HelloWelcome – wo sich Menschen begegnen

Von Marietherese Schwegler (Text) und Josef Schmidiger (Bild)

Wer heisst da wen willkommen? Das fragt sich die Luzerner Besucherin, als sie an einem Nachmittag spontan den Pavillon hinter dem Hotel Astoria betritt, in dem HelloWelcome zuhause ist. Wer glaubt, hier würden einheimische Helferinnen Asylsuchende aus Syrien, Eritrea oder andern Ländern freundlich begrüssen, erfährt gleich, dass es auch umgekehrt läuft: Ein junges, vermutlich aus dem Mittleren Osten stammendes Paar sitzt in der Nähe des Eingangs auf dem Sofa und bedeutet der Eintretenden mit einladender Geste, sich doch zu ihnen setzen.

Von den grossen Tischen, um die geschätzt 40 bis 50 junge Männer und Frauen sitzen – letztere klar in der Minderheit –, lächeln ebenfalls ein paar Gesichter freundlich Richtung Eingang. Doch die meisten blicken kaum auf, denn sie sind eifrig am Deutschlernen, konzentrieren sich auf Kärtchen mit Bildern oder Begriffen, schreiben Sätze in ihr Heft. Oder sie folgen den Anleitungen von Minu, einer Iranerin, die selber vor vielen Jahren in die Schweiz geflüchtet ist, Deutsch inzwischen gut beherrscht und es an junge Asylsuchende weitervermittelt. Mehrmals pro Woche ist sie bei HelloWelcome als Lehrerin anzutreffen. Für ein, zwei Stunden setzt sich manchmal der afghanische Flüchtling Farid, als IT-Fachmann bei der Post tätig, als Hilfslehrer in eine Runde von Lernwilligen. Mehrheitlich sind es jedoch Einheimische wie Edith, eine Frau der ersten Stunde, oder Franziska, die die jungen Asylsuchenden regelmässig beim Deutschlernen unterstützen und ihnen etwas über den Schweizer Alltag vermitteln. Ehrenamtlich, verlässlich, unbezahlt.

Deutsch lernen und dann arbeiten
Das Paar, zu dem ich mich schliesslich setze, ist sichtlich froh um die Gelegenheit, mit jemand Deutsch sprechen zu können. Nach ihrer Herkunft gefragt, erzählen sie die Geschichte ihrer gemeinsamen Flucht aus Syrien, aus einem umkämpften Dorf nahe der türkischen Grenze. Die Eltern der Frau blieben zurück, wie einer der Brüder, der sich um sie kümmert. Dank dem Handy können sie notdürftig den Kontakt aufrechterhalten. Aber die Sorge um die Sicherheit der Verwandten bleibt.

Auch Rahwa, die in Eritrea Lehrerin war, ruft manchmal zu Hause an. Viel mehr als ein unverbindlicher Austausch darüber, wie es ihnen dort oder hier gehe, liege kaum drin, kritische Fragen seien zu riskant, gibt sie zu verstehen. Hier wendet sie viel Zeit auf, um ihre bereits beachtlichen Deutschkenntnisse zu verbessern und hilft dabei einer Landsfrau, die sich noch schwer tut mit der fremden Sprache. Rahwa ist hoch motiviert, weil sie ein klares Ziel hat, nämlich sobald als möglich eine Pflegeausbildung zu machen. Der junge Mann aus Afghanistan, der auf einer Bank am Rande sitzt, sieht sich dereinst als Maler oder Lastwagenchauffeur, ein weiterer ist gelernter Schneider. Auch ihnen ist wie praktisch allen hier klar: Die erste und wichtigste Voraussetzung, in der Schweiz Arbeit zu finden oder eine Lehre zu machen, sind ausreichende Deutschkenntnisse.

Freiwillige weiterhin gesucht
Die deutsche Sprache zu lernen und zu lehren ist denn auch die Aktivität, die bei HelloWelcome im Vordergrund steht. Doch ausserhalb der regulären Öffnungszeiten – jeden Nachmittag ausser freitags – gibt es weitere: Das Kindercafé am Mittwochvormittag, das speziell Familien mit Kindern anspricht; ein Nähatelier; Spielabende oder Singen und Musizieren; Englisch- und Arabisch-Konversation; Vorträge und Diskussionen. Nicht zu vergessen die Interkulturelle Bibliothek, die im Pavillon Bücher in verschiedensten Sprachen ausleiht.

Der Treffpunkt wird heute von einem bezahlten Zweierteam in Teilzeit geführt: von der einheimischen Rita Ueberschlag, ausgebildet in Diversity- und Projektmanagement, die schon bei den Vorbereitungen mitgearbeitet hat, und dem kurdischen Buchhändler und Chemiker Mesut Kılıç, der selber Flüchtling ist und aus der Türkei stammt. Für manche der jungen Asylsuchenden sei Mesut so etwas wie ein Hausvater, sagt Luisa Grünenfelder, eine der Initiantinnen.

Eine tragende Säule sind jedoch nach wie vor die rund 50 Freiwilligen, die heute regelmässig mitarbeiten. Und solche Frauen und Männer sind weiterhin gesucht, die sich verbindlich, zum Beispiel einmal pro Monat oder pro Woche, bei HelloWelcome engagieren wollen. Eines ist gewiss: Es wird für sie ein Geben und Nehmen sein.

Luisa, Marga und Renate: die Initiantinnen
Der Betrieb im Lokal von HelloWelcome wirkt so gut eingespielt, die Kontakte unter Asylsuchenden, aber auch zwischen diesen und Einheimischen sind so freundschaftlich, als ob es den Treffpunkt schon lange gäbe. Dabei wurde er erst vor gut einem Jahr eröffnet, im Januar 2016. Doch wer stand am Anfang? Keine Migrationsbehörde, keine Verwaltungsstelle, kein Hilfswerk. Sondern drei Frauen aus der Zivilgesellschaft: Luisa Grünenfelder, Renate Metzger-Breitenfellner und Marga Varela. Und sie sind heute noch stark engagiert im Betrieb und im Trägerverein. Ehrenamtlich, versteht sich.

Die Drei erinnern sich im Gespräch, wie HelloWelcome zum lebendigen Treffpunkt geworden ist, der heute eine so durchmischte Besuchergruppe anzieht. Zuerst war da Margas Idee für – ja, für was genau? Die Architektin spanischer Herkunft wollte einfach, dass es im Umgang mit Asylsuchenden irgendwie anders laufen sollte. Was sie aus den Zeitungen wusste: Asylsuchende kriegen Essen und ein Dach über dem Kopf, dann müssen sie warten. „Untätig sein zu müssen, ist schlimm. Zumal diese Menschen, wie alle anderen, ihre Qualitäten und Fähigkeiten mitgebracht haben", dachte Marga. Sie wollte ihnen Möglichkeiten geben, damit etwas zu machen und sich gegenseitig zu unterstützen.

Wertschätzung für Asylsuchende
Um diese Idee konkret umsetzen zu können, wandte sich Marga bald an die Grafikerin Luisa und die Journalistin Renate, beide mit viel Projekterfahrung, beide gut vernetzt. Das Ziel, dass Asylsuchende sich einsetzen und dafür Wertschätzung erfahren sollten, überzeugte auch sie. Sie kannten zudem Menschen, die mit Flüchtlingen etwas Sinnvolles tun wollten. Nicht in den Asylzentren selbst, sondern in einem eigenen Raum sollte das Projekt, der heutige Treffpunkt, entstehen. „Wir skizzierten unsere Idee schriftlich und verbreiteten sie bei Organisationen, die sich in diesem Bereich engagieren", erzählen Luisa und Renate. Ermunternde Feedbacks trafen ein und wurden in ein professionelles Konzept samt Betriebsbudget eingearbeitet.

Schon bald kam ein Raumangebot von der Katholischen Kirche Stadt Luzern: ein Pavillon an zentralster Lage am Kauffmannweg, kostenlos. Früher für den Religionsunterricht genutzt, war er inzwischen ziemlich heruntergekommen und so wurde der Saal von der Eigentümerin sanft renoviert. Das Angebot gab den Initiantinnen einen Motivationsschub. Weitere Freiwillige kamen hinzu, bis eine achtköpfige, rein weibliche Equipe stand, die den Raum in tagelanger Arbeit wieder ansehnlich machte: Schränke und Tische fegen, Schrubben drinnen und um den Pavillon herum, Malen, im Brockenhaus Möbel und Geschirr aufstöbern.

Spenden und Beiträge von Stiftungen sowie ein privates Legat von 10 000 Franken würden zum vorgesehenen Start den Betriebsaufwand decken, Freiwillige sagten regelmässige Mitarbeit zu. Aber nicht möglich war zunächst die geplante Anstellung einer Geschäftsleitung. Erst seit Januar dieses Jahres wurde auch dieses Ziel mit finanzieller Unterstützung diverser Stiftungen erreicht.

Anerkennung zollt dem erfolgreichen Freiwilligenprojekt auch Stadtrat Martin Merki. Er sagte am Neujahrsempfang: "Für den Aufbau und den Betrieb von HelloWelcome brauchte es viel Durchhaltewillen. Am Anfang standen Offenheit und Mut. Es ist diese Offenheit und dieser Mut, die in die Gesellschaft strahlen und Luzern reich machen. Dafür danke ich den drei Protagonistinnen herzlich im Namen des Stadtrates." Der Sozialdirektor hat HelloWelcome zudem eine finanzielle Unterstützung von je 15 000 Franken für drei Jahre in Aussicht gestellt, vorbehalten bleibt ein entsprechender Stadtratsbeschluss.

HelloWelcome - der Name als Programm
Anfangs Januar 2016 war es soweit: Das HelloWelcome-Team lud zur Eröffnung. „Das Medieninteresse war super", erinnern sich Luisa und Renate. „Und dann kam Unterstützung von überall her." Freiwillige, die sich für regelmässige Einsätze verpflichteten, machten mit, und schon am zweiten Montag kamen rund 40 Asylsuchende in den neu eröffneten Treffpunkt. Heute sind es an einem Nachmittag durchschnittlich etwa 70. Auch Einheimische kommen für kürzere oder längere Besuche vorbei. Die Gäste sind willkommen bei Asylsuchenden wie bei der Geschäftsleitung.

Wie kamen die Gründerinnen eigentlich auf den Namen des Treffpunkts? „Wir wollten dem Projekt einen Namen geben, den alle verstehen", erklären Luisa und Renate. Und als sie einige Monate vor dem Start des Projektes nach Palästina reisten, wurden sie unterwegs meist genau mit diesen Worten begrüsst: „Hello, welcome!" Da wussten sie: Genau so sollte der Treffpunkt in Luzern heissen. Denn was damit gemeint ist, verstehen alle, egal, welches ihre Muttersprache ist. - 14. Februar 2017

http://www.hellowelcome.ch/

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