Trügerische Idylle im Maggiatal.

Corona im Alltag (1)

Etwas fährt mit

Von Hans Beat Achermann (Text und Bild)

In der Luft ein Schwarm Rauchschwalben, pünktlich zurück aus Afrika, in der Luft ein roter Helikopter, nein, nicht die Rega. Vermutlich lassen sich Talbewohner zusammen mit ihrer Angst in ihre Monti hinauffliegen, knapp zwei Minuten, dann stürzt sich die Maschine wieder hinunter in die Vallemaggia. Denn da ist noch etwas in der Luft. Unsichtbar, aber dauerpräsent. Geräuschlos und geruchlos.

Das stille Dorf ist noch stiller als sonst. Zwar bringt der Bäckereilieferwagen noch immer pünktlich Pane e Gipfeli um 10 nach 8, der Schwatz mit den andern Wartenden ist dem Schweigen gewichen, zwei Meter trennen die Verstummten. Der Brotbringer trägt Plastikhandschuhe, aber die trägt er immer. Plastikgeld nimmt er auch jetzt nicht. Später im Coop: Kaum Kundschaft. Zwischen den Gestellen wuseln Angestellte mit Gesichtsmasken und füllen grusslos die Gestelle nach. Pelati gibt es nur noch in kleinen Büchsen, Salz nur in grossen Schachteln. Das Auswählen ist einfacher geworden. Auch WC-Papier hat es, nur noch in der Oeko-Qualität. Im Kühlregal steht eine einzige Flasche Corona-Bier. Ich lasse sie dort. Vor der Eingangstüre werden die Wägelchen desinfiziert. Mit Rückenwind geht es die fünf Kilometer auf dem Radweg zurück. Etwas fährt mit. Es ist nicht nur der Rucksack auf dem Rücken.

In der Casa, dort wo wir meist Feriengefühle haben, kommen neue Gedanken und Gefühle. Wie lange sollen wir hier bleiben, wo fühlen wir uns sicherer, gibt es noch ein Zurück? Wir lassen die Fragen. Noch etwas liegt in der Luft. Es ist der Duft eines Sugos.
20. März 2020