Rebstock-Wirtin Claudia Moser.

Gastgeberin mit Leidenschaft

Wer kennt ihn nicht, den Rebstock? Restaurant und Hotel verdanken ihr Renommee wohl bis heute Claudia Moser, der Besitzerin von 1980 bis 2009. Ein Porträt dieser tatkräftigen Frau.

Von Ueli Hunkeler (Text) und Joseph Schmidiger (Bild)

«Muesch öppis mache, gell», sagt Claudia Moser, als ich sie in ihrem kleinen Büro im «Hofquartier» treffe. Zusammen mit einer Mitarbeiterin managt sie die Vermietung und den Betrieb einer Anzahl Business-Appartements in der Nähe der Hofkirche in Luzern. Nach wenig Arbeit sieht es nicht aus. Die geschmackvollen Wohnungen sind beliebt bei Gästen aus aller Welt, Touristen und Geschäftsleuten, Familien aus Asien zum Beispiel. Nicht selten logieren hier auch Künstlerinnen und Künstler mit Auftritten im KKL oder dem Luzerner Theater.

Das Appartementhaus «Hofquartier» ist die letzte Errungenschaft in Claudia Mosers einstigem Imperium bei der Hofkirche. Begonnen hat es mit dem «Rebstock», den sie 1980 von Bern herkommend übernahm. Damit bewies sie Mut und Risikobereitschaft, denn das Wirtshaus war damals nicht gerade das Zentrum der Luzerner Gastroszene. Wie hat sie es geschafft, den verschlafenen Rebstock in kurzer Zeit zu einer In-Beiz und einem Epizentrum der Luzerner Fasnacht zu machen?

«Du musst kämpfen!» sagt sie. Sie versteht nicht, warum etliche junge Wirtsleute das Handtuch schon nach kurzer Zeit werfen. Anfänglich habe sie es auch im Rebstock schwer gehabt. Aber sie war Gastgeberin mit Leib und Seele. Sie brachte sich persönlich ein, kannte ihre Gäste und deren Wünsche. Entsprechend hat sie ihr Lokal und die Hotelzimmer gestaltet. Geschmackvoll eingerichtet, mit viel Kunst, auch aus der Zentralschweiz. Viel dazu beigetragen hat ihr Partner Christian, von regelmässigen Rebstock-Gängern nur «Chrigu» genannt. Berühmt waren die Diskussionen mit ihm über Gott und die Welt nach der Polizeistunde!

Kaum in Luzern angekommen, begann Claudia Moser aktiv am kulturellen Leben teilzunehmen. Besonders dem damals entstehenden KKL war sie verbunden. Es war denn auch kein Zufall, dass immer mehr Künstlerinnen und Künstler aus den Bereichen Musik, Theater und Kleinkunst bei Claudia abstiegen. Hier konnten sie auch nach der Vorstellung noch etwas essen, wenn sie wollten mit Gästen diskutieren oder sich zurückziehen. Claudia umsorgte sie, und für viele Beizengänger war es selbstverständlich, dass man hier zur späten Stunde noch einen Dimitri, einen Franz Hohler oder einen Polo Hofer antreffen konnte.

Aber nicht nur die Promis, alle waren bei Claudia willkommen. Die Speisekarte enthielt für jeden etwas, vom einfachen «Vogelheu» über das Rebstock-Pfännli bis zum Hohrückenfilet. Die im Keller liegende Küche war oft gefordert und manchmal auch etwas überfordert mit dem breiten Angebot, das in der Gaststube, in der Hofstube und im Hofegge serviert wurde. Und über allem wachte das Auge von Claudia Moser. Obwohl sie eine strenge Chefin war, der kaum ein Missgeschick entging, blieb ihr das Personal oft über Jahre treu und war teilweise mit den Gästen freundschaftlich verbunden.

Etwas Besonderes war die Luzerner Fasnacht im Rebstock. Auch hier war das Rezept Claudia Mosers clever und zugleich sympathisch. Sie wusste von Kollegen, dass in Luzern die Fasnachtstage sehr entscheidend für den Jahresumsatz sind. Fasnächtler halten den Beizen oft auch durchs Jahr die Treue. Chrigu dekorierte die Beiz und Claudia sorgte für den Kontakt zu wichtigen Exponenten der Fasnachtsszene. Und so füllte sich der Rebstock Jahr für Jahr an allen Fasnachtstagen mit Fasnachtgruppen, Einzelmasken, Guggenmusigen und anderen Fasnachtsgängern. In der Güdismontagnacht war oft kein Durchkommen mehr in der Gaststube. Unvergessen die Aktion einer Fasnachtsgruppe mit dem Thema «Zügeln», die über die Köpfe der Gäste hinweg eine ganze Wohnungseinrichtung mit Schrank, Tisch und Stühlen durch die Beiz transportierte. Aber trotz allem Trubel wurden Menus serviert und waren Pappbecher sowie Plastikgeschirr verpönt. Das Personal arbeitete in diesen Nächten fast bis zum Umfallen, aber viele davon auch mit sichtlicher Freude. Die Toleranz der Wirtin wurde bis an die Grenzen und manchmal auch noch etwas darüber hinaus strapaziert. Selbst am Aschermittwochabend sassen noch ein paar übernächtigte Böögen am runden Tisch und zogen bei einem letzten Glas «Appenzeller» mit Claudia Bilanz. «Diese war immer erfreulich», findet sie.

Claudia Moser bewies einmal mehr grosse Risikofreude, als sie sich 1992 entschloss, die drei alten Häuser des Chorherrenstifts vis-à-vis dem Rebstock zu kaufen. Der Ausbau der historischen Bauten aus dem 12., 14. und 19. Jahrhundert zu einem Restaurant mit Hotelzimmern war aufwendig, galt es doch zahlreiche Auflagen der Denkmalpflege, Gewerbe- und Hotellerievorschriften zu beachten. Geduld und ein langer Atem waren gefragt. Schliesslich eröffnete der «Hofgarten» als vegetarisches Restaurant mit gepflegter Atmosphäre und gut bestücktem Weinkeller. Die 19 Hotelzimmer waren alle exklusiv gestaltet, was natürlich ebenfalls hohe Kosten verursachte. Erinnern wir uns: Die Hypothekarzinsen lagen damals bei 7-8%! So kam der Erfolg diesmal nicht sofort. Das Restaurant wurde zwar wohlwollend aufgenommen, aber die Frequenz blieb anfänglich unter den Erwartungen. Vegetarische Küche in dieser Form war neu für Luzern, denn hierzulande verband man vegetarische Küche mit Gesundheitstempeln. Das «vegane Zeitalter» hatte noch nicht begonnen.

Aber in einem bewies sich die Idee eines zweiten Standbeins sofort als Volltreffer: Wenn nach einer wilden Fasnachtsnacht morgens früh der Rebstock geschlossen wurde, konnten die Fasnächtler beim Frühstück im Hofgarten munter weiter feiern!

So viel zu den alten Zeiten. 2009 hat Claudia Moser nach 28 Jahren den Rebstock und den Hofgarten verkauft. Fast 40 Jahre war sie als Wirtin und Gastgeberin tätig gewesen. Aber schon in ihrem Elternhaus im deutschen Gottmadingen nahe Schaffhausen gab es ein Wirthaus, den «Sternen», welchen ihre Mutter führte, während der Vater den Bauernhof betrieb. Nach Lehr- und Wanderjahren in Frankreich und England arbeitete sie im kaufmännischen Bereich, bis sie zu den Wurzeln zurückkehrte und den «Goldenen Schlüssel» in Bern übernahm. Auch hier musste sie kämpfen, lag das Lokal doch mitten im Milieu. Nach einem unliebsamen Vorfall mit Gästen besuchte sie einen Selbstverteidigungskurs und schon bald hatte sie das Etikett der «resoluten Wirtin».

Nach dem Verkauf des Rebstocks plante sie mit Chrigu viel zu reisen, Kulturveranstaltungen und Ausstellungen zu besuchen. Im Piemont wartete ein Landgut mit Haselnussplantagen auf die beiden. Leider verstarb ihr Partner bald danach und die Pläne änderten sich. Sie «musste» wieder etwas machen, und so baute sie das ehemalige Personalhaus hinter dem Rebstock zum «Hofquartier» aus. Hier finden wir sie nun inmitten von viel Papier, zusammen mit einer treuen Angestellten aus der Rebstock-Zeit, beschäftigt, am Telefon, im Gespräch, die Augen überall und immer bereit anzupacken, wo es ihr notwendig erscheint. Ach ja, und Reisen gibt es auch, in diesem Monat zuerst nach Berlin, dann nach Moskau und schliesslich gar nach Beirut. Niemand würde darauf kommen, dass die Frau nächstes Jahr 80 wird.

28. April 2018

Hinweis: Claudia Moser kennen lernen?
Marktplatz 60plus vom 2. Juni 2018, Kornschütte Luzern
Motto Humor trotz(t) Alter
Ueli Hunkeler plaudert um 16 Uhr mit Claudia Moser, *1939, darüber, ob alt werden eigentlich lustig ist.