Yvonne Volken. Bild: Joseph Schmidiger

Alles und nichts

Von Yvonne Volken

1522 schrieb Adam Ries(e), ein deutscher Rechenmeister, einen Bestseller. Sein Lehrbuch «Rechnung auff der Linihen und Federn» wurde 120-mal aufgelegt. Mit diesem Werk trug er entscheidend dazu bei, dass das unhandliche römische Zahlensystem durch indisch-arabische Zahlzeichen ersetzt wurde. Seit wir nach Adam Riese rechnen, ist das Rechnen einfacher, denn wir haben nun einen Platzhalter für das Nichts, die Null.

Warum ich heute über die Null nachdenke? Weil ich mir vorzustellen versuche, mit wie vielen Nullen 400 Milliarden Dollar geschrieben wird. So gross soll schätzungsweise das Vermögen von Trumps Regierungsteam sein. 400 000 000 000 Dollar, elf Nullen also und eine Zahl davor. Das britische Magazin «The New Statesman» hat ermittelt, dass 26 Personen, die Trump für Spitzenämter vorsah, privat über mehr als 100 Millionen Dollar verfügen. Bei zwölf von ihnen ist es eine Milliarde Dollar aufwärts. «Amerikas neue Plutokratie», titelte das Blatt. Dies werde die reichste demokratisch gewählte Regierung der Geschichte sein. Die US-Konsumentenschutzorganisation Public Citizen kommt zu dem Ergebnis, dass die USA nun von den reichsten 0,0001 Prozent des Landes regiert würden.

Die Null ist also eine mächtige Zahl, obwohl sie im Zahlensystem nur ein Platzhalter ist. Nehmen wir UBS-Chef Sergio Ermotti. Er bezog 2024 einen Lohn von knapp 15 Millionen (14 900 000) Franken. Wenn ich hier nun eine Null hinten wegnehme, wären es noch 1,5 Millionen Franken. Sähe das nicht anders aus? Gerechter? Sicher ist, dass der UBS-Chef bei einem Verlust der Null verärgert das Handtuch werfen und sich einen Sessel suchen würde, der wieder mit mehr Nullen gepolstert wäre.

Oder kann man es – gemäss Wikipedia – auch so sagen? «Die Zahl Null ist die Anzahl der Elemente in einer leeren Ansammlung von Objekten, mathematisch gesprochen die Kardinalität der leeren Menge.» Im übertragenen Sinn also: Null Bock auf Solidarität und Gerechtigkeit, viel Bock auf die Herrschaft des Geldes. Geld ist vorab auch dazu da, Steuern zu vermeiden, Gesetze umzuschreiben und noch mehr Kapital zu akkumulieren.

In einem «Rundschau»-Beitrag erfahre ich, dass es unter den Steuerpflichtigen in der Schweiz etwa 400'000 Millionär:innen gibt, davon sind etwa 40 Milliardär:innen. Einige der Reichsten drohen schon jetzt, den sicheren steuergünstigen Hafen Schweiz zu verlassen, sollte die Juso-Initiative «Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert» angenommen werden. Null Bock auf Steuern und auf Klimapolitik.

Auch bei mir kommt nun Null-Bock-Stimmung auf, angesichts der «Kardinalität der leeren Menge», was – wie jede andere Lebensregung – heutzutage auch ein Syndrom ist, kurz NBS. Die NBS wird bezeichnet als «eine Phase absoluter Lustlosigkeit, in der Sie sich zu nichts aufraffen können». Und da wären wir bei der Tatsache, dass sich die Null nicht nur mit den Mächtigen verbündet, sondern oft auch auf der ganz anderen Seite zu finden ist, da wo frau/man bei «null» anfangen müssen, bei den «Null-Kreaturen», bei den Versager:innen.

Eine elementare Einordnung fehlt noch, wenn es um die Stellung der Null geht. Denn wie Alpha zu Omega, beziehungsweise umgekehrt, gehört die Null zur Eins. 1 und 0, diese zwei Ziffern sind die Grundlage der Digitalisierung. Im Innern von Computern läuft alles mit Einsen und Nullen ab. Wir sind also mit diesem sogenannten «binären Code» in der Lage, unsere gesamte reale Welt darzustellen. So einfach, so kompliziert. Die 0 (Null) wird im binären Code nämlich zu 00110000 00001010.

Schliesslich nähern wir uns der Null nun noch zahlensymbolisch: «Die Null ist das Symbol für den Ursprung und das Unendliche, das Symbol für das Ende.» Wenn das bloss gut kommt!

27. April 2025 – yvonne.volken@luzern60plus.ch
 

Zur Person
Yvonne Volken, geboren 1956, war u. a. als Buchhändlerin, Journalistin, Kulturveranstalterin und Klassenassistentin tätig. Sie kam so mit ganz unterschiedlichen Lebenswelten in Kontakt. Seit ihrer Pensionierung sammelt sie Erfahrungen als betreuende Angehörige – und als Grossmutter.