Berset trifft GREATEST Ketchup Keeper ever seen

Von Karl Bühlmann

Die Kleinen, hintereinander aufgereiht, halten sich an der dicken Kordel fest, die an der Spitze und am Ende des Grüppchens von zwei Kindergärtnerinnen mit Bachelorabschluss straff gespannt wird. Es regnet Bindfäden, der Himmel ist trüb, die Autos verspritzen Fussgänger. Flaneur und Passante  bleiben stehen, wechseln Blicke, lassen die wattig eingepackten Knirpse mit ausgebeulten Rücksäcken am Rücken  vorbeiziehen. Die Passante lächelt.

Wie die Zeiten sich doch geändert haben! Wir lernten im Kindergarten, angeleitet vom Fröili, die Finken binden, jetzt,  mit Lehrplan 21, sozialisieren die diplomierten Bacheloretten of Arts der Pädagogischen Hochschule in Pre-Primary Education die Kleinen mit urbanen Treckingtouren, setzen sie den Härten draussen vor der Tür aus. Unsere Zeit verträgt keine Weicheier.

Liebe Kollegin, wie war das in Davos beim WEF, wer war dort weich geklopft? Können Sie erahnen, wie unsere Bundesräte als Sonntagsschüler an der Kordel dem amerikanischen Präsidenten zuhörten? Wie der WEF-Präsident dem Supergast höfelte und applaudierte, nachdem diesem 40 Minuten nichts zum WEF-Thema „Created a Shared Future in a Fractured World" eingefallen war? Wie die zuhause in den geschützten  Redaktions-Werkstätten bärbeissigen Journalisten vor dem – nach eigener Einschätzung – beliebtesten , grossartigsten und erfolgreichsten Präsidenten seit Menschengedenken einknickten? Wie der Blick-Chefredaktor um ein Autogramm bat? Wie das hiesige Blatt „Welcome Mr. President" säuselte, im Stil von Marilyn Monroe selig, die einst John F. Kennedy selig mit „Dear Mr. President" anhimmelte.

Sie sind ungerecht. Bundespräsident Berset hat Präsident Trump die Schweiz erklärt, hat ihm  deutlich gemacht, dass die Schweiz für die USA wirtschaftlich wichtiger ist als Frankreich oder Deutschland. Es sei, so wortwörtlich, "ein Gespräch auf Augenhöhe gewesen, sehr direkt, sehr konkret, sehr respektvoll".

Meinen Sie, Mr. Trump erinnere sich heute noch an Monsieur Berset? Allenfalls an dessen Glatze, aber bestimmt nicht an das Gesagte. Warum hat der Bundespräsident von seinem persönlichen Berater nicht den Tipp bekommen, in Davos mit einer Perücke aufzutreten? Denn Trump hält nichts von Glatzköpfen. „Für einen Mann ist nichts Schlimmeres vorstellbar, als sich damit abzufinden, eine Glatze zu bekommen", hat er einem Freund anvertraut.

Sie sind ein Miesepeter und Antidemokrat. Donald Trump wurde mit 304 gegen 227 Wahlmännerstimmen zum US-Präsidenten gewählt. Hillary Clinton hatte zwar drei Millionen Stimmen mehr als Trump erhalten, doch ist die Zahl der Wahlmänner der unterschiedlich grossen Bundesstaaten entscheidend. Das gilt es zu respektieren, auch wenn der Mann polarisiert und für Sie ein Ärgernis ist. Wo ist Ihr Demokratieverständnis?

Da haben Sie Recht, Trump wurde demokratisch gewählt. Er ist demokratisch gewählter Narzisst mit Persönlichkeitsstörung höheren Grades. Demokratisch gewählter pathologischer Lügner. Demokratisch gewählter Rassist. Demokratisch gewählter grapschender Schürzenjäger. Demokratisch gewählter zänkischer Tiefflieger. Demokratisch gewählter Steuertrickser. Gute Nacht mit Ihrer Demokratie, liebe flanierende Kollegin!  Das beste Argument gegen die Demokratie sind fünf  Minuten von Trump, meinetwegen auch fünf Tweets, die er morgens im Pyiama verschickt. Wissen Sie, dass er im ersten Amtsjahr deren 2'600 verschickte? Was zählt mehr – Demokratie oder Integrität, Wahrheit, Ehrlichkeit?

Aber er hat 47 Millionen Followers, 40 Prozent der Amerikaner sind mit ihm zufrieden, Trump hat die Steuerreform durchgebracht, die Börsen melden Rekorde, die Arbeitslosenzahlen in den USA sinken, die Schweizer Wirtschaft jubelt auch. Das sind keine Fakes, das sind Fakten!

Meinen Sie, der momentane Wirtschaftsboom sei den bisherigen 365 Trump-Tagen zu verdanken? Das ist gar nicht möglich. Trump war im ersten Amtsjahr an 86 Tagen auf dem Golfplatz, an jedem vierten Tag also. Er macht heute, was ihm gestern die republikanischen Berater sagten, er macht morgen, was ihm heute die familiären Einflüsterer beim gemeinsamen Burger-Diner vorschlagen. Falls er nochmals den Vatikan besucht, sollte Papst Franziskus eine alte Tradition wiederbeleben und Trump zum Senfbewahrer ernennen. So was gab es vor Jahrhunderten unter Papst Johannes XXII., der in Avignon residierte: Er ernannte einen seiner Neffen zum Grand moutardier du Pape, was so viel heisst wie Grosser päpstlicher Senfbewahrer.

Senf zur Nobilitierung geht in diesem Fall gar nicht, Trump würde vermuten, dass das Gewürz aus irgendwelchen Dreckslochländern kommt. Rotes amerikanisches, verdicktes, geschmackverstärktes Ketchup First!  Der Ketchup-Verbrauch in den USA beträgt heute 9.6 Kilo pro Einwohner. Wetten, dass Trump auch diese Zahl in bisher nie für möglich gehaltene Höhen treiben wird? Das ist er schon seiner Herkunft schuldig. Seine Grosseltern wie auch die Vorfahren von Henry John Heinz, Gründer des gleichnamigen Ketchup-Konzerns, stammen aus der gleichen pfälzischen Gemeinde namens Kallstadt. Greatest Populist Ketchup Keeper, dieser Ehrentitel wäre angemessen.

Danke liebe Passante für den Ausflug in Trumps Stammbaum. Stimmt das mit der Pfalz? Ist Trump nicht doch ein Abkömmling der Wikinger? Bezeichnete er sich nicht kürzlich als grosser Schwede? Vielleicht meinte er doch die Schweiz, weil er sich gleichwohl an Bersets Glatze erinnerte – who knows? Wer weiss, ob's Faxen, Fakes, alternative oder wahre Fakten sind? Die Theorie der grossen Lüge besagt: Wenn man etwas wieder und wieder sagt, glauben einem die Leute irgendwann. Die gutgläubigen Beifallklatscher und Selfie Makers in Davos haben die These nicht widerlegt. - 4.2.2018

Zur Person:
Karl Bühlmann (1948), aufgewachsen in Emmen. Historiker und Publizist, tätig in der Kultur und Kunstvermittlung, Mitglied/Geschäftsführer von Kulturstiftungen. Autor von Büchern zur Zeitgeschichte und von Publikationen über Schweizer Künstler/innen. Redaktor der Luzerner Neuesten Nachrichten, 1989-1995 deren Chefredaktor. Wohnhaft in Luzern und Maggia/TI.