
An der Finissage der Sensibilisierungskampagne «Das hohe Alter» des Forums Luzern60plus warf eine Gesprächsrunde mit Regierungsrätin Michaela Tschuor einen philosophischen Blick auf diese Lebensphase.
Entscheidend ist die eigene Haltung
Die städtische Kampagne «Das hohe Alter» ist Geschichte. An der letzten Veranstaltung warfen die Anwesenden einen philosophischen Blick auf das Thema Hochaltrigkeit.Von Monika Fischer (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)
Der bis auf den letzten Platz besetzt Marianische Saal an der Finissage vom 14. Mai 2025 zeigte: Die Sensibilisierungskampagne «Das hohe Alter» mit einem Porträtbuch, einer Plakataktion auf öffentlichen Plätzen und fünf Veranstaltungen war ein grosser Erfolg. Heidy Steffen, die das Projekt mit einer Gruppe des Forums60plus und Fachleuten organisiert und durchgeführt hatte, freute sich über die erreichte Zielsetzung: «Die Gesellschaft tendiert dazu, Alter und Hochaltrigkeit mit Gebrechlichkeit, Hilflosigkeit und hohen Kosten zu verbinden. Dem wollten wir etwas entgegensetzen und mit positiven Altersbildern zeigen, dass alte und hochaltrige Menschen viel erlebt und geleistet haben, ein Gewinn und somit weiterhin ein wichtiger Teil der Gesellschaft sind.»
Unter der Leitung der Philosophin Heidi Pfäffli warf die Gesprächsrunde mit Lili Fischer (93), Pietro Abt (82) und Regierungsrätin Michaela Tschuor einen philosophischen Blick aufs Alter. Angeregt wurde die Diskussion durch die von der Schauspielerin Silvia Planzer vorgelesenen Gedanken zum Alter verschiedener Philosophen und einer Philosophin.
Wie man in den Wald ruft ...
Von den Menschen im Greisenalter müssten wir lernen, da sie den Weg schon gegangen seien, hatte schon Platon im Gespräch mit Sokrates angeregt. «Doch ist heute im hohen Alter ein würdiges Leben noch möglich oder eher eine Last?», fragte die Philosophin. Für die 93-jährige Lili Fischer kann es sehr schön sein, wenn man das, was man nicht mehr machen kann, mit anderem ausgleicht. Dazu gebe es viele Möglichkeiten. «Ich bin privilegiert, lebe allein in meiner Wohnung und bin zufrieden, wie es ist», sagte sie.
«Beim Blick in den Spiegel sehe ich einen alten Mann. Im Gespräch mit anderen Menschen bin ich alterslos», sagte Pietro Abt, 82. Ähnlich habe er es beim Malen in einem Club erlebt. Er wünscht sich, von jungen Menschen grosszügig und tolerant behandelt zu werden, was allerdings auch von der eigenen Haltung abhängig sei gemäss dem Sprichwort: «Wie man in den Wald ruft, tönt es zurück.» Er betonte: «Wir allein bestimmen, wie ein Gespräch abläuft.»
Lili Fischer berichtete von ihren guten Erfahrungen im Umgang mit jungen Müttern, und Michaela Tschuor erzählte von den Familienferien mit der Schwiegermutter. Die Tochter störte sich zunächst an deren offenem Umgang mit anderen Gästen im Hotel. Dies änderte sich, nachdem sie den Jugendlichen aufgezeigt hatten, dass alte Menschen das Recht haben, sich auch unüblich zu verhalten, da sie keine Rücksichten mehr nehmen müssten.
Keine Diskriminierung dulden
Wie steht es mit Erfahrungen, von Nichtbeachtung wegen des Alters oder gar um Altersdiskriminierung? Lili Fischer berichtete, wie sie nach der Anmeldung für eine Reise einen Anruf bekam, man könne sie nicht mitnehmen, mit 90 sei sie zu alt. «Ich verstand die Welt nicht mehr», sagte sie, und erzählte witzig, wie ihr der Sohn ein Hotel reserviert und sie die Reise eben allein gemacht hatte. «Ich kann doch bestimmen, wie andere mit mir umgehen und auf meinem Recht beharren», sagte Pietro Abt.
Für die Regierungsrätin ist es Gift, wenn hohe Lebenskosten oder fehlende Wohnungen auf die Demografie zurückgeführt werden. Dagegen müsse man sich wehren. Sie betonte die Bedeutung einer entsprechenden Haltung der Gesellschaft: «Wir dürfen Diskriminierung auf keinen Fall tolerieren, weder in der Alters- noch in der Behindertenpolitik.» Es gebe manche Themen wie zum Beispiel die Zugänglichkeit zu Gebäuden, die beide Gruppen betreffen. Es gehe darum, nicht über, sondern mit den Betroffenen zu diskutieren, was gegen Diskriminierung gemacht werden kann.
Ebenso zeigte Michaela Tschuor auf, wie viel in den letzten fünfzig Jahren im Hinblick auf eine bessere Lebensqualität der Menschen im Alter, die länger fit und selbstbestimmt seien, gemacht worden war. Dem trage die Politik zum Beispiel bei Pflegebedarf mit der Strategie «ambulant vor stationär» durch den Aufbau nötiger Dienstleistungen Rechnung, sodass Menschen erst in der allerletzten Lebensphase in ein Pflegeheim eintreten müssen. Entgegen der Forderung von Simone de Beauvoir nach einer Gesellschaft, in der das Alter gar nicht existiert, betonte sie die Bedeutung der verschiedenen Lebensphasen mit ihrer spezifischen Bedeutung für die Gesellschaft gemäss Cicero, jedem Abschnitt des Lebens sei seine Zeit gegeben, etwas Nützliches zu machen.
Gut leben bis zuletzt
Angesichts des aktuellen Trends, die Langlebigkeit mit allen Mitteln zu fördern, drehte sich das Gespräch um den Umgang mit der Endlichkeit und um Lebenskunst bis hin zum guten Sterben. Lili Fischer möchte sich, wenn die Zeit gekommen ist, hinlegen und das Sterben willkommen heissen. Doch befürchtet sie, am Lebensende in eine Maschinerie des Spitals zu geraten.
Pietro Abt erzählte, wie er sich als mündiger Patient dagegen gewehrt hatte, als man ihn nach einem Kreislaufkollaps ins Spital bringen wollte. Mit seiner Unterschrift konnte er dies im Bewusstsein um das mögliche Risiko verhindern. Er erzählte, wie er schon zweimal an der betreffenden Schwelle des Übergangs gestanden sei und keine Angst empfunden hatte, was ihn überraschte.
Angesichts unserer technisierten Welt mit der hochspezialisierten Medizin und Technik verwies Michaela Tschuor auf die Bewegung der Palliation, die einen Abschied in Würde und ein gutes Sterben ermögliche. Dabei gehe es ums Leben, um ein gutes Leben bis zuletzt, wie sie es selbst miterlebt hatte, zeigte Heidi Pfäffli auf. Regierungsrätin Tschuor bezeichnete die hochaltrigen Menschen als Botschafterinnen und Botschafter der älteren Generation und wünschte ihnen im Bewusstsein um das Lebensende ein genussvolles Leben.
In Pausen zwischen dem Gespräch hatte der Musiker Albin Brun die Gedanken aufgenommen und auf dem Schwyzerörgeli musikalisch ausgedrückt, was Worte nicht zu sagen vermögen. Seine fröhlich-beschwingten Klänge entliessen die Besucherinnen und Besucher in den Frühsommerabend.
18. Mai 2025 – monika.fischer@luzern60plus.ch