„Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum“

Das zentrale Thema auf der Anlaufstelle Alter ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Luzern. In den Beratungen gehe es aber oft auch um gesundheitliche Anliegen, sagt Evelyne Schrag, die Leiterin der seit Januar 2018 eingerichteten Stelle.

Von René Regenass (Text und Bild)

Wie viele Personen sind seit Anfang Jahr auf die Anlaufstelle Alter gekommen, um Beratung zu holen?
Evelyne Schrag: Die Auswertung erfasst die Zahlen vom 1. Januar 2018 bis 7. Mai 2019, also vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlaufstelle. Es sind insgesamt 423 Kontakte. 147 Personen  haben wir zu Hause besucht, weil sie auf den Fragebogen geantwortet haben, den wir inzwischen an neun verschiedene Jahrgänge zwischen 1929 und 1944 versandt haben. Beim Alter gab es wohl eher zufällige Spitzen bei den 74 und 75Jährigen und bei den 79 und 80Jährigen.

Wie viele der versandten Fragebogen kommen jeweils zurück?
Im Jahre 2018 waren es im Durchschnitt zwischen 5 und 9 Prozent, also zum Beispiel 33 Antworten auf 409 versandte Fragebogen beim ersten Versand im 2018. Seit Januar 2019 haben wir die neuen Zahlen aus drei Versänden von Briefen. Wir haben im ersten Versand 694 Personen des Jahrgangs 1944 angeschrieben. Daraus resultierte ein Rücklauf von 51 Fragebogen. Nach dem Versand der Fragebogen kommen die Leute oft auch spontan vorbei. Häufig sind Personen mit Migrationsbezug darunter, welche Verständnisprobleme wegen mangelnden Sprachkenntnissen haben.

Das werden vor allem Frauen und Männer aus der südlichen Nachbarschaft sein?
Das ist so. Menschen aus Italien und Spanien. Sie sind in den fünfziger Jahren als junge Leute hier angekommen und sind jetzt zwischen 80 und 90 Jahre alt. Sie sind im Grunde genommen gut integriert, haben Kinder, die hier aufgewachsen sind. Aber es gibt vor allem alleinstehende Frauen, die ganz bescheidene Deutschkenntnisse haben. Die älteren Italiener sind hier häufig unter sich und glaubten ursprünglich, sie gingen wieder nach Hause. Sie kümmerten sich gar nicht um die Sprache.

Was mir immer noch fehlt, ist die Zahl der spontanen Besucher und Besucherinne auf der Anlaufstelle, ohne dass sie vorher einen Fragebogen erhalten haben? Wie viele sind zum Beispiel von Januar bis Ende März 2019 hier vorbeigekommen?
Diese Zahl wird nicht ermittelt. Es sind wenige, aber immer mehr, weil viele Menschen im Alltag von unserem Angebot erfahren.

Spontane Besuche auf der Anlaufstelle gibt es also wenige?
Die Zahlen mögen bescheiden sein, aber die daraus entstehenden Gespräche sind alles andere als zufällig. Es geht in den allermeisten Fällen um zentrale Anliegen und notwendige Beratungen oder Hilfestellungen. Die Beratungen haben oft präventiven oder informativen Charakter. Die Betagten sind dann erleichtert, weil sie wissen, an wen sie sich wenden können.

Welche Themen dominieren dabei?
Das ist ganz klar der Mangel an bezahlbaren Wohnungen für ältere Menschen.  Das Angebot an Alterswohnungen von Viva – die Wohnungen sind früher von der Stadt, respektive von der Abteilung HAS (Heime und Alterssiedlungen) vermietet worden – ist sehr bescheiden. Die Häuser mit den Wohnungen auf Dreilinden, im Rank und an der Schlossstrasse sind renovationsbedürftig. Ab und zu erfahren wir auch von andern Angeboten, zum Beispiel von Pensionskassen oder auch von Privaten.

Und die Genossenschaftswohnungen?
Die neuen sind zu teurer und das Angebot an älteren Wohnungen ist zu gering.

Mit welchen Anliegen werden Sie sonst noch konfrontiert?
Gesundheitliche Fragen stehen oft an erster Stelle. Vielfach kommen erste Anzeichen von Demenz dazu. Wir suchen dann das Gespräch und versuchen die direkte Hilfe zu vermitteln. Für Demenz ist der Rote Faden eine gute Adresse, auch die Spitex kann in vielen Fällen Unterstützung bieten. Haushilfe ist oft ein Thema, ebenfalls die Ernährung, Isolation und Vereinsamung. Auch die Entlastung pflegender Angehöriger kann wichtig werden.

Wie können Sie dazu beitragen, dass alte Menschen selbständig in ihrer Wohnung bleiben können?
Es geht vor allem um Informationen über Gesundheitsförderung, Prävention und Sicherheit. Wir machen auch auf andere Dienste aufmerksam: Pro Senectute, Spitex, Haushilfe, SRK, SOS-Dienst, Besuchs- oder Begleitdienste. Wir vermitteln auch Handwerker oder Freiwilligendienste.

Ist die Anlaufstelle personell gut besetzt? Reichen die Kenntnisse aus der Pflege, die sie alle mitbringen, um auch in sozialen und gesellschaftlichen Fragen weiterhelfen zu können?
Die drei Personen verfügen über 180 Stellenprozente. Neben mir als Leiterin wirken Debora Frischkopf und Tina Sidler mit. Die Stelle ist gut besetzt. Wir verfügen über ein breites Wissen und viel Erfahrung. Und der medizinische Hintergrund, den wir alle mitbringen, ist in vielen Fällen wichtig.

Ist das Angebot der Anlaufstelle bei älteren Menschen in der Stadt genügend bekannt? Wäre da etwas mehr Öffentlichkeitsarbeit nicht angezeigt.
Es ist einiges publiziert worden, zum Beispiel auf der Stadtseite im Anzeiger. Oder auch im Inseratenteil. Das läuft so weiter. Wir machen laufend auf uns aufmerksam. Die Vernetzung ist uns wichtig. Auch im Stadtmagazin ist ein Artikel geplant. Langsam kommt auch die Mund zu Mund Propaganda zum Tragen.

Sind Sie mit ihrem Auftrag als Anlaufstelle an der Obergrundstrasse 1 am richtigen Ort?
Es ist nicht ganz ideal.  Die Stelle müsste öffentlicher sein, ins Auge fallen gewissermassen. Positiv wirkt sich die Nähe zur AHV-Zweigstelle aus, die unmittelbar neben unserem Büro liegt.
13. August 2019

Forums-Werkstatt
Am Mittwoch, 4. September von 17.00 bis 19.00 Uhr informiert Evelyne Schrag im Rahmen eines Werkstattgesprächs über die Anlaufstelle Alter. (Laboratorium Luzern, Sternmattstrasse 3).