
Meinrad Buholzer. Bild: Joseph Schmidiger
Der Bock als Gärtner
Von Meinrad Buholzer
Seine Entourage gebärdet sich wie eine Horde besoffener Teenager im Erfolgsrausch – egoman, hemmungslos, getrieben von Hass, Rachsucht, Rechthaberei, Schadenfreude, allen Anstand und alle Regeln des Zusammenlebens hinter sich lassend. Dann kommt sein Vize, der sich kaum durch grosse Kenntnisse internationaler Politik hervorgetan hat, nach Europa und liest den Europäern «in einer dummen und anmassenden Rede» (Ulrich M. Schmid in der NZZ) die Leviten. Und – ausgerechnet er! – spricht von der Gefahr des Wertezerfalls. Realsatire made in USA I.
Der Amazon-Boss, Besitzer der «Washington Post», verbietet die Publikation einer Karikatur, die ihn und andere Tech-Bosse zeigt, wie sie dem grossen Donald huldigen. Kurz darauf, an der Inauguration, die gleiche Szene, nun echt und fotografisch festgehalten. Realsatire made in USA II.
Sogenannte Libertäre wollen dem Staat die Kontrolle über die Bürger entziehen. Nicht aus Menschenfreundlichkeit, nur damit sie sie übernehmen und sich daran gütlich tun können. Und plötzlich ist das geheuchelte liberale, woke, diverse, inklusive Deckmäntelchen weg, und mit ihm das regenbogenfarbene Fähnchen, das sie vorher so gerne öffentlichkeitswirksam schwenkten. – Gut daran: Wir wissen nun, woran wir sind mit ihnen.
Die AfD und ihre Liebe zu autoritären Herrschern. Neu mit Beteiligung eines prominenten Schweizers, der – entgegen dem früheren Credo – im Bundesrat offenbar die internationale Bühne und die dortigen Huldigungen lieben gelernt hat. Realsatire made in Switzerland I.
Liebesgrüsse nach Moskau. Ein eifriger und eifernder Journalist, der mit seinem ungarischen Busenfreund zur Audienz beim grossen Führer in den Kreml pilgert. Nun darf man ihn wohl einen Hofberichterstatter nennen. Ist, nach jenem in Herrliberg, schon der zweite Hof. Scheint, dass er sich zum Hofschranzentum hingezogen fühlt. Realsatire made in Switzerland II.
Merkwürdig, dass er und viele seiner Parteifreunde sich hierzulande in jenem Biotop bewegen, wo bei der täglichen Andacht der Glaubenssatz, sich nicht vor fremden Herren zu beugen, zelebriert wird. Neuerdings gilt ihnen der Hofknicks bei Tyrannen, je nach Windrichtung, als erstrebenswert.
Jetzt kommen sie aus ihren Löchern, wo sie sich bedeckt hielten, und wittern Morgenluft. Plötzlich ist wieder salonfähig, was bisher tabu war: Raubrittertum, Egoismus, ungehemmte Gier, Protzerei, Verantwortungslosigkeit, gegenseitiges Aufhetzen. Und der Schutz der Umwelt war gestern. Sie kommen nicht aus dem Nichts. Wir haben mitgeholfen, den Boden zu pflügen, indem wir grundlegende Werte des Zusammenhalts vernachlässigt oder über Bord geworfen haben, und uns vor allem und zuerst um uns selbst gekümmert haben. Jetzt geht ihre Saat im egomanen Biotop auf. Sie werfen den Vorgängern – nicht immer zu Unrecht – masslose ideologische Exzesse vor, um sich nun mit ihren Exzessen zu revanchieren (Cancel Culture von rechts). Und bereiten den Boden den nächsten Exzessen vor …
Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass die pausenlose Beschäftigung mit dem Casino-Mussolini den Verstand gefährdet, das Gemüt zerrüttet und die Widerstandskraft schwächt. Trumpismus ist ein Virus, das sich medial zur Pandemie ausgeweitet hat. Wogegen leider noch kein Impfstoff entdeckt wurde. Versuchen wir, mit Anstand und Abstand, die Ansteckungsgefahr klein zu halten.
14. April 2025 – meinrad.buholzer@luzern60plus.ch
Zur Person
Meinrad Buholzer, Jahrgang 1947, aufgewachsen in Meggen und Kriens, arbeitete nach der Lehre als Verwaltungsangestellter auf Gemeindekanzleien, danach als freier Journalist für die Luzerner Neuesten Nachrichten (LNN). 1975 bis 2012 leitete er die Regionalredaktion Zentralschweiz der Schweizerischen Depeschenagentur SDA. Einen Namen machte er sich auch als profunder journalistischer Kenner der Jazzszene. 2014 erschien sein Rückblick aufs Berufsleben unter dem Titel «Das Geschäft mit den Nachrichten – der verborgene Reiz des Agenturjournalismus» im Luzerner Verlag Pro Libro.