Kolumnist und Regisseur Buschi Luginbühl. Bild: Joseph Schmidiger

Erinnerungen an Josef Elias

Von Buschi Luginbühl

«Jede Geschichte, die wir über uns erzählen, kann nur in der Vergangenheit erzählt werden. Wir sind nicht mehr ihre Akteure, sondern ihre Zuschauer.» (Siri Hustvedt)

So schaue ich denn heute zurück auf eine Persönlichkeit, die viele Menschen geprägt hat – und doch selber aus dem kulturellen Bewusstsein unserer Gesellschaft verschwunden ist. Ich meine Josef Elias, den grossen Pionier des Schultheaters, anerkannt und geschätzt weit über die Schweizer Grenzen hinaus. Am 30. Juli 2023 war sein hundertster Geburtstag und unsere Medien fanden dies nicht den kleinsten Hinweis wert. Wenn ich daran denke, was uns tagtäglich alles als «Ereignis» präsentiert wird.

Wie auch immer… Es war wieder einmal ein «Erinnerst du dich noch?»-Erlebnis, das dazu geführt hat, mich ein bisschen näher mit Eli, wie er genannt wurde, zu befassen. Ich hatte Freunde in Italien besucht und irgendwann landeten wir beim Lehrerseminar Hitzkirch, beim damaligen Zeichnungslehrer, einem Eigenbrötler, vielfach unzugänglich, aber auf der anderen Seite unheimlich animierend, im Unterricht, aber auch weit darüber hinaus. Wenn ich mit damaligen Schülerinnen und Schüler rede, so höre ich einstimmig, dass sie Josef Elias vieles zu verdanken hätten. Ich selber war ja nicht im Lehrerseminar, sondern habe Eli durch das Theater kennengelernt. Es waren vor allem zwei Begegnungen. Die eine als 15-jähriger Bursche, die andere als Spieler bei den Weinmarktspielen.

1957 fand in Luzern die sogenannte «Rotary Convention» statt, ein riesiger internationaler Kongress. Die damalige Festhalle auf der Allmend wurde in ein Theater umgebaut, mit einer grossen zentralen Bühne. Da wurden zwei Festspiele aufgeführt, die noch der 1956 verstorbene Oskar Eberle konzipiert hatte und die dann unter anderen von Josef Elias und Bice Scheitlin, Luzerns grosser «Dame du Ballet», realisiert wurden. Wir mussten einfach im richtigen Moment am richtigen Ort stehen, also mit Theaterspielen hatte dies wenig zu tun. Im Gegensatz zu den Weinmarktspielen. Josef Elias inszenierte 1978, nebst Salats «Der verlorene Sohn» und Bletz’ «Der Wunderdoktor», im Rahmen der IMF und der 800-Jahr-Feier der Stadt drei Szenen aus dem alten Osterspiel, Gast war Margrit Winter, die ich dort kennenlernte und mit der ich dann fast zwanzig Jahre lang auf der Bühne stand. Ich spielte im «Wunderdoktor» mit, und ich erinnere mit an eine grossartige Probenzeit im damaligen Saal der geschichtsträchtigen «Metzgere». Eli war ein Meister in Sachen «Improvisation», was ja auch eines seiner Hauptelemente in seinen Schultheaterarbeiten war. Lustvoll ausprobieren war seine These, und er war einer derjenigen, der diesen Prozess dann auch zu einem gültigen Resultat führen konnte.

1972 wurde seine vielfältige Theaterarbeit mit dem Kunstpreis der Stadt Luzern gewürdigt, zu einer Zeit, als er bereits nach Zürich «ausgewandert» war. Die Laudatio hielt damals Charles Lang, einer seiner ehemaligen Schüler, der vor allem als Choreograph für Fechtszenen international gefragt war. Er meinte unter anderem, «dass es mutig ist, in einer Zeit, da man von einer Theaterkrise spricht, den Kunstpreis einem Mann zuzuerkennen, der sich durch seinen Mut zum Experimentieren auszeichnet». Tönt doch irgendwie vertraut…

Elias war wirklich ein Erneuerer, der die These vertrat: Das Neue aus dem Bestehenden schöpfen. Auf die Frage, was er denn dazu vorschlagen würde, meinte er unter anderem: «Wann nehmen zum Beispiel die Totentanzfiguren aus den Giebeldreieckstafeln der Spreuerbrücke körperhafte Gestalten an, um – das eher laue kulturelle Nachtleben der Leuchtenstadt stimulierend – die Fremden in einer Art Stationentheater über die rauschende Reuss zu führen?» Lebendig wurden sie durch ihn 1993 in Sempach auf dem Kirchbühl: eine unvergessliche Inszenierung. Dass Eli zum Tod ein spezielles Verhältnis hatte, zeigt sich in seiner Todesanzeige vom August 2000. Er, der sich Lehrer und Bühnenarbeiter nennt, schreibt: «Er trieb den Tod oft zu Grimassen; jetzt muss er selber Haare lassen, (den Rest von den wenigen!); nun tanzt er mit den Seligen.»

27. August 2023 – buschi.luginbuehl@luzern60plus.ch


Zur Person
Buschi Luginbühl, Jahrgang 1942, ist in Kriens geboren und aufgewachsen. Nach der Weiterbildung als Architekt tätig. 1978 beruflicher Neubeginn. Zweijährige Stage bei Schweizer Radio DRS, dann freischaffender Regisseur für Hörspiel und Satire. Schauspielausbildung, Engagements im In- und Ausland. 30 Jahre zusammen mit Franziska Kohlund Leiter der freien Theatertruppe «Il Soggetto» (u. a. mit Margrit Winter, Erwin Kohlund und Peter Brogle). Arbeitet bis heute als Regisseur und Bühnenbildner im In- und Ausland. Diverse Publikationen zum Thema Theater. Er lebt in Luzern.