von den beteiligten Personalverbänden als ‹fortschrittlich und sehr gut› eingestuft worden ist.

Die AGES wird in Absprache mit dem Stadtrat zusätzlich zu den bereits umgesetzten Massnahmen folgende Anpassungen vornehmen:

  • Weiterbildung: In vielen Betrieben ist die Weiterbildung einer/eines Fachangestellten Gesundheit zu einer Pflegefachperson HF mit Lohneinbussen verbunden. Diese Einbussen sollen behoben und die Mehrkosten für die Betriebe durch die Stadt Luzern über den Tarif abgegolten werden.
  • Mindestlöhne: Die Löhne der Mitarbeiter/innen mit einem tieferen Ausbildungsabschluss und in prekären Arbeitsverhältnissen (Arbeit auf Abruf, Stundenlöhner/innen) werden überprüft. Bei zu niedrigen Löhnen werden die Institutionen ermutigt, die Löhne anzupassen, da die Mehrkosten von der Stadt Luzern als Restfinanziererin getragen werden.
  • Arbeitsbedingungen: Mit den stationären Institutionen soll geklärt werden, wie die Arbeitsbedingungen verbessert und vereinheitlicht werden können (z. B. Berücksichtigung der Umkleidezeit, Weiterbildungsbedingungen usw.). Durch die Umsetzung der Pflegeinitiative auf Bundesebene sollten die Arbeitsbedingungen aller Pflegefachkräfte in der Schweiz in nächster Zeit verbessert werden.»

Pflegehilfen SRK arbeiten für einen Monatslohn von 3800 Franken
Viva Luzern und andere Institutionen im Pflegesektor beschäftigen Mitarbeitende ohne Berufslehre zu einem Monatslohn von rund 3800 Franken. Nach Auskunft von Ramona Helfensberger, Medienbeauftragte von Viva Luzern, beschäftige das Unternehmen «einige wenige Pflegehilfen zu einem Monatslohn von 3817 Franken». Diese SRK-Pflegehilfen machen einen vierwöchigen Kurs. Für den VPOD ist dieser Lohn nur «knapp akzeptabel». Er ist nicht existenzsichernd. Anderseits sei der Einstieg in den Pflegeberuf für diese nicht ausgebildeten Personen, oft mit Migrationshintergrund, eine Chance, im Arbeitsmarkt Fuss zu fassen, sagt der VPOD. Frage an Paolo Hendry: Sehen Sie Möglichkeiten, diese Arbeitsbedingungen zu verbessern?

«Die Lohnfestsetzung ist Sache der Betriebe. Die Einflussmöglichkeiten der Stadt sind sehr beschränkt. Mindestlöhne müssten ohnehin auf Kantons- oder Bundesebene geregelt werden. Die Stadt Luzern hätte keine rechtlichen Grundlagen, dies von den Betrieben zu fordern. Sie kann aber unterstützend tätig sein. Wir setzen das bereits um: Fallen uns zu tiefe Löhne oder andere negative Arbeitsbedingungen auf (zum Beispiel keine oder nur kurze Pausen, ungenügende Weiterbildungen), dann weisen wir die Institution darauf hin, dass sie die Bedingungen verbessern können und die Stadt als Restfinanziererin die Mehrkosten trägt. Eine solche Überprüfung des Tieflohnsegments in den Institutionen werden wir wie eingangs ausgeführt nun systematisch vornehmen.»

«Stadt muss Spielraum ausnützen»
Grossstadträtin Maria Pilotto sieht ihre Anliegen auf gutem Wege. Immerhin habe sich das Parlament gegen den Willen des Stadtrats für noch mehr Engagement zugunsten besserer Arbeitsbedingungen in der Pflege ausgesprochen hat. «Damit muss die Stadt ihren Spielraum voll ausnützen. Es wird diesen hohen und kontinuierlichen Druck auf allen Ebenen brauchen, damit den Worten Taten folgen. Es braucht einen maximalen Effort, um das nötige Personal für das Gesundheitswesen zu gewinnen und dann zu halten.»

14. April 2022 – rene.regenass@luzern60plus.ch