Von Franziskus inspiriert: der Kapuziner Hanspeter Betschart im Kloster Wesemlin.

Mit Witz und Frohsinn die Welt retten

Seit dreissig Jahren veröffentlicht der Kapuziner Hanspeter Betschart (70) Broschüren mit heiteren Geschichten. Mit dem Erlös unterstützt er Sozialprojekte für Obdachlose und für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Ein Besuch im Kloster Wesemlin.

Von Beat Bühlmann (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)

Ein Kapuziner wie aus dem Bilderbuch. Er empfängt uns in der braunen Kutte und mit Schalk im Gesicht. Bietet uns, kaum dass wir am Tisch sitzen, das Du an – wir hätten schliesslich alle den gleichen Jahrgang. Dann beginnt ein lebhaftes, frohgemutes Gespräch im Kloster. «Du muesch e schöne Bueb gsih sii», sagt er zum Fotografen, deshalb sei er wohl Joseph getauft worden. Andernfalls sei man als Hans durchgegangen oder im schlechtesten Fall als Hanspeter in die Welt gesetzt worden, sagt Bruder Hanspeter und lacht.

Vor einigen Wochen hat mir Hanspeter Betschart seine Broschüre «Heiteres aus vierzig Kapuzinerjahren» zugestellt und so nebenbei, wie das Kapuziner tun (und früher mit den Helgeli taten), auf den guten Zweck verwiesen: Der Erlös, der über die Selbstkosten von fünf Franken hinausgehe, komme dem indischen Hilfswerk «Sarvathrika Sahodarya Samithi» in Kerala zu. Die Gesellschaft für weltweite Geschwisterlichkeit kümmert sich seit 1994 um obdachlose, mittellose und kranke Menschen und versorgt sie mit Grundnahrung, Kleidung, Unterkunft und Medikamenten. Das Heim nimmt auch psychisch Kranke auf und bietet neuerdings eine Palliativpflege für arme Betagte an. An Ostern konnte Hanspeter Betschart dank dem Bucherlös 43'000 Franken an das Hilfswerk überweisen.

Der «Lago di Merlot»
Betschart, 1979 im Kloster Baldegg zum Priester geweiht, war 17 Jahre Mittelschullehrer am Gymnasium in Stans, 17 Jahre Pfarrer in St. Martin in Olten, und seit bald sechs Jahren ist er Kaplan für das Wesemlin-Quartier; ein «Stadtkaplänli», wie er selbstironisch sagt. Zudem war er 28 Jahre Lehrbeauftragter für Latein und Bibelgriechisch an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern. Hanspeter Betschart geht mit heiterer Gelassenheit durchs Leben. Ganz im Sinne von Franziskus, seinem persönlichen Leitstern: bescheiden, fröhlich, einfach, fromm. Schliesslich war er schon immer «ein ganz Braver», wie er verschmitzt beifügt.

Auch der Tugendhafte liebt das Gesellige. So hatte der Kapuziner Betschart in seinem Pfarrhaus in Olten im Kellergeschoss ein Grotto eingerichtet, ausgestattet mit zwei Hellebarden – «für schwierige Gäste», wie Betschart sagt. Eines seiner Büchlein hiess denn auch «Das Grotto im Oltener Pfarrhaus»; die Vernissage wurde mit 200 Gästen im Pfarreigarten von St. Martin gefeiert, am «Lago di Merlot», wie der Festredner hervorstrich. Überhaupt der Süden! Unzählige Reisegruppen hat der Kapuziner während 30 Jahren nach Rom und Assisi begleitet, dazu sogar ein eigenes Reisebüro eingerichtet. «Heiligsverdiene», sagt Betschart, wenn er an all die schönen Erinnerungen zurückdenkt.

Anekdoten am laufenden Band
Warum trat er überhaupt in den Orden der Kapuziner ein? Dazu gibt es von ihm keine grossen Erklärungen. Schon sein Onkel, auch er ein fröhlicher Typ, sei Kapuziner gewesen, ebenso ein Grossonkel. Die menschenfreundliche Haltung, die dem Kapuziner eigen ist, verhilft ihm zu seinen heiteren Geschichten. Betschart kann Anekdoten am laufenden Band erzählen - und aufschreiben. Inzwischen sind 15 Büchlein im Martins-Verlag Luzern erschienen, mit Zeichnungen von Gregor Müller, koloriert von Käthy Wollschlegel. Die neueste Publikation, auch mit Witzen des Mitbruders Silverius Kälin (1876-1962), heisst «Heiterkeiten in Corona-Zeiten» und enhält auch kleine Spitzen gegen die Kirche. Zum Beispiel so: Eine Klosterfrau geht mit einem Kinderwagen über den St. Petersplatz in Rom. Ein Tourist schaut neugierig hinein und meint feixend: «Aha, ehrwürdige Schwester, ein kleines Klostergeheimnis?» – «Nein, ein Kardinalsfehler.»

Die heitere Lebensart des Hanspeter Betschart ist gepaart mit tätiger Nächstenliebe. Als 1988 im Libanon der Bürgerkrieg wütete, hat er als Religionslehrer am Kapuziner-Kollegium St. Fidelis in Stans zusammen mit dem libanesisch-stämmigen Französischlehrer Nabih Yammine eine Kleidersammlung organisiert. Daraus entwickelte sich eine grossangelegte Hilfsaktion: In zehn Jahren transportierten sie 250 Tonnen Hilfsgüter in den Libanon, davon 150 Tonnen Medikamente. Zudem sammelten sie über 325'000 Franken an Spendengeldern als Direkthilfe für Waisenkinder, Obdachlose und Bedürftige. Das langjährige Beziehungsnetz hilft Betschart bei seinen Spendenaktionen, als Kapuziner hat er im Lauf der Zeit 850 Kinder getauft und 450 Paare getraut.

1998 konnten sie in der Bekaa-Hochebene, wo der Bürgerkrieg besonders stark wütete, dank der Deza (Departement für Entwicklungszusammenarbeit) und der Caritas Schweiz ein Solidaritätszentrum schlüsselfertig an eine einheimische Behindertenorganisation übergeben. Dort werden 130 behinderte Jugendliche und Erwachsene betreut, insbesondere Waisenkinder. Neuerdings unterstützt Betschart auf Anregung des indischen Mitbruders George, der auch im Kloster Wesemlin lebt, ein Sozialzentrum im indischen Kerala. Seine Spenden tragen dazu bei, ein Krankenhaus für geistige Gesundheit und ein Forschungs- und Rehabilitationszentrums zu bauen. Bis jetzt hätten fast tausend Frauen und Männer aus Indien und Nepal zu ihren Familien zurückkehren können, berichtet Betschart.

Hundert Hexameter übersetzen
Zum Abschluss unseres Treffens führt uns Bruder Hanspeter, der ehemalige Guardian, durch die stillen Korridore im Kloster Wesemlin. Ende der siebziger Jahre lebten hier 65 Kapuziner, heute ist es noch ein gutes Dutzend. Gesamtschweizerisch sank die Zahl der Kapuziner von 800 auf knapp 100, einige Klöster mussten schliessen. Noch immer gefragt ist im Wesemlin die Suppenküche, wo Randständige mittags und abends zu Tisch sitzen können. Serviert wird allerdings nicht mehr ein Teller Suppe, alle erhalten das gleiche Essen wie die Kapuziner, «was ja sehr bekömmlich ist», wie Betschart genüsslich anfügt. Gekocht von einem jungen Tamilen.

Wir fahren mit dem Lift ins Obergeschoss, wo die Historische Bibliothek untergebracht ist. Zugang nur mit einem siebenstelligen Code. Die Bibliothek umfasst 30'000 Werke, darunter 434 Inkunabeln, die in der darunter liegenden Kompaktbibliothek gehütet werden. Inkunabeln sind Wiegendrucke aus der Frühzeit des Buchdrucks (vor 1500). Der Kapuziner zieht die weissen Handschuhe an, schlägt ein sehr altes Buch auf. Es ist das Neue Testament, in der Übersetzung des Erasmus von Rotterdam, gedruckt 1541 in Basel. Die Bestände aller Schweizer Bibliotheken sind digital erfasst und über die Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern elektronisch zugänglich.

Wie hat es eigentlich der 70-jährige Hanspeter Betschart mit dem Älterwerden? «Daran habe ich noch nie gedacht», sagt er, neigt den Kopf zur Seite und lächelt schelmisch. Seine Tatkraft ist jedenfalls ungebrochen, die Anstellung als Wesemlin-Kaplan wurde soeben bis Ende 2023 verlängert. Ohnehin wartet noch eine anspruchsvolle Arbeit auf ihn: Er hat die 39 Hymnen (Preislieder) des Franz von Assisi für eine wissenschaftliche Zeitschrift vom Lateinischen ins Deutsche zu übersetzen. 38 Hymnen sind geschafft, doch die letzte mit 100 Hexametern (ein Versmass) hat Hanspeter Betschart noch in Arbeit, wie er sagt. Es ist das einzige Mal während unserer heiteren Begegnung, dass sich auf seinem Gesicht leichte Stirnfalten zeigen.

2. August 2021 – beat.buehlmann@luzern60plus.ch

Spenden für Kerala: CH67 8080 8002 5034 5356 5

www.sssamithi.in

«Ärger und Frohe Botschaft»

Ärger macht dich hässlich, wüst und krank!
Für gutes Lachen, Herzensfreude - Gott sei dank - 
und jede Art von christlichem Humor,
hat der Herr bestimmt sein Herz und Ohr.

15 Nerven brauchst du, wenn du lachst
und dabei fast in die Hosen machst.
Sechzig Nerven quälen dich beim Wüten
und über schlimme Qualen Brüten!
Schalk und Frohsinn sagt uns die Natur,
sind die allerbeste Nervenkur!

Drum folg’ dem Spielmann Gottes ganz
und mach’ es wie der heil'ge Franz,
nimm ein Scheit und spiel damit,
Spass gibt dem Leben wieder Kitt!

Aus einer der gereimten Fasnachtspredigten von Hanspeter Betschart