Ulrich Scholbe beim Empfang zum Repair Café im Neubad. 

«Ich habe über hundert Geräte gerettet»

Reparieren statt wegwerfen: Im Repair Café kommen lädierte Handmixer, Kaffeemaschinen oder Lampen zu einem zweiten Leben. Ulrich Scholbe (67) und seine Tüftler machen es möglich. Neue Flicktalente, jung oder alt, sind gesucht.

Von Beat Bühlmann (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)

Früher Samstagmorgen im Neubad. Noch steht niemand an vor dem Empfang, um den defekten Wecker oder die flackernde Lampe den Tüftlern des Repair Cafés in Obhut zu geben. Doch im Hintergrund laufen bereits die Vorbereitungen für die «Türöffnung» um 11 Uhr. Tische werden zurechtgerückt, mitgebrachte Zangen und Schraubenzieher bereitgelegt. Der Werkzeugschrank mit Steckern, Strommessgeräten, Kontaktspray, Leim, Bohrer und anderen Utensilien ist bereits geöffnet.

Zwischen 25 und 50 Frauen und Männer besuchen jeweils das Repair Café, das regelmässig im Neubad (seit 2015) und im Bourbaki (seit 2018) in Luzern stattfindet. (Nähere Angaben auf der Webseite.) In der Schweiz gibt es insgesamt  etwa 120 Repair-Cafés. Inzwischen sind auch zwei «Textildamen», wie Scholbe sie anerkennend nennt, im Neubad eingetroffen. Für sie stehen auf zwei Tischen Nähmaschinen der Marke Bernina samt einer Schachtel mit farbigen Fadenspulen bereit, zum Inventar gehört auch ein Bügeleisen. Hier werden Hosen und Hemden geflickt und geglättet, wenn nötig Knöpfe angenäht. «Die zwei Frauen kümmern sich als Nähprofis um diese Dinge», sagt Ulrich Scholbe.

«Ich kann etwas tun für die Nachhaltigkeit»

Der 67-jährige Ulrich Scholbe, diplomierter Ingenieur Elektrotechnik, liess sich vorzeitig pensionieren und ist seit vier Jahren der Spiritus Rector dieses gemeinnützigen Unternehmens. «Wir wollen nicht nur reden und demonstrieren, sondern etwas Konkretes tun für die Nachhaltigkeit», sagt der Präsident des Vereins «Repair Café Luzern». Er selbst habe über hundert Geräte gerettet, die «sonst auf dem Müll gelandet wären». Pro Jahr werden vom Team der Repair-Cafés im Neubad und im Bourbaki je etwa 250 Geräte repariert. So wird deren Lebenszyklus deutlich verlängert und somit ein praktisches Zeichen gegen die grassierende Wegwerfmentalität gesetzt. Oft sind auch Emotionen mit im Spiel, vor allem bei der älteren Generation, der Stammkundschaft im Repair Café. So war kürzlich eine ältere Frau ganz glücklich, als Scholbe ihre altehrwürdige Lieblingslampe wieder zum Leuchten brachte. Für ihn «der Aufsteller der Woche».

Die Geräte werden gemeinsam repariert, das Projekt versteht sich auch als Hilfe zur Selbsthilfe. Dazu gehört auch die «soziale Komponente». Denn es kommen auch Frauen und Männer ins Neubad oder ins Bourbaki, die es sich schlicht nicht leisten können, ein defektes Gerät einfach wegzuwerfen und durch ein neues zu ersetzen. Geflickt werden Computer, Toaster, Handys, Staubsauger, Lampen, Radios, CD-Player, Taschen, Gürtel, Rucksäcke… Doch nicht alles, was kaputt ist, kann repariert werden. Länger als eine halbe Stunde können die Flickexperten nicht an einem Gerät  herumtüfteln. Dann bleibt nur noch der Gang ins Tüftelwerk (an der Unterlachenstrasse 5), wo die Geräte abgegeben werden können, damit die dortigen Universalbastler in aller Ruhe um die Reparatur kümmern können. Oder sie müssen definitiv entsorgt werden.

Senioren als Experten gesucht

An diesem Samstagmorgen sind neun Expertinnen und Experten im Repair Café engagiert. Dazu kommen zwei Freiwillige für den Empfang, wo sie eine erste Vorabklärung vornehmen. Insgesamt sind rund 50 Männer und Frauen, zumeist im Pensionsalter, als ehrenamtliche Tüftler im Einsatz, davon die Hälfte sehr regelmässig. Aufgrund der Nachfrage könnten es durchaus mehr sein. «Wir brauchen keine Superexperten», sagt Ulrich Scholbe, «denn wir arbeiten im Team und unterstützen uns gegenseitig.» Viel wichtiger seien die Lust am Tüfteln und Flicken, eine rasche Auffassungsgabe sowie die soziale Kompetenz für das gemeinsame Reparieren. «Denn wir sind stets im Austausch mit anderen Menschen.» Die Entschädigung ist bescheiden, meistens sind es 20 bis 30 Franken, die durch das Verteilen der Kollekte zusammenkommen. Doch der eigentliche Lohn sind die kleinen Erfolgserlebnisse, wenn das Gerät wieder funktioniert – und nicht auf den Müll kommt.

24. November 2021 – beat.buehlmann@luzern60plus.ch

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Tel. 076 720 36 16

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