Breites Engagement in der Kultur

Carla Schwöbel kam 1973 aus Kassel nach Luzern. „Die Wende kam mit der Einbürgerung“, sagt sie heute. „Dann waren wir hier volle Mitglieder der Gesellschaft. Sie wirkte in der Trägerstiftung des KKL und ist heute noch Stiftungsrätin in Weltethos Schweiz.

Ganz kurz zweifelte ich. Carla Schwöbel, 74jährig  – ich begegnete ihr zum ersten Mal – hielt nicht viel von einem Porträt. „Ich möchte eher nicht so öffentlich auftreten“, sagte sie. Dann, nach einem Abwägen, nahmen wir den Faden wieder auf. „Was soll’s, ich muss mich ja nicht immer so verkriechen.“  Das folgende Gespräch dann war ein Erlebnis. So authentisch, präzis und nachvollziehbar ist mir als Journalist noch selten jemand begegnet. 

Seit 1973 lebt sie in Luzern. „Der Grund zum Umzug war beruflicher Art, weil mein Mann als Ingenieur den Auftrag erhalten hatte, in Escholzmatt eine Produktionsgesellschaft aufzubauen. Das war die Intermedica, heute heisst sie BBraun Medical AG. Das Unternehmen mit dem Hauptsitz in Melsungen in Deutschland ist von meinem Urgrossvater gegründet worden, vor 175 Jahren. Wir sind jetzt die sechste Generation, die am Werk ist. In Escholzmatt kamen wir auf die grüne Wiese, da war gar nichts. Es war auch schwierig, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, vor allem im technischen Bereich. Heute ist der Geschäftssitz in Sempach.“

Gut vierzig Jahre lebt also Carla Schwöbel jetzt in Luzern. Da haben sich manche Kontakte ergeben. Welchen Bezug hat sie zur Stadt? „Jeder Anfang in einem neuen Land ist schwierig. Es spielt keine Rolle, wo das ist.“ Erstaunlich dann ihre Einschätzung. Die grosse Wende sei mit der Einbürgerung gekommen, sagt Carla Schwöbel. „Plötzlich fühlten wir uns als volle Mitglieder der Gesellschaft.“

Spannende Entwicklung Richtung KKL
Später kam das Engagement in der Kultur, im weitesten Sinne. Da war zuerst die Mitwirkung im Vorstand der Kunstgesellschaft Luzern, was schliesslich auch zur Berufung in die Trägerstiftung des KKL führte. Carla Schwöbel: „Das war für mich eine ausgeprägt spannende Zeit, mit den Kontakten zu Thomas Held und Hanspeter Balmer. Wir waren eine Form von entschlossener Gemeinschaft, die das Projekt durchziehen wollte. Stadtpräsident Franz Kurzmeyer hat mich gut eingeführt in das schweizerische Denken.“ Das fehle einem, wenn man aus Deutschland in die Schweiz komme, sagt Carla Schwöbel. Die Entwicklung des Projekts habe sie als enorm spannend miterlebt. Die Abstimmungen innerhalb der Stiftung: ob es einen blauen Saal oder einen weissen geben soll. Und die ausserordentlichen Sitzungen, meistens morgens früh um sechs Uhr. Kein Wunder ist es, dass Carla Schwöbel von Franz Kurzmeyer auch in die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern berufen worden ist.

Heute engagiert sich Carla Schwöbel als Sponsorin am Lucerne Festival. „Ich war Feuer und Flamme für den Aufbau der Lucerne Festival Academy durch Pierre Boulez und Michael Häfliger. Die Sicht in die Zukunft ist wichtig, damit wir nicht in der Klassik stehen bleiben. Das Luzerner Sinfonieorchester und das Festival stehen vor der grossen Herausforderung, das Interesse für die klassische Musik für die nächste Generation wach zu halten. Dafür wäre die Salle Modulable meines Erachtens der Schritt in die richtige Richtung gewesen.

„Die Entwicklung geht Richtung Musiktheater“
Wo sieht Carla Schwöbel als Kulturengagierte die Luzerner Theaterdiskussion? „Ich habe Direktor Benedikt von Peter kennen gelernt. Das Programm, das er auf die Bühne bringt, finde ich grossartig. In der Auseinandersetzung um die Salle Modulable war ich etwas überfordert. Ich finde es schade, auf das Ganze zu verzichten. Aber ich sehe die Probleme von Kanton und Stadt Luzern.“ In der Standortfrage hätte Carla Schwöbl durchaus die Inseli-Variante gesehen. „Wir leben doch mit ständigen Veränderungen. Denken wir nur an die Aufschüttung des Schweizerhofquais. Es braucht immer den Mut zur Veränderung, aus der eine Aufwertung entstehen kann. Zudem geht die Entwicklung in Richtung Musiktheater.“

Carla Schwöbel wohnt im Reckenbühl, in wunderschöner Lage. Frage: Haben sie einen Bezug zum Quartier, zum Obergrund? „Ich liebe dieses Quartier und bin richtig glücklich, dass wir hierhergezogen sind. Ich fühle mich wohl hier. Und die Umgebung wird immer wieder aufgewertet, zum Beispiel der Helvetiagarten. Es war auch Glück dabei, dass wir dieses alte, stark renovationsbedürftige Haus in einem verwilderten Garten im Reckenbühl gefunden haben und erwerben konnten. Es wurde 1890 als eines der ersten Gebäude hier oben gebaut.“

Was ist für Carla Schwöbl wichtig im Alltag, neben der kulturellen Teilhabe? „Am Morgen liebe ich die Ruhe, ich stehe früh auf. Dann kommt die Zeitung, der Kaffee, und schon bald halt diese oder jene Verpflichtung.“ Mein Einwand: Ich schätze, Sie brauchen gewisse Termine und Verpflichtungen im Tageslauf. „Ja sicher, mir sind Freunde sehr wichtig. Ich muss nicht repräsentieren, hier wird gelebt. Auch spontane Besuche sind willkommen. Dann wird ein Topf Spaghetti aufgesetzt. Ich schätze die Unterhaltung, das Gespräch mit Menschen.“ Und die Kontakte zu Deutschland? Die werden noch vorhanden sein? „In erster Linie zu meiner Familie. Die kommen sehr gerne nach Luzern. Ab und zu leben auch die Kontakte mit Schul- und Studienfreunden wieder auf. Das schätze ich.“

Carla und Eckhard Schwöbel haben zwei Töchter mit ihren je eigenen Familien und je zwei Enkelkinder. Eine Tochter wohnt in Luzern. Sie hat sich selbständig gemacht und übernimmt jetzt die Rolle ihres Vaters, was Rathaus-Brauerei und Stadtkeller betrifft. Die andere Tochter lebt in Barcelona, weil ihr Mann dort einen Job gefunden hat.

„Ohne Neugier wird man schnell alt“
Und in der Stadt? Was interessiert, wo ist Carla Schwöbel noch dabei? „Die regelmässigen Verpflichtungen haben ich abgegeben. Aber ich bin neugierig. Ohne diese Neugier wird man schnell alt.“ Führt die Neugier auch zum Engagement, politisch vielleicht? „In der Diskussion sicher, aber nicht öffentlich. Da hat mich immer wieder meine norddeutsche Sprache gestört. Ich würde gerne mal in „Schwizerdütsch“ mitreden. Aber das geht nicht.“ Carla Schwöbel ist in Kassel in Nordhessen aufgewachsen.

Ein Engagement kam noch nicht zur Sprache. Carla Schwöbel hat als Vizepräsidentin in der Reformierten Kirchgemeinde Lukas mitgewirkt. Sie ist jetzt noch in einer ökumenischen Gruppe dabei, ein Zusammenwirken von Menschen aus der Paulus-, Franziskaner- und Lukaskirche. Sie erlebt die Zeit als Übergang, den Zusammenschluss der drei reformierten Kirchen der Stadt. „Das ist nicht einfach, eröffnet aber auch Möglichkeiten.“ Schliesslich wirkt Carla Schwöbel auch in der vom Theologen Hans Küng gegründeten Stiftung Weltethos Schweiz als Stiftungsrätin mit. Gemäss dem neuen Leitbild 2016 fördert die Stiftung Projekte im Bereich des interkulturellen und interreligiösen Dialogs und der wertvermittelnden Bildungsarbeit. Präsident der Stiftung ist der im Kanton Luzern lebende Naturwissenschaftler Peter Baccini, der in frühen Jahren als Beauftragter des damaligen Erziehungsdirektors Walter Gut ein erstes Projekt für die Universität Luzern entwickelte, das dann an der Urne scheiterte.
René Regenass

(Das Porträt über Carla Schwöbel erschien im November 2016 in der Quartierzeitung Obergrund.)