Grosspapi Joseph und Enkel Juri beim Würste braten.

Enkel-Grosseltern – die starke Bindung fürs Leben

Von Enkeln und Grosseltern. Darüber liesse sich manche Erzählung schreiben. Im Zentrum wohl meist Verzückung, Stolz und Freude. Doch die naturgegebene familiäre Beziehung wirft auch berechtigte Fragen auf.Von Eva Holz (Text) und Rahel Schmidiger (Bild)

«Wir wären bereit.» So lautet der kleine Running Gag zwischen meinem Mann und mir, wenn wir wieder mal Menschen in fortgeschrittenem Alter voller Seligkeit einen Kinderwagen durch die Gegend schieben sehen. Unsere Söhne sind 32 und 30, beide seit Jahren in festen Händen und beruflich solide aufgestellt. Heirat und Familienplanung schweben zwar irgendwo in der Luft, aber bis wir zu Grosseltern gekürt werden, könnte es noch etwas dauern. Wenn es überhaupt so weit kommt. Wer hat schon die Gewissheit? Näher als die eigenen Enkel erscheint uns deshalb die Zeit, als unsere Kinder ihre Grossmütter und Grossväter geniessen durften. Und dies taten sie intensiv. Die zwei Paare übernahmen alternierend einen Tag pro Woche die Betreuung der damaligen Kleinkinder, dann und wann durften die Buben sogar mit in die Ferien. Obwohl Fotoalben freilich ein Abbild von Schönwetterprogrammen sind, wird beim Revuepassieren doch deutlich, wie innig diese Enkel-Grosseltern-Beziehungen sind. Auch heute, da nur noch die über 90-jährigen Grossmütter leben, sind gegenseitige Vertrautheit unverkennbar zu spüren.

Interesse besser als Geldgeschenke

Studien belegen, dass Enkel ihre Grosseltern besonders lieben, wenn Letztere ihnen zuhören, sie wertschätzen und ihnen aus der Familiengeschichte erzählen. Ebenso klar ist, dass gemeinsam verbrachte Zeit und unterstützendes Interesse weit glücklicher machen als Geldgeschenke. Das bestätigt der 25-jährige Dominik: «Die Besuche bei meiner Grossmutter väterlicherseits sind immer wie eine Geschichtslektion über unsere Familie. Man kann zum Beispiel darüber sprechen, wie die eigenen Eltern früher waren», schmunzelt er. «Seit ich denken kann, sind meine Grosseltern für mich Vorbilder, denn sie haben eine Familie geschaffen, in der ich mit viel Liebe aufwachsen durfte. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar», betont der Medizinstudent. Dass die Grosseltern mütterlicherseits nicht mehr leben, bedauert er: «Ich wüsste gerne, was sie über aktuelle Geschehnissen in meinem Leben zu sagen hätten. Als Kind geniesst man seine Grosseltern auf spezielle Weise, aber es gibt Dinge, über die ich erst jetzt mit ihnen sprechen könnte und wollte.»

Geografisch grosse Distanzen müssen nicht hinderlich sein für ein intaktes Enkel-Grosseltern-Verhältnis. Das weiss unter anderem ein Ehepaar, welches den Austausch mit seinen kleinen Grosskindern in Kalifornien nur per Videochat und Fotos pflegen kann. Der 24-jährige Alex kennt eine ähnliche Situation: «Meine Grosseltern mütterlicherseits wohnen in Passau, Bayern, weshalb wir uns nur etwa zweimal jährlich sehen. Seit meiner Kindheit pflegen wir aber die Tradition, uns einmal pro Woche im sogenannten Sonntagsanruf auszutauschen. «Beim seltenen Besuch in Passau dreht sich dann eigentlich fast alles ums Essen und Trinken, und das ist gut so. Denn viel Zeit zusammen in der Küche und am Tisch aufzuwenden, heisst viel Zeit miteinander zu verbringen.»

Thema Hüten – ein explosives Feld

Mitunter stellen die Enkel Vergleiche an zwischen den Grosseltern-Paaren. Dann tönt es beispielsweise so: «Beim andern Grossmami dürfen wir viel länger fernsehen!» Die neunfache Grossmutter Monika Fischer hat damit Erfahrung: «Eine Zeitlang konfrontierten mich meine Enkelinnen mit solchen und ähnlichen Aussagen.» Meist sei sie standhaft geblieben, «doch manchmal war ich versucht, dem Drängen nachzugeben.» Sie habe sich gefragt: Gefällt es ihnen besser bei den andern Grosseltern? Bin ich gar eifersüchtig? «Irgendwann hörte das Vergleichen auf. Die Kinder hatten sich wohl an die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Lebensweisen gewöhnt.» 

Wer über die Grosseltern-Enkel-Bindung spricht, landet unweigerlich beim Thema Betreuung. Was ist richtig: Regelmässig den Einsatz übernehmen oder keine Verpflichtung eingehen? Die Meinungen sind geteilt, in Diskussionen zeichnen sich in der Regel zwei Lager ab. Mehr dazu lesen Sie im Interview mit der Psychologin, Gerontologin und Schriftstellerin Dagmar Schifferli. Und was meint Pasqualina Perrig-Chiello, emeritierte Generationenforscherin zur heutigen Hüte-Situation?  «Vorwiegend Frauen befinden sich in einem Dilemma. Sie sind oft extrem eingespannt, haben einen Beruf, pflegen vielleicht noch ihre betagten Eltern, haben Partner, Kinder – und nun kommen die Grosskinder dazu.» Perrig-Chiello setzt sich für ein neues Bild der Grossmutter ein, denn heutige Omas würden sich für ihre Nachkommen bewusst Zeit nehmen. Dadurch seien sie Garantinnen für das Wohlergehen von Familie und Gesellschaft – «und zwar von hohem ökonomischen Wert. Zusammen mit motivierten Grossvätern packen sie beim Hüten mit an, weil es ihnen Freude macht.» Andererseits sei ihr Einsatz auch notwendig. Das zeigen ihre eigenen Untersuchungen: «Noch immer fehlen in gewissen Regionen Krippenplätze und die vorhandenen sind teuer.» Sie stört sich daran, dass der Einsatz von Grosseltern als selbstverständlich angesehen wird. Die Forscherin ist deshalb überzeugt, dass diese Leistung nicht länger als eine rein private Angelegenheit angesehen werden darf und in geeigneter Form entschädigt werden muss.

Gut planen und geniessen

Esther Kälin-Plézer (67), bald dreifache Grossmutter, gehört zu jenen, die sich nicht zum fixen Einsatz verpflichten wollen, ihren Enkeln aber gleichwohl sehr nahe steht. «Ich habe meiner Tochter und meinem Schwiegersohn schon während den Schwangerschaften klar gesagt, dass ich nicht regelmässig hüten werde, zumal ich zunächst noch berufstätig war. Das haben beide ohne weiteres so akzeptiert und sich entsprechend organisiert. Allerdings bin ich bei Betreuungsengpässen gerne mal eingesprungen.»

Die mittlerweile Pensionierte ist vor kurzem in denselben Ort gezogen, in dem ihre Tochter mit Familie wohnt. «Ich sehe jetzt alle regelmässig mehrmals in der Woche, aber immer noch ohne fixen Betreuungstag.» Die Jungs im Vorschulalter fahre sie zu den sportlichen Aktivitäten oder hüte sie, wenn die Tochter einen Termin hat. «Manchmal kommen sie auch für zwei bis drei Stunden zu mir und beschäftigen sich mit den ehemaligen Spielsachen ihrer Mutter.» Wichtig sei, alle Termine zu planen und auch Nein sagen zu können, wenn es nicht passt. Die glückliche Grossmutter: «Es ist wunderbar und ein Privileg, dass die Buben mich als Teil ihrer Familie sehen. Sie freuen sich, wenn sie mich sehen und zeigen mir ihre Liebe.»

23.8.2021 – eva.holz@luzern60plus.ch

Dieser Beitrag ist in der August-Ausgabe des Magazins «active&live» erschienen.