
Linguistin Helen Christen. Bild: Joseph Schmidiger
George Alamuddin
Von Helen Christen
Sie kennen George Alamuddin nicht? Wirklich nicht? Diese Wissenslücke lässt sich leicht schliessen. George Alamuddin heisst nämlich gar nicht Alamuddin, sondern Clooney, what else? Dieser hat bei seiner Heirat mit Amal Alamuddin seinen Familiennamen – selbstverständlich! – behalten. Nicht jedoch seine Ehefrau, als Anwältin auf internationales Recht und Menschenrechte spezialisiert, die ihren Familiennamen bei der Eheschliessung – selbstverständlich! – nicht behalten hat.
Die Ehenamenwahl ist im schweizerischen Zivilgesetzbuch unter Artikel 160 geregelt, dessen erster Absatz lautet: «Jeder Ehegatte behält seinen Namen.» Freilich kann ein*e Ehepartner*in auf dem Zivilstandsamt auch erklären, auf den bisherigen Namen zugunsten eines gemeinsamen Familiennamens verzichten zu wollen. Dieses Namenrecht blickt auf eine längere Geschichte zurück und noch längst ist kein Schlussstrich unter kontroverse Debatten gesetzt. Es sind insbesondere Doppelnamen, die momentan in den Eidgenössischen Räten wieder diskutiert werden.
Wer denkt, dass der seit dem Jahr 2013 gültige Absatz 1 des Artikels 160 ZGB nun der Goldstandard sei und dem Selbstverständnis heutiger Heiratswilliger Genüge tue, sieht sich einigermassen getäuscht: Im Jahr 2022 haben in der Schweiz 66 Prozent der Frauen bei der Eheschliessung ihren herkömmlichen Namen abgelegt, jedoch nur gerade mal 3 Prozent der Männer. Warum aber nehmen die meisten Frauen nach wie vor den Namen ihres Ehemannes an und damit in Kauf, dass sie nach ihrer Heirat hinter den breiten Namenschultern ihres Angetrauten verschwinden und in Bildlegenden oft zu blossem «seine Ehefrau/Gattin Amal» eingedampft werden? Jene Studien, die sich den Motiven der Ehenamenwahl widmen, fördern verschiedene Argumentationen zutage.
Ein Namenwechsel wird begründet mit der Tradition. Ok, aber: Gibt es nicht einige Gebräuche, die die Menschheit seit der Jungsteinzeit durchaus zu ihrem Gewinn aufgegeben hat? Zugegeben, aus dem Gewohnten auszuscheren, braucht mentalen Frostschutz gegen eisige Blicke aus Verwandt- und Bekanntschaft. Da muss frau durch.
Ein Namenwechsel wird begründet mit der Ästhetik des Namens. Ok, aber: Wovon hängt es ab, ob einem ein Name gefällt oder nicht? Santana oder Giordano schmeicheln vielleicht den Ohren, aber deswegen sperrigeres Gygax oder belächeltes Bünzli aufgeben? Ist dies vielleicht ein argumentatives Hintertürchen, um dem Wechsel, der in einer wissenschaftlichen Befragung unangenehmerweise gerechtfertigt werden muss, ein akzeptables Mäntelchen umzuhängen?
Ein Namenwechsel wird begründet mit der Diskriminierung des herkömmlichen Namens. Ok, aber: Tatsächlich verspricht ein neuer Name die Aussicht, ein neues (Namen-)Leben zu beginnen und die sprachliche Offenlegung der Herkunft aus einem unliebsamen sozialen, ethnischen, familiären Umfeld zu kappen. Warum wittern dann aber nicht mehr Männer die einmalige Chance, einen lästigen Namenballast elegant abzuwerfen und mit neuem Namen in die Sphären einer neuen Sippe einzutauchen? Und dies erst noch quasi gratis, nämlich ohne «achtenswerte Gründe» geltend machen zu müssen, wie dies ein regulärer und sehr aufwändiger Namenwechsel nach Artikel 30 des Zivilgesetzbuches erfordern würde.
Ein Namenwechsel wird begründet mit der Zusammengehörigkeit der Familie. Ok, aber: Warum verschiebt sich seit Inkrafttreten des Namenrechts die Quote nicht allmählich in Richtung gleichmässiger Verteilung von wechselnden Männern und wechselnden Frauen? Ist diese Zusammengehörigkeit, die ihren Ausdruck in einem gemeinsamen Namen finden soll, ein Anliegen vornehmlich der Frauen, die offenbar bereit sind, den Verzicht auf ihren Ledignamen als – selbstverständliche! – Morgengabe in die Ehe einzubringen?
Und Obacht! Zugehörigkeit kann eine ziemlich unschöne Kehrseite haben. Der Familienname verortet ein Individuum in eine bestimmte Sippe und kann damit gleichzeitig als Besitzanzeiger dieser Sippe fungieren. Weit hergeholt? Mitnichten. Es war bei nordamerikanischen Sklavenhaltern nicht unüblich, den Sklav*innen den eigenen Familiennamen zu vergeben, um sie auf diese Weise als ihren Besitz zu markieren. Was Namengebung mit Macht- und Besitzansprüchen zu tun hat, lehren uns auch Beispiele aus dem heutigen Leben: Der Mehrheitsaktionär des Eishockeyclubs EV Zug, Hans-Peter Strebel, hat die Zuger «Bossard Arena» erworben; sie heisst nun «OYM Hall». Der Unternehmer und Showmaster Donald Trump ist Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika geworden; der «Gulf of Mexico» heisst nun «Gulf of America». Der CEO von Thermoplan, Adrian Steiner, hat einen Werbevertrag mit dem FC Luzern abgeschlossen; die «swissporarena» heisst ab nächstem Sommer …
Namen sind eben mehr als Schall und Rauch.
PS: Wers etwas zurückhaltender mag, bitte schön:
Martina Heer (2025): «Wir haben eine Münze geworfen» – Zur Namenwahl bei der Eheschliessung in der Schweiz. Zwischen Tradition, Gleichstellung und Selbstbestimmung. In: Beiträge zur Namenforschung. Bd. 60, Heft 1/2, 139–167.
Anne Rosar (2023): Familiennamenwechsel bei der Heirat. In: Damaris Nübling/Konrad Kunze (Hrsg.): Kleiner deutscher Familiennamenatlas. Berlin, Boston, 84–89.
10. November 2025 – helen.christen@luzern60plus.ch
Zur Person
Helen Christen, geboren 1956, ist in St. Erhard aufgewachsen und wohnt seit vielen Jahren in Luzern. Bis zu ihrer Emeritierung war sie Professorin für Germanistische Linguistik an der Universität Freiburg i. Ü. Das Interesse an der deutschen Sprache in all ihren Facetten und die Lust an der Vermittlung linguistischen Wissens waren nicht nur die Triebfedern in ihrem Berufsleben, sondern prägen auch den neuen Lebensabschnitt.