Corona im Alltag (3)

Die Verantwortung liegt bei allen

Von René Regenass

Distanz und Skepsis zwischen jung und alt sind unübersehbar, unüberhörbar. In den Medien, auf der Strasse, im Bahnhof, sogar beim Spaziergang in Feld und Wald. Einzelne wenden sich ab, nicht nur körperlich wie angezeigt, sondern auch mit dem Blick. Andere – auch das nehme ich zur Kenntnis – sagen ein Grüezi, obwohl wir uns nicht kennen.

Sollen Alte nicht mehr einkaufen gehen? Wahrscheinlich ist es richtig. Können Jugendliche im Freien noch in Gruppen zusammenstehen, auf der Bank ein Bier trinken? Eher nicht, meine ich. – Spannungen sind spürbar. Aber wir müssten versuchen, das Verbindende zu pflegen. Wenn wir bei den Spannungen, bei der Skepsis unter den Generationen bleiben, wird die Zukunft noch schwieriger, als sie schon vor Corona war.

Selbstverständlich lebt das Verbindende. Es gibt zahlreiche Beispiele. Jugendliche helfen beim Einkaufen, bei der Pflege, beim sozialen Kontakt. Alte haben Enkel gehütet – das geht jetzt nicht mehr.

Was gewinnen alte Menschen, wenn sie jetzt die Einschränkungen im Alltag auf sich nehmen? Vorerst wird es friedlicher unter ihnen selbst. Denn es gibt solche, die eine Virenübertragung befürchten, wenn sie zum Beispiel weiterhin einkaufen gehen. Das lässt sich vermeiden, wenn sie ihren Bewegungsradius etwas einschränken. Und die jüngeren Generationen schätzen es vermutlich, wenn in Coop oder Migros jetzt keine alten Menschen vor ihnen an der Kasse stehen. Noch schöner wäre es, wenn sie diesen Verzicht bewusst zur Kenntnis nähmen. Auch junge Menschen können Virenträger sein. Der Umstand allein, dass sie kaum kranken werden davon, ist kein Freipass für ihr Verhalten. Die Verantwortung liegt sowohl bei ihnen als auch bei uns.
25. März 2020