Armin Beeler: Blick zurück nach Luzern

Ausgewandert: Armin Beeler.

Inneralpiner Neubeginn in der Surselva

Von Hans Beat Achermann (Text und Bild)

Er war Didaktiker, Kulturförderer, Rektor und Kabaretttexter und wohnte jahrzehntelang  im Luzerner Cysat-Haus. Mit bald 85 ist Armin Beeler jetzt mit seiner Frau ins inneralpine Ilanz umgezogen.

11 Uhr 31: Pünktlich fährt die Rhätische Bahn in den Bahnhof Ilanz ein, der zurzeit eine grosse Baustelle ist. Armin Beeler erwartet mich auf dem Bahnsteig. Weisses Haar, schwarzer Lederveston mit Pochette, hellblaues Hemd, schicke Schuhe: wahrlich kein Bergler, sondern eine urbane, elegante Erscheinung  im aufstrebenden Hauptort des Vorderrheintals. Wir gehen die paar Schritte zwischen einer Bauabschrankung ins Hotel-Restaurant „Eden“. Ist das hier in der Surselva jetzt das neue Paradies?  Für einen, der jahrzehntelang in der Innerschweizer Kulturmetropole aktiv war, in Luzern aufwuchs und das kulturelle Leben mitprägte und nun, vor drei Monaten mit bald 85, zusammen mit seiner Frau Beatrice in das beschauliche Ilanz umzog? „Genug Luzern!“ hat er wenige Wochen vor der Züglete in einer biografischen Notiz geschrieben, samt Ausrufezeichen. „Das Wohnen im mittelalterlichen Cysat-Haus an der Mariahilfgasse ist beschwerlich geworden, die Wohnung war zu gross und sehr pflegeintensiv“, erklärt er. Und so kam es, dass der Veränderungswunsch das kinderlose Paar nach einem neuen Wohnsitz Ausschau halten liess, nach über 30 Jahren in der Luzerner Altstadt. Da seine Frau ihre Wurzeln in der Surselva hat, kam auch das Bündnerland in Frage. „Wenn schon weg, dann richtig ins Inneralpine und nicht in die Agglomeration“, sagten sich die Beelers und fanden die neue Heimat im fast 20mal kleineren Ilanz, das etwa so viel Einwohnerinnen und Einwohner zählt wie Luzern um 1800. Für eine Bilanz zu Ilanz ist es jetzt noch zu früh, doch offensichtlich fühlen sich die beiden in der komfortablen Neubauwohnung an der Valserstrasse wohl. Und da ihnen das Rumantsch auch nicht fremd ist, wird die Integration wohl rasch geschehen.

Zusammenarbeit mit Emil Steinberger

Der Luzerner Stadtschreiber und Apotheker Renward Cysat ist mitumgezogen, mindestens die Schriften, mit denen sich Armin Beeler intensiv beschäftigt hat und aus denen er anlässlich des 400. Todestags des Chronisten 2014 im Historischen Museum  vorgelesen hat. Eine Art Chronist war Armin Beeler selber gewesen in den fünfziger Jahren. Als junger Lehrer hatte er zeit- und lokalkritische Kabaretttexte verfasst, die auf der Bühne des Pfarreiheims St. Paul und später im „Balances“ vom Cabaradiesli aufgeführt wurden. Zu den damals schon bekannten Theaterleuten wie Thuri Müller und Josef Elias waren zwei junge Theaterbegeisterte dazu gekommen: Armin Beeler und Emil Steinberger. Beide sind in einer ABL-Wohnung in der Neustadt aufgewachsen, haben denselben Jahrgang, gingen in dieselbe Primarschulklasse und wurden und blieben Freunde – bis heute. Beeler war es auch, der dann 1964 bis 1967 für die drei ersten Soloproramme von Emil Ideen lieferte und Texte verfasste. Er war auch an Emils Hochzeit mit Maja Rudin dabei, und dabei war auch als Kabarettist Jules Bohne, bekannt als Bahnhof Jules, der eine Nummer zum Besten gab, bei der eine Verwandte Emils ohnmächtig wurde, wie Beeler erzählt.

Gab es nie Pläne, gemeinsam mit Emil auf der Bühne zu stehen und zusammen ein Programm zu produzieren? „Doch, schon 1956 dachten wir, dass wir so etwas machen könnten. Für einen Anlass der Luzerner Metzger im ‚Union‘ entwickelten wir ein Programm, eher in Richtung Schenkelklopf-Humor, das Wort Schafseckel musste vorkommen. Allein das garantierte damals noch Lacher im Publikum.“ Die Weltgeschichte verhinderte die Aufführung: Unterhaltungsveranstaltungen wurden wegen des Russeneinmarschs in Ungarn landesweit abgesagt. „Gottseidank“, sagt Armin Beeler heute lachend dazu.

Schulkarriere ohne Parteibüchlein

Während Emil seine erfolgreiche Solokarriere startete, machte Armin Beeler Schulkarriere. Obwohl er nie in einer Partei war, wurde er nach einer heilpädagogischen Weiterbildung Verantwortlicher für die Lehrerweiterbildung, Didaktiklehrer, Leiter des diadaktischen Zentrums und zum Schluss noch letzter Rektor des städtischen Lehrerseminars an der Museggstrasse. „Ich wollte mich nie von einer Partei vereinnahmen lassen“, sagt der pensionierte Pädagoge, der sich auch als Querkopf bezeichnet. Parteizugehörigkeit bei den Liberalen war damals noch erwünscht, wenn man in der Stadt eine Schulleiterfunktion erreichen wollte. Doch Armin Beeler schaffte es auch ohne – dank seiner Kompetenz und Persönlichkeit und seinen innovativen Ideen. So war er Präsident der Lehrplan-Kommission für das Fach „Mensch und Umwelt“. Doch auch das ging nicht ohne Steine im Weg: Beeler zog die beiden Historiker Paul Huber und Werner Schüpbach als Fachpersonen bei. Da beide aber „zu links“ waren, wollte der Erziehungsdirektor diese verhindern. Armin Beeler drohte mit Rücktritt. Schliesslich ging es doch, und der Lehrplan wurde in fast allen Deutschschweizer Kantonen übernommen. Auch mit pädagogischen Büchern ist Beeler in Lehrerkreisen bekannt geworden. Diese ermutigen zu Selbständigkeit und Zivilcourage – Begriffe, die er selber gelebt hat. Und auch ein Hörspiel hat er geschrieben, „Visitez Kalberen“, das 1963 mit Ruedi Walter in der Hauptrolle gesendet wurde und 50 Jahre später eine Zweitausstrahlung erlebte.

Mit Hüsch im Döschwo

Neben der Unterrichtstätigkeit blieb Armin Beeler immer auch in der Kulturszene aktiv: Auf seine Initiative geht die Kontaktstelle für Kinder- und Jugendtheater zurück, er präsidierte unter anderen sieben Jahre die Luzerner Kulturförderungskommission und viele Jahre die Stiftung Kleintheater. In diesen Funktionen lernte er viele Leute aus der Kleinkunstszene kennen, mit denen ihn lange Freundschaften verbanden, z. B. mit Dimitri oder mit dem deutschen Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch. Mit diesem fuhr er nach einer Kleintheater-Vorstellung im Döschwo nach Basel, damit Hüsch den ersten Zug nach Saarbrücken erreichen konnte, weil er eine Radio-Livesendung vereinbart hatte. „Weil es kalt war und in Basel bereits alles geschlossen, drehten wir im Auto ein paar Runden und wurden prompt von der Polizei angehalten – wegen ziellosem nächtlichem Umherfahren. Hüsch wurde richtig böse und sagte den Polizisten, dass er nun den Stoff habe für die morgendliche Sendung.“

Alterscoolness

Was hat er noch für Pläne? „Ich lebe das typische Alltagsleben eines alten Herrn“, sagt er mit ironischem Unterton, will heissen: „Spazieren, reisen, lesen, Musik hören, gut essen. Kurz: Neugierig und beweglich bleiben. Für einen neugierigen Menschen bleibt hier in Ilanz noch viel zu tun, etwa die Auseinandersetzung mit der sehr speziellen rätoromanischen Kultur und Sprache, mit dem hohen Niveau des Chorgesangs und mit dem hochstehenden Kulturspektakel ‚Origen‘.“ Seine alte Heimatstadt wird Armin Beeler am 2. Juni wieder mal besuchen, als Gast am Marktplatz Luzern60plus in der Kornschütte. Da der Humor  dieses Jahr das Motto gibt, drängt sich natürlich die Frage auf: „Wie hast du’s selber mit dem Humor?“ Beeler findet, dass „der Humor mit dem Alter eher vergeht.“ Es gäbe zwar noch den Galgenhumor, doch den mag er nicht. „Für mich ist die heitere Gelassenheit oder wie man heute sagen würde: die Coolness wichtiger geworden.“

17. Mai 2018

Armin Beeler stellt sich am Marktplatz Luzern60plus in der Kornschütte am Samstag, 2. Juni, um 15 Uhr, den Fragen von Annemarie Meyer-Dotta.