Cécile Bühlmann Foto: Joseph Schmidiger

Am 14. Juni 2021 keine Forderung nach Lohn für Hausarbeit!

Am 14. Juni 2019 fand ein grandioser Frauenstreik statt, der Zehntausende von Frauen auf die Strasse getrieben und ihren Forderungen nach wirklicher Gleichstellung hohe Aufmerksamkeit verliehen hatte. Die Hoffnung keimte auf, dass es nun endlich vorwärts gehe – und dann kam Corona! Diese Krise machte Versäumnisse in der Gleichstellung wie unter einem Brennglas sichtbar und verstärkte sie. Also genug Gründe, um auch in diesem Jahr wieder laut zu werden und den Notstand in der Pflege, prekäre Arbeitsverhältnisse, Lohnungleichheit, Sexismus, Gewalt und ungleich verteilte Care-Arbeit anzuprangern.

Als Demo-Teilnehmerin lauschte ich den gescheiten Interventionen der meist jungen Rednerinnen und fand alles, was ich zu hören bekam, absolut einleuchtend und berechtigt. Vieles kam mir sehr bekannt vor, wir hatten es am ersten Frauenstreik 1991 schon auf unseren Transparenten! Nur die Kritik an der Homo- und Transfeindlichkeit waren damals noch kein Thema und migrantische Frauen waren damals wenig präsent. Der Frauenstreik ist eindeutig inklusiver geworden.  

Im Vorfeld des Frauenstreiks hatte in den Medien kurz eine Debatte aufgeflammt, welche in den 70er Jahren schon einmal leidenschaftlich geführt worden war: der Lohn für Hausarbeit. Ausgelöst wurde sie durch die neue Rechtsprechung des Bundesgerichts, welches entschied, dass der Anspruch von Unterhaltszahlungen nach einer Scheidung eingeschränkt werden soll. Bisher galt, dass der Ehegatte für seine ehemalige Partnerin bis zur Pensionierung Unterhaltszahlungen leisten musste, sofern diese während der Ehe keiner oder weniger Lohnarbeit nachgegangen war, sondern Care-Arbeit geleistet hatte oder bei der Scheidung älter als 45 Jahre alt war. Neu besteht dieser pauschale Anspruch auf Unterstützung durch den ehemaligen Ehepartner nicht mehr, er gilt nur noch in Einzelfällen und für eine zeitlich beschränkte Dauer. Wer sich scheiden lässt, soll danach ökonomisch auf eigenen Beinen stehen.

Die Autorin Sibylle Stillhart ärgert sich über diese neue Praxis des Bundes, da Frauen und Männer nicht gleichberechtigt seien. Sie fordert, dass die Care-Arbeit, die in vielen Haushalten hauptsächlich von Frauen ausgeführt wird, finanziell entgolten werden soll. Sie fordert für Eltern mit zwei Kindern einen Monatslohn von 7000 Franken, bezahlt vom Staat. Soviel Wert hat laut Berechnungen der feministischen Ökonomin Mascha Madörin die unbezahlte Care-Arbeit.

In einem Newsletter von WIDE SWITZERLAND, einem feministischen Netzwerk, welches sich mit Care-Ökonomie auseinandersetzt, wurde diese Forderung wohlwollend kommentiert. Als WIDE-Mitglied war ich darüber ziemlich konsterniert und habe nachgefragt: „Wollt ihr wirklich einen Lohn für Hausarbeit, die mit Sicherheit von den Frauen geleistet wird und damit die klassische Rollenteilung für ewig zementiert? Und gebt ihr die Forderung nach gerechter Aufteilung von Betreuungs- und Erwerbsarbeit zwischen Männern und Frauen tatsächlich auf? Frau kann sagen, dass es dazu zu früh ist, damit könnte ich leben, aber ein Lohn für nicht erwerbstätige, Kinder betreuende Frauen? Was geschieht mit ihnen, wenn die Kinder ausziehen? Kindererziehung ist doch kein Ganzlebensjob!!“ Ich bekam zur Antwort, dass das paritätische Modell gescheitert sei und die Frauen immer noch die Mehrheit der unbezahlten Care-Arbeit leisten würden. Deshalb suchten sie ein neues Modell und die bezahlte Hausarbeit sei ein möglicher Weg. Gerade junge Feministinnen seien sehr für dieses Modell, sie würden es als emanzipatorischen Befreiungsschlag betrachten.

 

Ich hingegen bin schon in den 70er Jahren zur Einschätzung gekommen, dass das eine Sackgasse für Frauen sei, deshalb kämpfte ich ein Leben lang für die gerechte Verteilung von Lohn- und Care-Arbeit zwischen den Geschlechtern. Ich weiss, dass dieses Modell bei weitem noch nicht flächendeckend verwirklicht ist, aber wenn ich in meinem Umfeld schaue, geht der Trend klar in diese Richtung. Ich kenne keine jungen Paare mehr mit der klassischen Rollenteilung. Auch die neuesten Erhebungen zu Arbeit und Erwerb zeigen das: seit 2010 nimmt der Zeitaufwand der Männer für Haus- und Betreuungsarbeit stetig zu und ihre Erwerbsarbeitszeit nimmt ab. Es geht zwar langsam, aber in die richtige Richtung. Für mich wäre das Modell „Lohn für Hausarbeit“ ein Rückschritt. Deshalb war ich erleichtert, dass in den Reden, die ich hörte, diese Forderung am Frauenstreik in Luzern kein Thema war. Es standen ganz klar die Forderungen nach besserer Vereinbarkeit von Berufs- und Erwerbsarbeit, also das partnerschaftliche Modell, und die Erhöhung der Löhne in den Care-Berufen im Vordergrund.  

 

Luzern, 14. Juni 2021

cecile.buehlmann@luzern60plus.ch

Zur Person
Cécile Bühlmann, geboren und aufgewachsen in Sempach, war zuerst als Lehrerin, dann als Beauftragte und als Dozentin für Interkulturelle Pädagogik beim Luzerner Bildungsdepartement und an der Pädagogischen Hochschule Luzern tätig. Von 1991 bis 2005 war sie Nationalrätin der Grünen, 12 Jahre davon Präsidentin der Grünen Fraktion. Von 2005 bis 2013 leitete sie den cfd, eine feministische Friedensorganisation, die sich für Frauenrechte und für das Empowerment von Frauen stark macht. Seit 2006 ist sie Stiftungsratspräsidentin von Greenpeace Schweiz und Vizepräsidentin der Gesellschaft Minderheiten Schweiz GMS. Seit anfangs 2014 ist sie pensioniert und lebt in Luzern.