Bild: Staatsarchiv

Bild: Staatsarchiv

BildGeschichte 2/2016

Büffeln und baden

Von Hans Beat Achermann

Ungefähr an derselben Stelle an der Brüggligasse, an der dieses Foto aufgenommen wurde, stand ich 1971 mit meiner ersten Zeiss-Icon-Kleinbildkamera, die ich vom Vater als Occasion zur Matura geschenkt erhalten hatte, und hielt schwarzweiss  fest, wie die Alte Kaserne gesprengt wurde. Das Bild habe ich noch im Kopf, die Staubwolken und die Schutthaufen. Das Foto ist leider verloren gegangen, ich hatte es selber in der Badewanne entwickelt und vergrössert und ich war fasziniert, weil ich in einer  125igstel-Sekunde festgehalten hatte, wie ein Stück Geschichte in Staub und Schutt zerbröselte. Die Kaserne hatte in den sechziger Jahren als Schulhaus gedient, dort, wo auf dem Bild das Militär exerziert, war der Pausenplatz, im Eingang stand ein Milch-Lait-Latte-Automat, der gegen Einwurf von 50 Rappen ein Tetrapak im Viertelliterformat ausspuckte. Im selbstbemalten Schulzimmer büffelten wir Latein und bewarfen einander mit nassen Schwämmen. Und wenn es der Schulsekretär, Herr Invernizzi , nicht bemerkte, gingen wir in der grossen Pause über die Spreuerbrücke und kauften uns in der EPA am Mühlenplatz eine Portion Pommes-frites.  Noch vor dem Untergymnasium waren in der Alten Kaserne in den fünfziger Jahren Büros der kantonalen Verwaltung untergebracht. Vater arbeitete dort mit Blick auf die Pfistergasse als Kanzlist beim Schutzaufsichtsamt, später als Fürsorger bei der Jugendanwaltschaft, er trug einen grauen Bürokittel und wenn wir Kinder ihn besuchten, mussten wir seinen Chef mit den Worten „Grüezi  Herr Vorsteher“ begrüssen.

Der sogenannte Mississippi-Dampfer im Vordergrund war das städtische Badehaus. Dorthin zweigten auf der Spreuerbrücke alleinstehende Herren mittleren Alters mit in Wachstuchhüllen eingewickelten Waffeltüchern ab und genehmigten sich dann im Dampfer ein dampfendes Bad, während links und rechts das Reusswasser vorbeifloss  und sich mit dem nach LUX-Seife duftenden Badeabwasser vermischte. So stellte ich mir das jedenfalls vor.

Hans Beat Achermann (1947) arbeitete bis zur Pensionierung als Berufs- und Laufbahnberater. Vorher war er als Lehrer, Korrektor, Lektor und Journalist (LNN, Regionaljournal) tätig. Er ist in der Redaktionskommission der Seite www.luzern60plus.ch und beim Forum Luzer60plus aktiv.