Beziehungen im Alter (2): Der grosse Altersunterschied - ein Problem?

„Die Rollen haben sich total verschoben"

Von Hans Beat Achermann (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)

Wie lebt es sich als Paar, wenn der Mann bereits seit fünf Jahren pensioniert ist und seine Partnerin noch ein paar Jahre im Berufsleben steht? 13 Jahre trennen Ueli Hunkeler (70) und Magda Troxler (57). Doch darüber hinaus haben sie sehr viel Verbindendes.

Ein Altweibersommertag Ende September. Die Sonne brennt nochmals auf die Terrasse der Wohnung unterhalb des Schulhauses Gabeldingen. Vom Herbst des Lebens wird keine Rede sein, auch von „alten Weibern" nicht, denn mir gegenüber sitzt ein lebenslustiges und unternehmungsfreudiges  Paar. Der kleine Unterschied ist neben dem Geschlecht das Alter, und das ergibt dann auch gleich die erste Pointe: Magda Troxler wandelt den Serientitel „Beziehungen im Alter" gleich lachend ab in „Beziehung mit einem Alten". Als sie sich vor 25 Jahren kennen lernten, sei sie schon erschrocken, als Ueli sein Alter nannte: 45. Denn sie schätzte ihn wesentlich jünger. Der Altersunterschied war aber schnell kein Thema mehr, die Liebe liess die Jahre zusammenschmelzen und die gemeinsamen Interessen wogen schwerer. Auch im Familien- und Freundeskreis war das nie ein Thema.

Zwischen Kindern, Grosskindern und Eltern

„Der Altersunterschied ist mir erst 20 Jahre später wieder bewusst geworden, als Ueli pensioniert wurde",  erzählt Magda Troxler: „Die Rollen haben sich seither total verschoben."  Als er noch in Zürich als Leiter einer Höheren Fachschule für Tourismus gearbeitet hatte, war sie viel mehr zuhause und weitgehend für den Haushalt zuständig sowie für die beiden Kinder aus einer früheren Beziehung. Jetzt ist Ueli viel mehr zuhause, hat die Hausarbeit weitgehend übernommen. Magda arbeitet 70 Prozent als Heilpädagogin in Sarnen und ist auch noch ausserberuflich stark engagiert, so als Saxofonspielerin und Sängerin bei der Balkanband „Mariecholler" und sie pflegt den Garten. Dann ist sie auch noch zweifache Grossmutter und hat noch ihre Eltern, die beide über 90 sind. Auch Uelis Mutter lebt noch, 97jährig, im VIVA Eichhof. „Ich habe noch nie so viel gearbeitet im Leben wie zurzeit", sagt Magda, während Ueli noch nie so viel Freizeit hatte. Zwar ist er ab und zu als Statist auf der Bühne des Luzerner Theaters zu sehen, auch in der Organisation des „Markplatzes Luzern60plus" und bei der Planung des „Zwischenhalts", des städtischen Anlasses für die Neupensionierten, engagiert, und ab und zu organisiert er Reisen für den Freundeskreis, doch das sind eher kleine Aufgaben im Freiwilligenbereich.

„Wir müssen mehr planen"

War der Übergang in die Pension ein Problem? „Ein Problem nicht", antwortet Magda, „was die neuen Rollen betrifft. Wir mussten nicht viel aushandeln und beziehungsbedrohend war es auch nicht", betonen beide lachend. Kleine Diskussionen gäbe es immer wieder, so wie es sie auch in Beziehungen ohne grossen Altersunterschied gebe. Etwas anderes wirkte sich stärker auf die Beziehung aus. „Ich verspüre seither mehr Druck an meinen freien Tagen. Ich fühle mich nicht mehr so frei, weil die Erwartung an gemeinsame Unternehmungen grösser geworden ist. Wir müssen mehr planen, damit ich meine Bedürfnisse leben kann", sagt Magda Troxler. Dazu gehören auch Grosskinder hüten und Elternbesuche, aber auch das Bedürfnis, ab und zu allein zu sein oder eigene Freundschaften pflegen.

Wie ist es für Ueli, mit einer wesentlich jüngeren Partnerin zusammenzuleben? „Der Altersunterschied spielte für mich am Anfang des Zusammenlebens keine grosse Rolle. Wir haben in meiner Erinnerung wenig darüber gesprochen", antwortet Ueli. Einschneidender sei gewesen, dass Magda zwei Kinder im schulpflichtigen Alter hatte, die teilweise bei ihnen wohnten und mit denen sie auch in die Ferien fuhren. „Das war zugegebenermassen eine Herausforderung, neben der Bereicherung. Heute geniesse ich meine Rolle als Quasi-Grossvater und bin sehr dankbar für diese Erfahrung."

„Ueli kommt mir auch jetzt nicht vor wie 70", sagt Magda. Denn auch physisch ist Ueli topfit. Diesen Frühsommer fuhr er mit dem Fahrrad von Genf nach Lissabon, während der Sommerferien radelten Magda und Ueli in Schottland und auf den Hebriden. „Es war streng, aber Ueli ist mir sportlich immer noch überlegen", konstatiert Magda. Ueli will festhalten, „dass ich mich nicht fordere, um jung zu sein". Es mache einfach immer noch Spass. Er ist in seinem Leben viel gereist, als Reiseleiter beruflich mit Gruppen, mit Freunden, alleine und in den Schulferien mit Magda. Und Letzteres soll so weitergehen, auch wenn die Pläne kurzfristiger gemacht werden.

„Wir wissen: Wir können es gut miteinander"

Dass sich das Leben und die Pläne schlagartig verändern können, erlebte Ueli, als er bei einem Velounfall einen Bänderriss in den Schultern erlitt. „Jetzt siehst du so alt aus, wie du bist", sagte ein Kollege zu ihm. Die Bänder halten wieder, und Ueli sieht wieder jünger aus, als er ist, und er ist oft mit dem Velo oder zu Fuss in den Bergen unterwegs. Der Unfall hat aber auch Magda nachdenklich werden lassen. Wie wäre es gewesen, wenn plötzlich die Mobilität eingeschränkt geworden wäre? Denn das Reisen, das Radfahren, das Wandern verbindet die beiden stark, und sie möchten das auch weiterpflegen, wenn Magda einmal pensioniert sein wird. Ueli wünscht sich, „dass Magda sich pensionieren lässt, solange wir noch zusammen etwas unternehmen können. Denn wir wissen, dass wir es gut können miteinander, auch wenn wir zu zweit unterwegs sind."  Auch kulturelle und soziale Interessen und Aktivitäten gehören zu den Gemeinsamkeiten: Lesen, Musik hören, den Freundeskreis pflegen.

Generationenübergreifender Freundeskreis

Doch vorläufig muss Magda noch arbeiten, aus finanziellen Gründen. Zwar liebt sie ihre Arbeit sehr, „den interessanten Job mit den Kindern und in einem wunderbaren Team", trotzdem freut sie sich bereits jetzt auf die Pensionierung: „Ich habe  – auch aus Uelis Freundeskreis – so viele Pensionierte mit viel freier Zeit um mich, die ich darum beneide, so dass ich gerne diese Freiheit auch geniessen möchte." In drei bis maximal fünf Jahren, so hofft sie, werde es soweit sein. Doch nicht nur Ältere gehören zum Freundeskreis, dank Magda sind viele Freunde und Bekannte noch unter 60. Das mache es spannend, neben der Familie, die vier Generationen umfasst, auch einen generationenübergreifenden Freundeskreis zu haben.

Wie sehen sie das Älterwerden mit 13 Jahre Altersunterschied?  Die Unterschiede sind auch in der jetzigen Lebensphase, so zeigt das Gespräch, trotz des Altersunterschieds nicht grösser, sondern anders geworden. „Heute sprechen wir mehr vom Altersunterschied als früher", stellt Ueli fest. Ein planbarer Übergang wird die Pensionierung von Magda sein. Nicht planbar sind gesundheitliche Einschränkungen. Magda und Ueli sind sich bewusst, dass es in den nächsten zehn Jahren „kaum so weitergehen wird, wie es in den letzten zehn oder zwanzig Jahren war". Der Gedanke erschrecke sie manchmal schon. Vielleicht müssen sie irgendwann auch die Wohnsituation überdenken, wenn Ueli nicht mehr mit dem Velo an den Sonnenberg hinauffahren kann oder wenn das Treppensteigen in der Wohnung beschwerlich wird. Vorsorglich sind sie bei zwei Wohnbaugenossenschaften angemeldet. Aber vorläufig gilt: „Wir machen weiter, bis es nicht mehr geht."  Uelis Mutter und und Magdas Eltern machen es vor: Es kann noch lange weitergehen. Die beiden Mütter sind übrigens beide Appenzellerinnen, die eine Ausserrhoderin, Magdas Mutter Innerrhoderin. Ein kleiner grosser Unterschied, auch konfessionell. Doch sie verstehen einander blendend. Wie Ueli und Magda – trotz dem kleinen grossen Altersunterschied. - 29.10.2018
hansbeat.achermann@stadtluzern.ch

Die bisher erschienenen Beiträge zur Serie "Beziehungen im Alter" sind nachzulesen im Dossier Lebensfragen.

Grosser Altersunterschied (2)

Magda Troxler (57) und Ueli Hunkeler (70) leben ihre Beziehung seit 25 Jahren. Magda hat zwei erwachsene Kinder im Alter von 34 und 32 Jahren. Sie ist Grossmutter der zwei Kinder ihrer Tochter. Nach einer Ausbildung zur Kindergärtnerin gründete sie eine Spielgruppe und führte über 20 Jahre lang ihre eigene Schwimmschule. Später liess sie sich zur Lerntherapeutin ausbilden. Nach einer Weiterbildung an der PH Luzern arbeitet sie heute als Heilpädagogin für integrierte Förderung an der Schule Sarnen. Ueli Hunkeler besuchte das Lehrerseminar und erwarb zusätzlich das Diplom als Heilpädagoge. Er unterrichtete als Sonderschullehrer im Jugendheim Schachen und in Kriens. Nach zehn Jahren im Schuldienst ging er auf Reisen und verdiente sein Geld als Reiseleiter und als Reisebüroangestellter. Nach dem Lehrgang zum Tourismusfachmann HF engagierte er sich in der Tourismusausbildung, zuletzt als Leiter einer Höheren Fachschule für Tourismus. Vor fünf Jahren wurde er pensioniert.