Leere Pflegebetten sind unerwünscht. Sie kosten, auch wenn niemand sie benützt.

Ein Abbau von Pflegebetten ist wahrscheinlich

Der vom Luzerner Stadtrat vorgelegte Planungsbericht Pflegeversorgung ist weitgehend eine Bestandesaufnahme mit der Beschreibung des zukünftigen Bedarfs im stationären, intermediären und ambulanten Pflegesektor der Stadt Luzern.

Von René Regenass (Text und Bild)

Weil es immer wieder ältere Frauen und Männer gibt, die selber oder für Personen im Freundeskreis unterschiedlichen Informationsbedarf haben, sind die Ausführungen zu Angeboten und Bedarf im Planungsbericht von Bedeutung. „Ältere Menschen sowie deren Angehörige sollen über alle Informationen verfügen, welche die Gestaltung eines eigenverantwortlichen Lebens ermöglichen“, heisst die Zielsetzung. Ratsuchende sollen…in der freien Wahl der Leistungsangebote gestärkt werden. Weiter heisst es, das selbstbestimmte Wohnen im Alter soll gezielt gefördert und unterstützt werden – ein grosses Wort, weil die Stadt den Bau von Alterswohnungen den Genossenschaften und privaten Anbietern überlassen will (siehe „Mehr grössere Alterswohnungen notwendig“ unter „Alterspolitik“ auf dieser Webseite).

Information und Beratung
Im Anschluss werden die städtischen Angebote für ältere Menschen im Bereich Information und Beratung beschrieben. Dazu gehören die neu geschaffene Anlaufstelle Alter an der Obergrundstrasse1, das Angebot der präventiven Hausbesuche. Periodisch würden ganze Jahrgänge im höheren Alter angeschrieben und auf das Angebot der Anlaufstelle aufmerksam gemacht. Zu den städtischen Angeboten zählt weiter das Sozial Info Rex neben dem Hotel Anker, die AHV-Zweigstelle im Stadthaus und die KESB an der Pilatusstrasse. Dazu kommen die privaten Leistungserbringer wie die Pro Senectute, Vicino Luzern, Viva Luzern und die Spitex.

Der künftige Bedarf  in der eigentlichen Pflegeversorgung (stationär, intermediär und ambulant) werde von Trends beeinflusst, welche die einfache Hochrechnung auf Grund der Bevölkerungsentwicklung nicht mehr erlaubten. Die meisten älteren Menschen wollen möglichst lange selbstbestimmt zu Hause leben.  Die Folgen davon sind spätere Heimeintritte, was zu Übergangs- und Notfallsituationen führen kann. Dazu kommen die Fallpauschalen in den Spitälern, die zu früheren Austritten und zu einem Aufnahmedruck auf ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen führen.

Ein Überangebot an Pflegebetten
Die Berechnungen des Bedarfs an Pflegeplätzen in der Stadt Luzern im stationären Angebot stützen sich auf die Zahlen des Obsan (Schweizerisches Gesundheitsobservatorium) und auf Studien von Interface. Im Planungsbericht des Stadtrates heisst es dazu, das stationäre Angebot in der Stadt könne bis im Jahr 2025 um rund 200 Plätze reduziert werden. Der Bedarf wird auf 1000 Betten geschätzt. Heute sind es 1342 Betten. Bedingung für den prognostizierten Abbau ist die konsequente Weiterentwicklung der ambulanten und intermediären Angebote (Spitex, Tages- und Nachtstrukturen und Wohnen mit Dienstleistungen).

Hier zeigten die Erfahrungen der Anbieter jedoch ein anderes Bild, heisst es im Planungsbericht weiter. Das Angebot an Tages- und Nachtstrukturen werde zurückhaltend benutzt. Das könne mit den Kosten der Betreuung zusammenhängen, welche die Nutzenden meist selber tragen müssten, oder auch mit dem Wissen um die Angebote.

Ein anderes Bild für die Tages- und Nachtstrukturen zeigt sich bei der Berücksichtigung der Demenzerkrankungen. Wenn der in der kantonalen Versorgungsplanung geschätzte Bedarf  (Betreuung von Demenzkranken an einem bis zwei Tagen pro Woche) auf die Stadt Luzern umgerechnet wird, bräuchte es 100 bis 200 Plätze in Tages- und Nachtstrukturen. Der Bedarf ist somit 7- bis 14mal grösser als aktuell verfügbar (14 Plätze im Roten Faden und Angebote in den Viva- und privaten Heimen, im Bericht als „Nischenprodukte“ bezeichnet).

Wohnen mit Dienstleistungen: Schwierige Prognosen
Wie sich die Nachfrage nach Wohnungen mit Dienstleistungen entwickeln werde, könne „nur ungefähr abgeschätzt werden“, heisst es im Bericht. Das ist wohl sehr konservativ formuliert, weil es ganz aktuell Wohnungssuchende gibt, die nichts Passendes finden. Wenn die Stadt von den Bevölkerungsprognosen ausgeht, bräuchte es im Planungsjahr 2025 rund 360 Wohnungen. Und 329 stehen heute zur Verfügung. Also wäre der zusätzliche Bedarf sehr gering.

Doch es gibt gemäss Planungsbericht auch andere Zahlen. Die Kantone Basel-Stadt und Zug, die über einen hohen Urbanisierungsgrad verfügen (dichtes ÖV-Netz, günstige Preise für Dienstleistungen), bieten 46 und 30 Wohnungen pro 1‘000 Personen über 65 Jahre an. Wenn man diese Zahlen als Richtgrösse nehme, würde es in Luzern im Jahre 2025 680 Wohnungen brauchen, also nahezu das Doppelte wie heute.

Der Handlungsbedarf
Im letzten Teil des Planungsberichtes wird der Handlungsbedarf aufgezeigt. Bei den Alters- und Pflegeheimen in der Stadt Luzern müssten bis 2025 100 bis 300 Plätze abgebaut werden. Im Bericht heisst es dann als Fazit, nach heutigem Wissen könnte der Bedarf ab 2025 wieder ansteigen. Wegen den statistischen Unsicherheiten müsse der Intervall der Planungsberichte verkürzt werden.

Bei den Wohnungen kennen wir die Politik der Stadt. Sie wird im Planungsbericht bestätigt. „Der Ausbau von Wohnungen mit Dienstleistungen kann dem Markt überlassen werden“, heisst es da. Die Aufgabe der Stadt bestehe darin, für einkommensschwache Personen entsprechend günstige Angebote zur Verfügung zu stellen. Zum Handlungsbedarf zählt der Bericht die Finanzierung der Betreuung, weil sie von  den Krankenversicherern nicht mitfinanziert werde und vollständig zu Lasten der Betroffenen gehe. Hier müsse der politische Prozess auf Bundeseben einsetzen, weil die Aufgabe nicht auf Gemeindeebene gelöst werden könne.
René Regenass – 10. Oktober 2018

(Die beiden Vorlagen des Luzerner Stadtrates - Bericht Alterspolitik und Planungsbericht Pflegeversorgung – werden am Vormittag des 25. Oktobers im Grossen Stadtrat beraten. Die Sitzungen sind öffentlich.)

rene.regenass@luzern60plus.ch