Die Seniorin und die Schülerin geniessen den Aufenthalt auf dem Wirzweli und freuen sich über das gemeinsame Erlebnis. 

Eine Brücke zwischen Alt und Jung

In einem einzigartigen Generationenprojekt begleiten die Schüler der Abschlussklassen vom Schulhaus Utenberg die Bewohnerinnen von Viva Luzern Wesemlin und Tribschen in zwei Gruppen auf einem Ausflug: ein Erlebnis und ein Gewinn für beide Seiten. 

Von Monika Fischer (Text und Bilder) 

​Kurz vor Abschluss des Schuljahres warten die 24 Schülerinnen und Schüler der 3. Oberstufe vom Schulhaus Utenberg im Saal des Betagtenzentrums von Viva Luzern Wesemlin gespannt auf das, was auf sie zukommt. Einige sind unsicher, ob sie die Aufgabe bewältigen können. Ein Jugendlicher hat Übung im Umgang mit alten Menschen, die Grosseltern hatten bis zu ihrem Tod mit der Familie gewohnt. Sportlehrer Martin Arnet ist erstmals als Begleitperson dabei, es ist aber die sechste Durchführung des Projekts. Er berichtet: «Es gibt immer gute Rückmeldungen, es sei ein extrem schöner Anlass. Die Schülerinnen und Schüler machen es enorm gut, übernehmen Verantwortung und sind sehr fürsorglich.» 

Kontakte zwischen den Generationen knüpfen
«Schön, dass ihr da seid und die verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen werdet, eine betagte Person auf einem Ausflug zu begleiten», heisst Betriebsleiterin Doris Fankhauser Vogel die Gäste willkommen. Sie erklärt: «Die betagten Menschen brauchen eine Begleitung, weil sie teilweise nicht mehr gut gehen, hören und sehen oder auch desorientiert sind. Sie freuen sich auf den Austausch mit jungen Menschen und erzählen gerne.» Selim Krasniqi, Leitung Betreuung und Pflege, stellt den Ablauf vor und motiviert die Jugendlichen mit den Worten: «Wir glauben an eure Stärke und an eure Ressourcen. Ihr seid nicht allein. Es kommt auch ein Pflegeteam mit auf die Reise, das euch hilft und unterstützt.»

Die Jugendlichen werden im Betagtenzentrum begrüsst und instruiert.

Jeder Schüler, jede Schülerin bekommt einen Zettel mit dem Namen und der Zimmernummer der zu begleitenden Person. Notiert ist auch, ob diese zu Fuss, mit dem Rollator oder Rollstuhl unterwegs ist. Während sich die Jugendlichen auf den Weg machen, um die BewohnerInnen abzuholen, sind drei grosse Cars vorgefahren. Ob das alles klappen wird, braucht es doch eine unglaubliche Organisation, bis alle 90 Personen ihren Platz im Bus gefunden haben?

Schon fährt eine Frau im Rollstuhl herbei, sie kann es kaum erwarten, bis die Reise losgeht und sagt: «Ich freue mich enorm, endlich wieder einmal aus dem Quartier herauszukommen.» Nach und nach treffen die Zweiergruppen ein. Ein grossgewachsener Jugendlicher führt eine zierliche alte Frau am Arm. Sie ist sichtlich stolz auf den jungen Begleiter. Eine andere Bewohnerin ist bereits in ein Gespräch mit der Schülerin vertieft.

Wenn Engel reisen
Endlich kanns losgehen, ein Bus nach dem andern fährt ab. Auf der Fahrt durch die Stadt zeigt ein Senior, wo er aufgewachsen und zur Schule gegangen ist. Die junge Begleiterin hört aufmerksam zu und fragt nach. Auf dem Weg ins Engelbergertal wird der Regen immer stärker. Wie ein Wunder hört er auf und die Sonne dringt durch die Wolken, als die Cars auf den Parkplatz der Wirzwelibahn einbiegen. Die Pflegenden helfen beim Aussteigen und Umsteigen in die Rollstühle und in die Kabine der Seilbahn. Eine Bewohnerin kann es kaum fassen, wieder einmal in einem Bähnli zu sitzen. Mit freudigem Staunen blickt sie aus dem Fenster. Auf dem Wirzweli angekommen, bewegt sich eine lange Kolonne auf dem kurzen Weg hinauf zum Restaurant. «Joholidu!» ertönt der laute Juchzer einer Seniorin. Eine andere pfeift durch die Finger. Eine Frau im Rollstuhl beginnt «Lustig ist das Zigeunerleben» zu singen. Andere bestaunen den grossen Kinderspielplatz und die auf der Wiese weidenden Pferde. «Ich bin sehr häufig geritten früher», erzählt die Seniorin. «Oh, ich erst einmal», staunt die Schülerin.

Es entwickeln sich interessante Gespräche zwischen den Generationen.

Ein tolles Erlebnis
An den Tischen im Restaurant sind manche in ein Gespräch vertieft, andere sitzen still da. Ein Senior versteht nicht, warum plötzlich ein Dessert vor ihm steht. «Ich habe doch gar nichts bestellt», meint er, was den Schüler etwas irritiert. Eine Frau erzählt von den Wanderungen, die sie in der Region mit ihrem Mann gemacht hat, eine andere von ihren Kindern und Enkelkindern, weiss jedoch nicht mehr, wie sie heute heisst. Die Jugendliche nimmt es zur Kenntnis: «Ich finde es spannend und habe gerne Kontakt mit alten Menschen.» Ein Schüler meint: «Es kann aber auch schwierig sein, wenn ich gerne reden möchte, die zu betreuende Person aber keine Antwort gibt.» Eine Kollegin strahlt: «Ich plante eine Ausbildung zur FaGe. Dieser Tag ist für mich die Bestätigung, dass es die richtige Wahl ist.»

Auch die Rückreise klappt reibungslos. Nach der Ankunft im «Wesemlin» bringen die Jugendlichen die Bewohnenden in ihre Zimmer, wo sie sich verabschieden. Bei der Auswertung sammelt Selim Krasniqi die Eindrücke: «Es war schön, es war lustig, es gab gute Gespräche. Die Stimmung im Bus war zuerst komisch, dank dem gutem Team bekam ich Antwort auf meine Fragen. Es war ein schöner Nachmittag, ein tolles Erlebnis. Es war interessant, meine Begleiterin hat viele Geschichten erzählt.» Die allermeisten Schülerinnen und Schüler äussern sich positiv über das einmalige Erlebnis. Ein Schüler bedauert, dass er mit seinem Begleiter nicht sprechen konnte und meint: «Wir müssten mehr wissen über die alten Menschen, warum sie so sind, damit man damit umgehen kann.» Ein anderer wünscht: «Wir müsste länger Kontakt haben mit den zu betreuenden Personen und vielleicht schon im Zimmer ins Gespräch kommen.»

Der Ausflug macht sichtlich Alt und Jung Spass.

Lebenswert, auch im hohen Alter
Beeindruckt von den tollen Rückmeldungen freut sich Doris Fankhauser: «Mit eurer Begleitung habt ihr einen Boden gelegt, auf dem sich etwas weiterentwickeln kann. Vergesst nicht: Diese alten Menschen haben sehr viel für euch gemacht!» Sie dankt ihnen und dem ganzen Team für die enorme Arbeit und insbesondere Selim Krasniqi, der das Projekt mit viel Herzblut entwickelt hat.

Es ist ein Anliegen der Betriebsleiterin, das überzeugende Projekt auch in Zukunft durchzuführen mit dem Ziel, verschiedene Generationen zusammenbringen, den Schülerinnen und Schülern in einer Zeit des Fachkräftemangels verschiedene Berufe in einer Institution erfahrbar zu machen und sie vielleicht dafür zu gewinnen. Sie betont die Bedeutung des Kontaktes zwischen jungen und hochaltrigen Menschen: «Letztere sind in der Gesellschaft häufig nicht mehr sichtbar. Deshalb möchten wir zeigen, dass das Leben auch mit 95 noch lebenswert und lebensfroh sein kann.» 

30. September 2022 – monika.fischer@luzern60plus.ch